„This is history, be proud!“
„Das ist hier ist Geschichte, seid stolz darauf!“. Diese Worten fassen sehr gut den Abend mit Fish in der Bluesgarage Isernhagen zusammen. Der inzwischen 60-jährige Sänger, der immer noch als „Ex“ der Band Marillion in den Köpfen der Fans abgespeichert ist, bot im Rahmen seiner „Weltschmerz – Clutching at Straws“-Tour dann auch im Schwerpunkt die Titel von „Clutching at Straws“, dem letzten Marillion-Album mit Sänger Fish aus dem Jahr 1987. „Vor 30 Jahren habe ich einem Freund einen Brief geschrieben. Wie geht es weiter? Mit mir oder jemand anderem? Und er hat mit geantwortet: Mit jemand anderem!“ schwelgte der Schotte kurz in Band-Erinnerungen. „Und damit war es das letzte Album mit mir.“
Kleiner Mann, was nun?
Fish zeigte sich gut ausgelegt an diesem Abend. Lockere Plaudereien folgten lange Musik-Strecken. Neben dem kompletten „Straws“-Album gab es auch drei Kostproben aus seinem Solo-Werk „Weltschmerz“, das jetzt wohl im nächsten Frühjahr erscheinen soll. Dabei bezieht er sich auf den deutschen Schriftsteller Hans Fallada, dessen Buch „Kleiner Mann, was nun?“ ihn zum gleichnamigen Song inspirierte. Dazu gab es „Man with a stick“ und „Waverly Steps“. Und mit allen drei Stücken bewies er, dass der Stempel „Ex-Marillion“ eigentlich nicht mehr so nötig ist. Zumal seine einstigen Kollegen im eigenen Repertoire die Fish-Epoche inzwischen komplett ignorieren. Er hat also die Songs aus dieser Zeit inzwischen praktisch exklusiv.
Singen bis die Kassette platzt
Unter anderem gab es auch zwei Uraufführungen, Stücke, die vorher noch nie live gespielt wurden. Das war einmal „Going under“ vom „Straws“-Album. Die Geschichte dahinter: Bei den Aufnahmen zu diesem Album stellte der Produzent fest, dass sie für den Longplayer zu wenig Musik hatten. Da Fish und Gitarrist Steve Rothersalleine im Studio waren, wurde improvisiert. „Steve spielte ein paar Akkorde, ich hab irgendwas gesungen. Innerhalb von fünf Minuten stand der Song“, erzählte er lachend. Und er verriet so nebenbei, dass alle Marillion-Alben 46 Minuten lang waren. „Das ist wirklich wahr!“ Denn: Damals gab es noch die Musikkassette. „Eine Seite des Bandes lief 45 Minuten. Und wenn jemand das Album kopieren wollte, war das Band zu Ende und ich habe immer noch gesungen.“ Die zweite Premiere des Abends war „Tux on“, die B-Seite der Single „Sugar Mice“.
Allerdings haderte Fish mit den Single-Erfolgen. „Ich hatte zwei oder drei, aber wichtiger sind Alben. Ich will mit meinen Liedern Geschichten erzählen. Und die dauern nun einmal länger als 3.30 Minuten.“ Diese Tatsache unterstrichen nicht zuletzt die drei neuen Solo-Stücke. Im übrigen hat Fish angekündigt, dass „Weltschmerz“ seine letztes Album sein wird und er sich dann aus der Musik zurückziehen will. Man wird sehen …
Die Entdeckung in seiner soliden Live-Band ist sicherlich Doris Brendel. Die Folk-Pop-Sängerin mit österreichischen Wurzeln unterstütze Fish stimmlich. Mit seinen 60 Jahren ist dessen Stimme zwar noch gut, aber hat nicht mehr die Fülle wie in den früheren Jahren. Brendel ist die Tochter des klassischen Pianisten Alfred Brendel. Neben ihrer Stimme setzte sie auch ihre Tin Whistles ein, Blechflöten, die hauptsächlich in der irischen Musik zum Einsatz kommen. Robin Boult (Gitarre), Tony Turrell (Keyboards), Steve Vantsis (Bass) und „Mostley Autumn“-Drummer Gavin Griffith komplettieren die Live-Band – satter Sound, der allerdings zumindest in der Bluesgarage die Anlage etwas überforderte. Vor allem die Vocals kamen häufiger etwas verzerrt aus den Boxen.
Im übrigen ist jetzt eine EP erschienen, auf der die drei „Weltschmerz“-Titel zu hören sind. Dazu vier Live-Stücke: „Circle Line“, „State of Mind“, „Voyeur“ und „Emperors Song“. Mit rund 70 Minuten ist diese EP allerdings bedeutend länger, als es diese Silberlinge normalerweise sind.
Setlist:
- Slainte Mhath
- Man with a Stick
- Hotel Hobbies
- Warm Wet Circles
- That Time of the Night (The short straw)
- Little man what now
- Torch song
- White Russian
- Just for the Record
- Going under
- Sugar Mice
- Waverly Steps
- The last Straw
- Encore: Tux on
- Encore: Incommunicado.