Wenn man ein Konzert plant und schließlich auch veranstaltet, sind verschiedenste Dinge zu beachten. Wer, wo, wann ist hierbei noch das Einfachste, weil vorgegeben. Schwieriger wird eher die Frage wieviel. Wieviel Leute kommen? Wieviel Ordner stehen am Einlass? Wieviel Ordner braucht man insgesamt? Wieviel Frauen an den Garderoben? Und vor allen Dingen, ganz wichtig, wieviel Menschen stehen hinter den diversen Theken? Und die alllerallerwichtigste Frage an diesem Abend ist, wieviel Bier sollte an diesem Abend vorrätig sein? Mal überlegen. Mit 5000 Fans ist die Swiss Life Hall an diesem Abend restlos ausverkauft. Wenn jeder der Anwesenden zwei Bier trinkt macht das
1 Liter x 5000 = 5000 Liter. Nicht schlecht. Aber zu wenig. An diesem Abend sind die Dropkick Murphys zu Gast in Hannover, da sollte man das ein oder andere Literchen mehr vorrätig haben. Vielleicht so 7000, 8000 Liter. Bei den Murphys braucht man halt mehr.
Mehr, mehr, Mehrphys
Selbstverständlich haben die Dropkick Murphys an diesem Abend auch Vor-Bands dabei, die die Stimmung langsam, aber sicher hoch fahren sollen. Und beide Supports haben einen Bezug zu Boston. Guter Grund, um auf Tour mitgenommen zu werden. Der eine kommt von hier, der andere veranstaltet dort ein Festival. Passt. Kann losgehen.
Jesse Ahern ist aus Boston und Singer/Songwriter. Veni, vidi, vici? Er kam, sah, siegte? Nicht so ganz. Er kommt auf die Bühne, singt seine Lieder und geht wieder. Wie spannend. Nur mit Gitarre und Mundharmonika spielt er sein Set durch. Kommunikation mit dem Publikum? Nein. Nicht wirklich. Aber er hat tatsächlich Langspielplatten dabei, die er im Publikum verteilt. Danke dafür.
Der zweite Künstler des Abend ist auch Singer/Songwriter. Aber vom Typ her ganz anders drauf. Er leitet jedes Stück mit einem kleinen Schnack ein, erzählt Anekdoten, ist witzig und macht Beginn von Action. Und tatsächlich hat Frank Turner 2019 in Boston das 4-tägige „Lost Evenings„-Festival veranstaltet, wobei jeder Abend durch ihn allein oder mit seiner festen Begleitband The Sleeping Souls abgeschlossen wird. In 2020 wird es übrigens zum ersten Mal in Deutschland, im Berliner Astra Kulturhaus und anliegendem Gelände stattfinden.
Turner plus Band spielen eine Mischung aus Folk und Punk und sogleich kommt Bewegung in die Menge. Na endlich, jetzt geht was. Frankie Boy und seine Jungs machen genau das was erwartet wird. Ständige Bewegung auf der Bühne, Hüpfen, Springen und auch mal Reinspringen in die Menge, auf Händen tragen, die Fans für Moshpits organisieren und den Chorleiter machen. Eine kleine „Macke“ hat der Engländer auch, er zählt seine Konzerte. Dieses ist Nummer 2456, und mit Sicherheit nicht sein letztes. Das war mehr als „nur“ eine Vorband. Die Stimmung steigt, genau wie der Pegel. Schnell noch ein Bier ordern.
Dann geht´s los: Let´s go Murphys, let´s go.
Traditionell ertönt erst die Melodie von „The Fogging Dew“, das alte irische Tradional, das sich im Text mit dem Oster-Aufstand der Iren gegen England 1916 in Dublin befasst. Ja und dann, dann gibts kein Halten mehr. Die Murphys treten sowas von aufs Gas, volle Drehzahl.
I wanna be a rebel
I can’t get enough
I wanna be a rebel
I wanna smash shit up
„The Lonesome Boatman“ und gleich danach der Oberkracher, der Sowasvonnachvorne-Abgeher „The Boys Are Back“. Doppelspitzen sind ja nicht nur in der Politik im Moment schwer angesagt. Die Dropkick Murphys haben auch eine. Al Barr und Ken Case (auch am Bass) teilen sich den Gesang. Am Anfang des Gigs sind sie ständig vorn an der Absperrung bei den Fans zum Abklatschen und Mitgrölen. Mal einer allein, mal beide zusammen. Das macht Bock. Die Murphys wissen wie man Stimmung aufbaut.
Nach Volldampfnummern wie „The Bonny“ oder „Smash Shit up“ mal etwas runterfahren, eine ruhige Schunkelnummer wie „You’ll Never Walk Alone“ einbauen, um dann wieder durchzustarten. Banjo, Mandoline, Tin Whistle, Akkordeon und Dudelsack gepaart mit galoppierendem Schlagzeug und knackigen Gitarren bilden das Soundgerüst. Ehrlich und irisch. So verläuft der Abend, Lied , Lied Ende, Licht aus, nächstes Lied, Licht aus und so weiter. Es fehlt was, das Bindemittel. Für einen guten Kuchen braucht man als Bindemittel Stärke und Eigelb. Das Gelbe vom Ei fehlt an diesem Abend leider. Die Murphys machen an diesem Abend eher den Ahern, als den Turner. Das „Bindemittel“ Kommunikation fehlt. Die Lieder jedes für sich gesehen und gehört, top. Wenn sie jetzt auch noch öfter mal mit dem Publikum Turner-mäßig agieren würden, wäre dieser gute Abend ein magischer geworden. An zu wenig Alkohol hat es auf jeden Fall nicht gelegen.
Galerien (by Michael Lange bs! 2020):
- Dropkick Murphys (12.02.2020, Hannover) [40]
- Frank Turner And The Sleeping Souls (12.02.2020, Hannover) [24]
- Jesse Ahern (12.02.2020, Hannover) [12]
Setlist Jesse Ahern:
- A Letter Home
- On Our Own
- Out of Our Mind
- Detox
- Bankrobber (The Clash cover)
- Time Will Tell
- Highway of Life
Setlist Frank Turner:
- Get Better
- 1933
- The Lioness
- Try This at Home
- If Ever I Stray
- Photosynthesis
- Polaroid Picture
- Long Live the Queen
- Jinny Bingham´s Ghost
- Eulogy (German version)
- The Next Storm
- The Road
- Out of Breath
- Recovery
- I Still Believe
- Four Simple Words
Setlist Dropkick Murphys:
- Intro: The Foggy Dew
- The Lonesome Boatman
- The Boys Are Back
- Famous for Nothing
- Blood
- The State of Massachusetts
- The Bonny (Gerry Cinnamon cover)
- The Walking Dead
- The Auld Triangle (Brendan Behan cover)
- The Battle Rages On
- The Black Velvet Band ([traditional] cover
- Your Spirit’s Alive
- First Class Loser
- Smash Shit Up
- Cruel
- The Warrior’s Code
- You’ll Never Walk Alone (Rodgers & Hammerstein cover)
- Prisoner’s Song
- I Fought the Law (The Crickets cover)
- Jimmy Collins‘ Wake
- Johnny, I Hardly Knew Ya
- Out of Our Heads
- Worker’s Song
- Rose Tattoo
Encore: - Going Out in Style
- Until the Next Time
- I’m Shipping Up to Boston
Outro: My Way
Links:
www.jesseahern.com
www.frank-turner.com
www.dropkickmurphys.com