Nach 32 Konzerten quer durch Europa mit ausverkauften Shows und jeder Menge fliegender Haare findet “The Epic Apocalypse Tour” der finnischen Cello-Götter Apocalyptica und der niederländischen Symphonic Metal Band Epica im Leipziger Haus Auensee ein ehrwürdiges Finale. Nach vier pandemiebedingten Verschiebungen der Tour können nicht nur Band und Crew aufatmen, sondern auch die Veranstalter, die das letzte verschobene “Coronakonzert” von ihrer To-Do-Liste streichen können. Das ist doch mindestens ein Grund, um anzustoßen, oder?
Das Programm für heute Abend ist straff. Die > 2100 Fans erwartet nicht nur eine phänomenale Show der beiden Headliner, sondern auch noch ein brachiales Vorprogramm mit der Band Wheel. Die britischen Finnen starten bereits 30 Minuten nach Einlassbeginn um 19 Uhr ihr Set.
Keep it wheel
Satter und fetter Progrock tönt nun durch die Boxen. Schwer rasseln Gitarren und Bass. Zum Aufwärmen in Metal-Manier sind Wheel die perfekte Einstimmung. Während Sänger und Gitarrist James Lascelles für kraftvolle Vocals verantwortlich ist, übernehmen Bassist Aki ‘Conan’ Virta und Gitarrist Jussi Turunen den tanzenden und headbangenden Part. Trotz der schweren Töne geht ihnen die pure Spielfreude durch den Körper.
Die EPICANS stehen bereit
Nach dem ersten Eingrooven ist das Haus Auensee kurz vor 20 Uhr bestens gefüllt. Und das ist auch gut so, denn Epica und ihre “Epicans” stehen bereit! Erst jetzt offenbart sich das spektakuläre Bühnenbild: Eine riesige LED-Display Wand dient als medialer Hintergrund, die von einer zweiten Reihe kleinerer Displays im Vordergrund ergänzt wird. So entsteht eine riesige Leinwandfläche, vor der sich die Künstler bewegen. Als Sängerin Simone Simons die Bühne betritt, dreht Leipzig sofort auf und die Haare fliegen los. Vorfreudig aufgeregt stehen auch die Instrumentalisten an ihren Gerätschaften bereit und können es kaum erwarten, mit “Abyss Of Time” loszulegen.
Ganz viele 🫶
Es ist beeindruckend zu sehen, wie leicht und beflügelt die Band sich live präsentiert. Es ist nicht nur jedem Musiker ins Gesicht geschrieben, wie gern er gerade in diesem Moment auf dieser Bühne steht. Spektakulär ist außerdem, wie leicht und quasi “nebenbei” die Band ihre doch recht komplex aufgebauten Lieder live auf die Bühne bringen. Und das alles in einer Qualität, die ihresgleichen sucht (aber keinen findet). Auch kommt man nicht herum, um zu erwähnen, was für eine wunderschöne Frau Simone Simons ist. Mit Leichtigkeit und immer einem Lächeln im Gesicht meistert sie die Tonleiter hoch und runter, ohne dabei nur ansatzweise ins Stocken zu geraten. Gesanglich konträr passen dazu bestens die tiefen Grunts von Gitarrist Mark Jansen, der ebenfalls immer aus tiefster Seele strahlt. Die Jungs dürfen sich an ihren Instrumenten freilich auch ausgiebig austoben. Stücke wie “The Obsessive Devotion” bieten dafür reichlich Platz. Keyboarder Coen Janssen tanzt mit seinem Instrument ebenfalls quer über die Bühne und posiert mit Pestmaske zu “Victims Of Contingency”. Diese Band hat wirklich Freude an ihrer Musik und bricht wie eine gigantische Welle durchs Publikum.
Forever and ever!
Zeit für eine kleine Ruhepause bleibt trotzdem. Zu “Rivers” vom aktuellen Album gesellen sich tausende Lichter aus Smartphones und Feuerzeugen während sich auf der LED-Leinwand im Hintergrund weitere Lichter gesellen – ein wunderschöner Anblick. Musikalisch hauen Epica ansonsten ganz auf die Vollen. Die Setlist ist eine gute Mischung aus Liedern des neusten Albums “Omega” und allerhand Klassikern der letzten 20 Jahre. Als “Alpha” ihrer Bandkarriere darf “Cry For The Moon” bei keinem Auftritt fehlen…forever and ever. Neuen Schwung gibt dann noch einmal “Beyond The Matrix” mit einem großen hüpfenden Pit inklusive tausender fliegender Arme in der Luft. Zum Schluss darf die obligatorische Wall Of Death zu “Consign To Oblivion” auch nicht fehlen.
Time for…Apocalyptica
Nach reichlich 80 Minuten epicanischem Co-Headliner Programm wird die Bühne für die Finnen Apocalyptica bezugsfertig gemacht. Vor 30 Jahren begann ihre Musikkarriere mit dem Covern von hauptsächlich Metallica-Klassikern auf Violoncelli. Über die Jahrzehnte haben sich Eicca Toppinen, Perttu Kivilaakso und Paavo Lötjönen immer wieder neu erfunden und weiterentwickelt, ohne dabei ihre Wurzeln aus dem Blick zu verlieren. Was mit Metallica auf Cello begann, ging über in Cello mit Gästen am Gesang, später inkludierte man das Schlagzeug und seit 2008 ist in abwechselnder Besetzung ein Gastsänger live dabei. Ihr aktuelles Album “Cell-0” ist das erste reine instrumentale Album der Band seit 2003. Für die aktuelle Tour haben die Drei neben ihrem Drummer Mikko Sirén wieder Franky Perez mit am Start.
Apocalyptica haben also beste Startbedingungen für ein gelungenes Tourabschluss-Konzert: Band passt, Publikum passt und die Stimmung passt ebenso. Nachdem Epica das Haus Auensee bereits zum Beben gebracht haben, wird es bei Apocalyptica noch einmal um einiges lauter. Unter tobendem Applaus spielen sie nicht nur neuere Stücke, sondern auch einen guten Querschnitt durch ihre musikalische Geschichte. Die Musik von Apocalyptica ist nicht minder komplex als die von Epica. Eicca, Perttu und Paavo bearbeiten ihre wunderschönen Instrumente in virtuoser Gefühlsarbeit, während das Publikum die Bank durch headbangt.
Feinste Symbiosen
Gesanglichen Support kommt dieses Mal nicht nur von Franky Perez bei Stücken wie “I’m Not Jesus” oder “I Don’t Care”. Für die aktuelle Single “Rise” hat sich Simone Simons in ein bezauberndes schwarzes Paillettenkleid geworfen, um mit ihrer wunderschönen Stimme die drei Violoncello zu unterstützen – eine ganz zauberhafte und stimmige Symbiose. Tief und gruntig dagegen wird der Gesang bei “Bring Them To Light”, dessen Part Mark Jansen übernimmt. Eine ganz andere musikalische Konstellation, aber die Vier würden auch eine neue interessante Metalband abgeben.
Apocalyptica plays Metallica by three Cellos
Und natürlich, natürlich, natürlich dürfen Metallica bei einem Apocalyptica Konzert nicht fehlen. Zu Nothing Else Matters singen die Leipziger ganz schön tief und schief, aber aus vollem Herzen. Und am Ende sogar so, dass ein leichtes Lachen durch das Haus Auensee geht. Zum Metallica-Klassiker laufen Regentropfen über die LED-Leinwand, während Perttu sich ganz der Titelmelodie auf seinem Cello hingibt. Der Schlagzeugpart am Ende klingt ungewohnt neu, aber am Ende passt es doch. Eine Band muss das gleiche Lied nicht 30 Jahre lang gleich spielen. Der Schlussteil bleibt weiterhin düster und metallisch. Ganz zum Ende toben sich die Drei zu Edvard Griegs “The Hall Of The Mountain King” noch einmal so richtig aus, bis fast eine Saite reißt.
Nach 33 erfolgreichen Konzerten kann man dann nur noch sagen: Chapeau.
Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2023):
Setlist Epica:
- Intro – Alpha Anteludium
- Abyss Of Time
- The Essence Of Silence
- Victims Of Contingency
- Unchain Utopia
- The Final Lullaby
- The Obsessive Devotion
- The Skeleton Key
- Rivers
- Code Of Life
- Cry For The Moon
- Beyond The Matrix
- Consign To Oblivion
Setlist Apocalyptica:
- Ashes
- Grace
- I’m Not Jesus mit Franky Perez
- Not Strong Enough mit Franky Perez
- Rise mit Simone Simons
- En Route To Mayhem
- Bring Them To Light mit Mark Jansen
- Shadowmaker mit Franky Perez
- I Don’t Care mit Franky Perez
- Nothing Else Matters
- Inquisition Symphony
- Seek & Destroy
- Farewell
- The Hall Of The Mountain King
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