Review: Eisbrecher kollidiert mit Schlachthof (06.10.2017, Dresden)

Zu solchen Begleiterscheinungen kann es schon Mal kommen, wenn die Herren von Eisbrecher mit neuem Album im Sturm auf Platz Nummer 1 der Deutschen Album Charts fahren. An diesem Freitagabend ist es nun soweit, die Herren aus Bayern ankern auf ihrer aktuellen Tour „Sturmfahrt 2017“ samt schweren Gerät im Dresdner Harfen, um im wahrsten Sinne des Wortes die Decke des Alten Schlachthofes zum Einstürzen zu bringen – so zumindest die Zielformulierung von Sänger Alexander „Alexx“ Wesselsky während des Konzertes. Diese großmütige Absicht bedarf es natürlichen entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen.

Den Job der Anheizer übernehmen in unzüchtiger Manier Toby Fuhrmann (Schlagzeug), Alex Blaschke (Bass), Daniel De Clercq (Gitarre) und „Der Schulz“ (Gesang). Die Dark-Rocker aus Hannover haben ebenso einen neuen Longplayer am Start und spielen in ihrem Set nicht nur das gleichnamige Titelstück des Live-Albums „Widerstand“, sondern auch einige Tracks der letzten Studio-LP „Neuntöter“. Natürlich dürfen die Band-Klassiker wie „Engel Der Vernichtung“ oder „Unzucht“ nicht fehlen und zum Ende laden Unzucht alle Anwesenden ab November auf ihre eigene Headliner-Tour ein.

bs! sucht DICH!

Wo wie gerade beim Thema Hauptattraktion sind…der Alte Schlachthof in Dresden ist mittlerweile bis auf den letzten Platz gefüllt – ausverkauftes Haus. Da hinter dem Vorhang auf der Bühne noch kräftig gewerkelt wird, geht jede(r) gewissen (Not)Wendigkeiten, wie Getränke holen, Platz sichern, Rauchen & Co. nach. Etliche Minuten später erklingen die ersten Töne vom Intro, der Vorhang fällt und die Protagonisten Achim, Jochen, Jürgen bzw. Rupert beziehen an den jeweiligen Gewerken Aufstellung. Eins wird schnell deutlich, mit dem obersten Platz in den Charts kann die Band offensichtlich ein bisschen mehr für Ausstattung ausgeben, die Bühnendekoration ist noch  opulenter als auf der letzten Tour und sehr passend zum Cover des aktuellen Albums eingerichtet.

 

Der Himmel fällt, ein Sturm bricht an
 Fasst euch ein Herz, glaubt an euch selbst
 Es geht voran
 Nichts schmeckt so gut wie die Gefahr, so gottgewollt so gnadenlos
 Befehl: Maschine klar!

 Ein letzter Gruß, ein letzter Blick
 Von dieser Reise gibt es kein Zurück

 Du willst es doch auch
Was hält dich noch auf?
Wer kann schon widersteh’n?
Wenn wir auf Sturmfahrt geh’n
 Mit Volldampf voran
Auf in den Untergang
Sag nicht auf Wiederseh’n
Lass uns auf Sturmfahrt geh’n […]
(Auszug aus dem Titelstück „Sturmfahrt“)

Mit „Willkommen im Nichts“ begrüßen Eisbrecher ihr Publikum und „Das Gesetz“ ist an diesem Abend ganz klar Sänger Alexx. Zu Beginn des Programm gibt es drei offizielle Band-Posen für alle anwesenden (Hobby-)PhotographInnen, mit anschließender Aufforderung an die Smartphone-Generation, diese „Automat“en doch bitte weg zupacken. Der Stimmung im Auditorium tut dies keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Es ist sehr zum Vorteil einer Band, wenn am Mikrophon nicht nur ein Bandleader und Sänger steht, sondern er ebenso ein Meister der (un)gekonnten Überleitungen bzw. Beantwortung der Zwischenrufe ist. Manchmal wird es allerdings etwas bizarr, wenn in der sächsischen Landeshauptstadt ein bekennender Bayer die zumeist Einheimischen darüber aufklären will, daß Sangría nicht Sangiehja, sondern San Grii A ausgesprochen wird – nu ja egal, „Fehler machen Leute“.

Eisbrecher (Foto: Janina Lindner bs! 2017)

Nach dem Ideal-Cover „Eisbär“ läuft Alexx auf der Bühne total „Amok“ und seine Kollegen trommeln dazu auf Blechtonnen den passenden Rhythmus. Das klingt nicht nur geil, sondern sieht zudem auch richtig gut aus. „So oder so“, bis hier her schon ein tolles Konzert, „Himmel, Arsch und Zwirn“ es geht ja noch weiter. Die von der Band gestellt Frage „Wo geht der Teufel hin“ beantwortet sie gleich mit den anschließenden Stücken…in die „Eiszeit“, natürlich mit „1000 Narben“. Sollte sich im Publikum jetzt doch die Eine oder der Andere befinden, die noch nichts zuvor von Eisbrecher gehört bzw. der sich zufällig auf das Konzert verirrt hat, dann könnte evtl. der Gedanke aufkommen „Was ist hier los?“. Darauf hat die Band und das lauthals mitsingende Publikum nur eine Antwort: „This is deutsch“!

Eisbrecher (Foto: Janina Lindner bs! 2017)

Nachdem es im Hauptprogramm samt finalen Kunstschneeregen schon richtig abging, wird es im Zugabenteil völlig „Verrückt“. Bei der sogenannten Battle „Drums vs. Maschine“ holt Achim alles aus dem Schlagzeug raus was Man-Power & Sticks hergeben, während Jochen aka „Noel Pix“ wild auf die Tasten seiner Maschine einhaut. Ergebnis: klassisches 2:1, Drums wins eben immer. Darauf kann eigentlich nur noch der alte Megaherz– bzw. wiederentdeckte Eisbrecher-Klassiker „Miststück“ folgen. Ganz großes Kino. Die Band hatte richtig Bock auf dieses Konzert in Dresden, das Publikum verlässt absolut begeistert den Konzertsaal und der lokale Konzertveranstalter „Aust-Konzerte“ wird darüber froh sein, daß es die Band doch nicht ganz geschafft und das Dach im Alten Schlachthof noch steht. Eine klassische Win-Win-Win-Situation, schließlich sitzen wir ja alle „In einem Boot“. Eisbrecher bedanken sich bei ihren Fans für das zahlreiche Erscheinen, bei ihrer Crew für die tatkräftige Unterstützung, bei Unzucht fürs Warmmachen und haben wieder Fahrt für ihre nächste Ziele aufgenommen, allerdings nicht ohne vorher alle Anwesenden dazu herzlichst einzuladen (Arschlöcher ausgenommen, O-Ton Alexx). In diesem Sinne…

[…] Volle Kraft voraus
Die Zeit zerbricht
Volle Kraft voraus
Im letzten Licht

Durch jede Mauer die uns trennt
Solang noch Feuer in uns brennt
Volle Kraft voraus

Die Ferne ruft, hörst du sie flehen?
Ich kann nicht länger widerstehen
Ich steig in den Maschinenraum
Noch brennt ein Licht, noch lebt der Traum
Hauch mir noch einmal Leben ein
Volle Kraft voraus
Die Zeit zerbricht
Volle Kraft voraus
Im letzten Licht[…]“
(Auszug aus dem Stück „Volle Kraft voraus“)

Fotos aus Leipzig (by Janina Lindner bs! 2017):

Eisbrecher (Foto: Janina Lindner bs! 2017)

Setlist-Eisbrecher:

  1. Intro
  2. Sturmfahrt
  3. Willkommen im Nichts
  4. Das Gesetz
  5. Automat
  6. Fehler machen Leute
  7. Eisbär (Ideal Cover)
  8. Amok
  9. So oder so
  10. Die Engel
  11. Prototyp
  12. Himmel, Arsch und Zwirn
  13. Wo geht der Teufel hin
  14. Eiszeit
  15. 1000 Narben
  16. Was ist hier los?
  17. This Is Deutsch
    Encore
  18. Verrückt
  19. Drums vs. Machine
  20. Miststück (Megaherz Cover)
  21. In einem Boot

Setlist-Unzucht:

  1. Der dunkle See
  2. Widerstand
  3. Lava
  4. Unzucht
  5. Deine Zeit läuft ab
  6. Neuntöter
  7. Nur die Ewigkeit
  8. Ein Wort fliegt wie ein Stein
  9. Engel der Vernichtung

Weiterhören:
Eisbrecher
– „Sturmfahrt“; „Schock“; „Die Hölle muss warten“; „Eiszeit“; „Sünde“; „Antikörper“ & „Eisbrecher“

Unzucht – „Neuntöter“; „Venus Luzifer“; „Rosenkreuzer“ & „Todsünde 8“

Links:
http://www.eis-brecher.com/
http://www.unzucht-music.com/
http://www.aust-konzerte.com/

Tobias Richter
Tobias Richterhttps://www.facebook.com/mischband/
Jeder sollte einen Tobi haben. Keiner von uns hat ihn je gesehen, der Typ ist einfach zu groß und artig, der schmeißt aufgeblasene orange Dinger in Einkaufsnetze und - wie man so hört - muss sich der Ü190 Hüne dafür bücken. Eat Sleep Ball Repeat. Ansonsten ist ein Tobi einer, der Kassetten professionell aufwickeln kann, "der immer Ärger macht, der Streiche spielende Anstifter, der, der süchtig nach Furcht ist, ein Sinnbild für Gefahr." Jeder sollte einen Tobi haben. Und eine B-Seite.

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