…….der „Grand Cru“ unter den Rockbands, kein Vino Tinto für jeden Tag, nein eher eine Rockband für einen besonderen Anlass. Jeder Schluck, sorry, jedes Stück eine Geschmacksexplosion. Diese Band erfordert die volle Konzentration. Abwechslungsreicher kann Rockmusik nicht sein…der Unterschied zwischen E- und U-Musik im üblichen Sinne greif hier vollständig daneben….
Das ist die Aussage eines erfahrenen Konzertgängers, der (aber Achtung!!) das erste Mal bei einem Konzert der Progressive-Metal-Band Dream Theater zugegen ist. Was veranlasst jemanden zu so einer Äußerung? Und was ist eigentlich Progressive Metal? Progressive Metal ist komplex im Aufbau, viele Breaks und Tempiwechsel, komplexe Rhythmik, virtuose Musiker mit zu Überlängen neigenden Stücken. Wenn die Jungs erstmal loslegen, dauert es mindestens sechs Minuten für ein Stück. Das kann langweilig sein, weil die Gefahr besteht, gedanklich weg zu driften. Aber Dream Theater (warum heißen die eigentlich nicht Theatre?) sind an diesem Abend, in der leider nur zu ein Viertel (1100 Fans) gefüllten Swiss Life Hall, so spielfreudig und abwechslungsreich wie eh und je.
Am Ende des Abends haben die US-Progrocker gut 150 Minuten allerfeinste Unterhaltung abgeliefert. Das nennt man dann wohl kurzweilig und langatmig. Ist ja auch besser als umgekehrt.
You feel I’m asking too much of you but can’t let go
Fear breeds the hate and your apathy, empty and hollow
You lost your faith, there’s no getting through
Why shut me out?
Frantic, disturbed, filled with misery, can’t figure it out
Der Abend gliedert sich in zwei Akte auf. Im ersten Akt werden überwiegend Stücke aus dem 2019er-Album „Distance Over Time““ gespielt. Mit diesem Alben gehen die New Yorker back to the roots. Nicht ganz so viel Gespiele und Gegniedel wie sonst. Nur 10 Songs und eine Gesamtspielzeit von 60 Minuten. Das ist ja mehr eine Single als ein Album für DT-Verhältnisse. Die Macht der Melodien macht das Album allerdings zu einem Must-Have.
Sänger James LaBrie macht am Anfang einen etwas angeschlagenen Eindruck. Vielleicht ist er ja erkältet. Im späteren Verlauf des Gigs steigert er sich auf jeden Fall. Das müssen seine Mitstreiter John Petrucci (Gitarre), John Myung (E-Bass, Chapman Stick), Jordan Rudess am Keyboard und Mike Mangini am Schlagzeug nicht. Sie sind gleich mindestens 87 Prozent und steigern sich dann hoch auf gefühlte 107 %. Jeder weiß hier, was er zu tun hat. Doppel-M am Schlagzeug hat ein Monster-Teil zu bearbeiten. Auch über Kopf und im 180 Grad-Radius steht sein Spielgerät. Sehr beeindruckend. Im Hintergrund laufen Filme mit Landschaften von der Erde, dem Weltraum, von Menschen, von Krieg und Gewalt und, und, und …Die Musik ist genau abgestimmt auf die Filme. Film zu Ende, Song zu Ende. Perfekt. Das man sich sich noch im ersten Akt befindet, erkennt mensch auch am Mikrofonständer. Passend zum aktuellen Album-Cover ist da ein Totenkopf. Nach sechs Songs innerhalb von 60 Minuten ist Pause und Achtung!! Mikrofonständerwechsel.
Neues Mikro, neuer Akt. Jetzt geht es 20 Jahre zurück zu ihrem 1999er Konzept- und Erfolgsalbum „Metropolis Pt. 2: Scenes From a Memory“. Das wird komplett durchgespielt mit einer Acht am Ende des Mikroständers. Eine Acht? Es könnte auch das Unendlichzeichen sein, für unendliche lange Stücke? Die Story dreht sich um einen gewissen Nicholas, der von verwirrenden Träumen über ein anderes Leben heimgesucht wird. Es stellt sich heraus, dass er die Reinkarnation eines Mädchens Namens Victoria ist, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelebt hat und nach einiger Verwirrung ermordet wurde. Ja ne ist klar. Der Gig nimmt jetzt deutlich mehr Fahrt und Stimmung auf. Der Sound ist genau richtig. Nicht zu leise und mit dm richtigen Drive. Des öfteren geht LaBrie mal von der Bühne. Tee trinken? Eine rauchen? Oder doch ein Whisky? Vielleicht. Aber was soll er auch auf der Bühne (doof) rumstehen, wenn die Kollegen sich einen Wolf spielen. Rechtzeitig zu seinen Einsätzen ist er wieder da.
Der weintrinkende Rock´n´Roller zur Linken ist begeistert. Und was ist rechts? Da steht ein lang- und grauhaariger Alt-Rocker und fängt an zu Weinen. Überwältigt von der Musik? Von Erinnerungen? Von einem Ereignis? Egal, Hauptsache echte, tiefe Gefühle. Nach dem Erfolgsalbum kommt was? Na logisch, der Mikro-Ständer wird nochmal auf den Totenkopf umgeswitcht. Dann kommt als Zugabe noch „At Wit’s End“ und dann ist End. Der Weinende und der Weinkenner dürften einer Meinung sein. Das war Grand Cru.
Galerien (by Michael Lange bs! 2020):
Atlas (Instrumental Alt) (Nick Phoenix & Thomas J. Bergersen song)
Act 1:
- Untethered Angel
- A Nightmare to Remember
- Paralyzed
- Barstool Warrior
- In the Presence of Enemies, Part I
- Pale Blue Dot
Act 2 (Metropolis, Part 2: Scenes From a Memory): - Act I: Scene One: Regression
- Act I: Scene Two: I. Overture 1928
- Act I: Scene Two: II. Strange Déjà Vu
- Act I: Scene Three: I. Through My Words
- Act I: Scene Three: II. Fatal Tragedy
- Act I: Scene Four: Beyond This Life
- Act I: Scene Five: Through Her Eyes
- Act II: Scene Six: Home
- Act II: Scene Seven: I. The Dance of Eternity
- Act II: Scene Seven: II. One Last Time
- Act II: Scene Eight: The Spirit Carries On
- Act II: Scene Nine: Finally Free
Encore: - At Wit’s End
Links:
www.dreamtheater.net