Sich als postrock-düsteres Dreampop-Trio in das rotze-bunte Berlin zu wagen, dazu gehört schon einiges an Mut. Ist die Stadt nicht viel zu schnoddrig und oberflächlich für Musik, die so viel Aufmerksamkeit, Ausdauer und Empathie abverlangt, wie die von Esben and the Witch? Die Frage muss ganz klar bejaht werden! Dennoch wagt sich die Band hier her. Kompliment dazu!
Der Privatclub an der Skalitzer Straße wirkt entsprechend wie ein glücklich gefundenes Geheimversteck für Band und Eingeweihte – Wohnzimmer-Atmoshäre, abgedunkelt für den
musikalischen Film Noire aus Brighton.
Schon lange vor Beginn tummeln sich erste Fans. Vergnügte Frauengrüppchen mittleren Alters schwärmen sich gegenseitig von ihren letzten Konzerterlebnissen vor und hagere Teenager ziehen einsam ihre Bahnen auf dem noch leeren Floor. Echt; alles vom Undercut bis zur Stirnglatze ist vertreten. Später auch Pärchen.

Als Support eröffnet das Duo Nada den Abend. Maximal-minimalistischer Elektro mit esoterischem Durchdrang. Die puristische Dramaturgie ihres Setting nimmt sich übrigens verdammt viel Zeit. In 45 Minuten schaffen sie es auf gerade mal einen Song! Aber offenbar braucht das das dunkle Ursuppengewaber ihres zähfließenden Beats. Nur langsam reifen die einsamen Motive heran, um dann nur ganz kurz aufzublühen und gleich danach wieder zu verglühen.

Vielleicht nicht etwas für jedermann, aber wem das zu langatmig ist, der ist auf dem Konzert ohnehin falsch.

Mit ungleich mehr Pathos, aber eben doch genauso straight schnörkellos, setzt danach Daniel Copemans Schlagzeug ein: Bum! Bum, bum! Ein schier ewiges Anklopfen an die längst gespannte Aufmerksamkeit des Publikums. Schon auf dem Album lässt sich der Opener Sylvan über 13 Minuten Zeit; doch live brauchen sie sogar noch länger um Rachel Davies zerbrechlich klare Stimme überhaupt kurz anklingen zu lassen. Hier wird anständig angefüttert! Bald zwanzig Minuten gönnt sich die Band – das paralysierte Publikum verharrt dankbar.

Erst als das Schlagzeug zum Refrain von Making The Heart Of A Serpent ausgelassen zu wuchtiger Kraft erwacht und wüst Rachels wehende Gesangsfetzen vor sich hertreibt, reißt es die Leute etwas aus ihrer Stasis. Sicher; das Album Older Terrors ist nicht unbedingt Tanzmusik; aber Trance hat ja doch auch immer irgendwie irgendwas mit Bewegung zu tun.
Mit Did Your Fingers In meandern die Klänge derweil weiter durch mystisch krachende Sphären. Hin und her gerissen zwischen zerbrechlicher Melodie und wilden Drums – am Ende thront das episch verhallende Nichts von No Dogs Schluss.

Nach einigen dazwischen geschobenen Kuschelpartien wie The Fall Of Glorieta Mountain gibt es mit The Wulf’s Sun dann endlich wieder anständig etwas auf’s Trommelfell! Gesang und Klang schwingen sich gegenseitig immer weiter in dramatisch explodierende Höhen.
Btw.: Ich weiß gar nicht, warum immer alle nur über Rachels Stimme reden – das Schlagzeug ist mindestens genauso der Hammer! Endlich ist auch das Publikum richtig wach und moscht und tanzt sich in Rage. Doch schon mit The Jungle kündigt die zwischen den Songs leider etwas wortkarge Rachel das Ende an. Den Marching Song gibt es als Encore schon ohne Daniel. Dann verschwindet die Restband, das Licht geht an und eine weiter Zugabe fordernde Menge merkt, dass es das jetzt wirklich schon war. Haben Esben and the Witch Ausdauer und Aufmerksamkeit ihres Publikums unterschätzt? Ist Berlin etwa doch nicht so schlimm?!

Galerien (by Andreas Budtke):

Setlist Esben and the Witch:
- Sylvan
- Marking The Heart Of A Serpent
- Dig Your Fingers In
- No Dog
- Dull Gret
- The Fall Of Glorieta Mountain
- The Wolf’s Sun
- The Jungle
- Marching Song