Review: Editors – Völliger Kontrollverlust (24.03.2018, Münster)

Endlich! Die Editors sind nach der Veröffentlichung ihres sechsten Studioalbums „Violence“ wieder auf nahezu ausverkaufter Tournee. In Münster war die Anfrage so groß, dass die Veranstaltung frühzeitig vom ursprünglich geplanten Jovel in die gegenüberliegende Halle Münsterland verlegt wurde. Im Vorfeld gab es einiges Bedauern unter den Ticketbesitzern, schließlich wäre das Jovel viel intimer gewesen. Der neue Veranstaltungsort bietet jedoch auch einige Vorteile. Die Editors hatten so die Möglichkeit, ihren gesamten Bühnenaufbau unterbringen zu können.

Beim Betreten der Halle fällt außerdem die aus Holzwaben bestehende Decke mit ihren  unzähligen Kronleuchtern ins Auge, die dem ganzen Saal trotz der Größe eine wohlige Atmosphäre verschaffen.

Und dann wäre da auch noch der Klang.

Public Service Broadcasting (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Als die in Deutschland eher unbekannte Vorband Public Service Broadcasting mit einiger Verspätung ihren Auftritt beginnt, wird schnell klar, was für eine ausgezeichnete Wahl der Locationwechsel war. Der Sound ist fantastisch, was besonders bei dieser Art der Musik wünschenswert ist. Public Service Broadcasting ist ein Londoner Trio, welches mit einem Mix aus Alternative, Kraut-/ Postrock (und irgendwie auch Funk) sowie einer Menge Charme, das Publikum um den kleinen Finger wickelt. Untermalt werden ihre Stücke von Nachrichtenschnipseln und kleinen Filmchen, welche hinter ihnen auf einer verhältnismäßig kleinen Leinwand gezeigt werden. Gesang gibt es keinen. Doch auch ohne sich an denkwürdige Melodien und Texte zu klammern lässt sich das Publikum, bis auf wenige quasselnde Ausnahmen, in die atmosphärische Klangwelt der adretten Briten entführen.

Public Service Broadcasting (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Gerne hätten Public Service Broadcasting noch länger spielen dürfen, aber das Publikum wartet natürlich auf den wohl beliebtesten britischen Exportschlager.

Nachdem „Violence“ erst vor wenigen Wochen erschien, sind die Fans natürlich gespannt, wie sich die überwiegend elektronischen Songs in die Live-Show der Band einfügen. Die Umbaupause zieht sich in die Länge wie zäher Kaugummi. Die Halle ist mittlerweile komplett gefüllt, sich zu bewegen wird schwer. Als nach etwa 40 Minuten der große Vorhang fällt und die gigantische Bühnendeko der Editors frei gibt, macht die Enge plötzlich nichts  mehr aus.

Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)
Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Die Band beginnt den Abend brachial mit „Hallelujah (So Low)“ – der jüngsten Single des neuen Albums. Der Sound ist gewaltig. Die neuen Songs funktionieren, vor allem „Violence“ kann an dieser Stelle überzeugen, hart, druckvoll und kompromisslos wird den ZuhörerInnen der neue elektronische Sound der Editors um die Ohren gehauen. Die Gäste nehmen dies gut an würde mensch meinen.  Als mit Song sieben jedoch der Liederblock der Alben I-III beginnt, passiert noch einmal etwas im Publikum. Der Jubel wird lauter, die Menge wilder – und genau das wirkt irgendwie falsch. Nachdem die ersten Songs der Alben IV-VI bombastisch, ausgereift und abwechslungsreich daher kamen, wirken die alten Indie-(trotz alledem fantastischen) Gitarrennummern fast schon zu simpel und passen irgendwie nicht mehr so richtig in den Konzertverlauf. Nichts desto trotz sind Hits wie „Lights“, „Munich“ und „An End Has a Start“ genau das, was das Publikum verlangt. Pflichtbewusst und charmant wie eh und je singt sich Smith durch die Nummern seiner Anfangszeit bevor mit dem kargen „In this Light and on this Evening“ ein erneuter Bruch erfolgt.

I swear to god
I heard the earth inhale
Moments before
It spat its rain down on me
I swear to god
In this light and on this evening
London’s become
The most beautiful thing I’ve seen

Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Es folgen wieder aktuellere Stücke, die der Band mehr Spaß zu bereiten scheinen. Wenn sich Tom Smith nicht an eine Gitarre oder sein Klavier klammert, wirbelt er ekstatisch über die Bühne und tanzt neben seinem eigenen anscheinend auch die Namen aller BesucherInnen. Anders kann man den völligen Kontrollverlust, den Smith über all seine Gliedmaßen erleidet, kaum beschreiben. Es macht Spaß ihm dabei zuzusehen, sodass die weitestgehend fehlende Interaktion mit dem Publikum kaum ins Gewicht fällt. Die Editors haben sich während der vergangenen Jahre von der kleinen Indie-Rockband zu einer großen Showband entwickelt, was Stücke wie „Belong“ oder „Sugar“ beweisen.

Persönlich wird es erst bei der ersten Zugabe. Nach einem kurzen technischen Hin und Her spielt Smith „No Sound but the Wind“ allein, mit einer Akustikgitarre statt am Klavier und verzaubert so alle Anwesenden. Und danach wird getanzt. Mit „Cold“ und „Magazine“ bereiten die Editors die Menge auf das Große Finale vor. „Papillon“ wird gefeiert wie eh und je.

It kicks like a sleep twitch!

Und das war längst nicht alles. Der neue Abschlusssong ist seit „In Dream“ das großartig pompöse „Marching Orders“, welches dem Publikum noch einmal alles abverlangt, bevor die Band sich mit höflichen Verbeugungen von der Bühne verabschiedet.

Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2018):

Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Setlist Editors:

  1. Hallelujah (So Low)
  2. A Ton of Love
  3. Darkness at the Door
  4. Formaldehyde
  5. Violence
  6. No Harm
  7. Lights
  8. Blood
  9. Munich
  10. An End Has a Start
  11. In This Light and on This Evening
  12. Eat Raw Meat = Blood Drool
  13. Nothingness
  14. Belong
  15. Sugar
  16. The Racing Rats
  17. Ocean of Night
    Encore
  18. No Sound but the Wind
  19. Cold
  20. Magazine
  21. Papillon
  22. Marching Orders

Links:
www.editorsofficial.com
www.publicservicebroadcasting.net

Veranstalter:
Konzertbüro Schoneberg

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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