Review: Die unermüdlichen Editors endlich wieder in Bremen (16.11.2018, Bremen)

Die Editors sind unermüdlich. Direkt nach Release des fulminanten „Violence“ Anfang des Jahres tourte die Band bereits durch immer größer werdende Hallen quer durch Europa und ließ es sich im Anschluss nicht nehmen, auch noch den renommiertesten Sommerfestivals einen Besuch abzustatten. Nach diesem Ritt hätte sich jede Band eine Pause verdient, aber die Editors kündigten bereits im späten Sommer zahlreiche weitere Daten für Deutschland und Europa an. So gab es seit langem auch wieder einen Termin für Bremen.

VÖK (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)
VÖK (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Im bremischen Pier2 dürfen an diesem Abend die IsländerInnen von Vök den Support übernehmen. Die Band hat im April 2017 nach zwei EPs ihr Debütalbum „Figure“ veröffentlicht. Vök werden vom Publikum aufmerksam belauscht, doch so richtig warm wird es im recht vollen, aber nicht ausverkauften, Pier2 nicht.
Dies hängt nicht mit der Qualität der Musik zusammen, sondern an der Art. Vök schreiben Songs, deren isländische Herkunft unverkennbar ist. Träumerischer Pop, der die HörerInnen im positiven Sinne einlullt, statt sie so richtig in Schwung zu bringen. Gerade, als mensch beginnt, sich komplett auf den sphärischen Sound von Vök einzulassen, ist der Zauber schon wieder vorbei und die Band um Sängerin Margrét Rán Magnúsdóttir verlässt nach knappen 30 Minuten die Bühne.

Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Weitere 30 Minuten später starten bereits die Editors mit ihrem Set und plötzlich ist alles anders. Wer die Gruppe in den letzten Jahren live gesehen hat, weiß, dass der Abend immer mit einem schweren Stück wie „Hallelujah (So Low)“ oder einem ähnlichen Kaliber der jeweils aktuellen Platte begonnen hat. Nicht heute. Nicht in Bremen.

The boxer isn’t finished
He’s not ready to die

Das vertraute, aber dennoch seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr live gespielte Intro von „The Boxer“ ertönt, während die Musiker um den charismatischen Tom Smith die Bühne betreten.

Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Wenn eine Band es schafft, sechs Alben abzuliefern, von welchen es jeder einzelne Song verdienen würde, immer wieder live gespielt zu werden, kann die Setlist schnell zu einer kniffligen Angelegenheit werden. Das Publikum soll natürlich in erster Linie die neuen Stücke kennen lernen, aber trotzdem verlangt es oft nach dem, was es schon länger kennt und liebt.

Ein Phänomen, dass sich bei den Editors in der Vergangenheit gut beobachten ließ. Die neuen Stücke wurden immer pompöser, elektronischer, anders und entpuppten sich vor allem live als gewaltige Meisterwerke, dennoch kam das Publikum erst dann in Fahrt, wenn es das vertraute „An End has a Start“ oder „Munich“ serviert bekommen hat.

 

 

If something has to change then it always does

Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)
Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Natürlich fehlen diese zwei Songs am Abend in Bremen nicht und auch neue Songs wie „Violence“ und „Magazine“ wurden nicht aus dem Set geworfen, aber zusätzlich hat die Band es geschafft, Platz für Unerwartetes zu schaffen. So wurden unter anderem zahlreiche Stücke ihres Debütalbums „The Back Room“ entstaubt und ordentlich aufpoliert. Die Nummers „Open your Arms“, „Bullets“ und „Someone Says“ werden freudig vom Publikum angenommen, welches ähnlich wie die Band, in Höchstform zu sein scheint. Trotz des streckenweisen nur mäßigen Sounds könnte die Stimmung kaum besser sein.

Tom Smith tänzelt energetisch und faszinierend wie eh und je über die Bühne und zieht die BesucherInnen mit seinem unverkennbaren Bariton in seinen Bann. Bis auf ein schüchternes „Dankeschön“ hier und da, fällt die Interaktion mit dem Publikum nur spärlich aus und doch ist eine Verbindung da. Auf Balladen oder akustische Nummern wird an diesem Abend gänzlich verzichtet. Auch das ist neu. Keine Pause für die Editors bedeutet wohl auch keine Pause für’s Publikum.

 

Darling, just don’t put down your guns yet,
If there really was a God here,
He’d have raised a hand by now.

Nach dem ikonischen „Papillon“ und „Magazine“, Songs die man normalerweise erst im Zugabenblock findet, darf man doch kurz durchatmen. Zumindest als Musiker. Das Publikum jubelt sich in der kurzen Unterbrechung die Seele aus dem Leib, um die Briten zurück auf die Bühne zu locken, was glücklicherweise funktioniert.

Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)
Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Der Zugabenblock beinhaltet neben der aktuellen Single „Cold“ weitere Klassiker und verzichtet an dieser Stelle auf das gewohnte „Marching Orders“. Auch hier ist alle neu – „The Racing Rats“, das totgespielte „Munich“ und das großartige „Smokers Outside the Hospital Doors“ beenden den Abend.

Allen Gästen wird man es mit einer Setlist nie recht machen können, doch der Versuch im Pier2 an diesem Abend grenzt nah an Perfektion – und wer weiß, vielleicht werden wir in Zukunft auch wieder zu Raritäten wie „Bones“, „Bricks and Mortar“ oder „Fingers in the Factories“ an Tom Smiths Lippen hängen dürfen.

 

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2018):

Setlist Editors:

  1. The Boxer

    Editors (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)
  2. Sugar
  3. Hallelujah (So Low)
  4. All Sparks
  5. An End Has An Start
  6. Someone Says
  7. Darkness At The Door
  8. Open Your Arms
  9. Violence
  10. No Harm
  11. Bullets
  12. A Ton Of Love
  13. Formaldehyde
  14. Nothingness
  15. Ocean Of Night
  16. Blood
  17. Papillon
  18. Magazine
    Encore
  19. Cold
  20. The Racing Rats
  21. Munich
  22. Smokers Outside the Hospital Doors

Links:
www.vok.is
www.editors-official.com

Veranstalter:
Konzertbüro Schoneberg GmbH

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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