Bei Haudrauf-Konzerten, also Konzerten, wo die Lautstärke hochgedreht wird, die Bässe wummern, die Gitarren knarzen, das Schlagzeug schlichtweg galloppierend losballert, ist es von Vorteil, wenn die Location die richtigen Ausmaße hat. Man stelle sich nur vor, dass ein relativ kleines Venue auch noch niedrige Decken hat. Das wäre die Hölle. Die sich aufbauende Soundwelle schwappt über einen weg, hüllt den Menschen ein und lässt ihn nur beim Wechsel zum nächsten Song kurz los, um ihn dann wieder zu okkupieren. Es soll ja Menschen geben, die das mögen, für andere ist es eher fahrlässige Körperverletzung. Aber die Fans sind ja freiwillig an diesem Ort. Aber so der ein oder die andere werden dann denken…
Hoffentlich können die Ton
Konzert-Venue ist das Café Glocksee. Eine gute Wahl für diesen internationalen Triple-Band-Abend, ganz im Zeichen des Metal. Die Decken hier sind ausreichend hoch, die Bühne erhöht. Das passt schon mal. Um 19:25 Uhr soll es losgehen, und siehe da, es geht auch los. Auf die Minute. Die Mitglieder von Fragment Soul kommen aus Griechenland und Kanada und sind im Dark Progressive Doom Metal angesiedelt. Doom ist ein Subgenre des Heavy Metal mit typischerweise langsameren Tempi, tief gestimmten Gitarren und einem schwereren Sound. Und was macht Fragment Soul? Genau dieses.
Der Pressetext der Band spricht von einer „einzigartigen Mischung aus atmosphärischen Klanglandschaften und kraftvollen Melodien“. Das könnte ja alles Mögliche sein, aber die Band hält Wort und liefert ab. Wer jetzt ein Soundgewitter mit Losgeballer erwartet, wird enttäuscht, aber dann doch positiv überrascht. Hier wird nicht drauf los geschruppt, sondern Kunst gemacht. Der erste, sowie auch alle folgenden Songs sind ruhig, eher so Zuhörgeschichten.
Das Besondere: es gibt zwei Sänger; Er, Mark Durkee, ist der Shouter; Sie, Tamara Filipovic die klare, eher helle Stimme. Ob “Eternal Night in Death” oder auch “This Empty Dream” vom neuen Album “Galois Paradox” gespielt werden, ist nicht erkennbar, aber wahrscheinlich. Genauso wie die Tatsache, dass mensch diese Band wieder sehen wird. Qualität setzt sich halt durch. Apropos Qualität. Die Glocke kann Ton. Der Sound im Café Glocksee ist perfekt abgestimmt, durchgehend bei allen auftretenden Bands.
O Death, come near me
Be the one for me
Be the one, the one who stays
My rivers are frozen and mischosen
And the shadows around me sickens my heart
Der Name der zweiten Band heißt frei übersetzt “In die Unsichtbarkeit genagelt”. Hört sich irgendwie nicht so erotisch an, da klingt “Nailed To Obscurity” doch viel besser. Auch sie können Doom, aber das geht dann in Richtung Melodic-Death-Doom-Metal. So weit, so klar. Klar sind auch die Einstellungsvoraussetzungen der Bandmitglieder. Ein Instrument halten und spielen können (überwiegend Gitarre oder Drums) ist ja irgenwie logisch.
Zweite Voraussetzung: nicht unter 60, eher 70, besser 80. Hierbei geht es nicht um das Alter oder den IQ. Ausschlaggebend ist die Haarlänge. Die Jungs aus Ostfriesland haben alle eine Matte bis zum Allerwertesten. Und die wird sehr gerne in Szene gesetzt. Zu “King Delusion” oder “ Deadening” geht perfekt Headbanging, auch im Publikum. Fehlt eigentlich nur eine Windmaschine auf der Bühne. Wegen der Effekte. Zum Schluss biegen die Ossis noch auf die Straße ins Verderben (“Road to Perdition”). Aber ungenießbar war dieser Auftritt auf keinen Fall, eher hairlich.
Und dann geht´s wieder auf Anfang, zumindest was das Konzept betrifft. Topact Draconian machen, wie überraschend, Doom, und das bereits seit 30 Jahren. Die Band aus Schweden spielt Gothic Metal/Death-Doom. Auch sie haben Sänger und Sängerin was für reichlich Abwechslung sorgt. Shouter Anders Jacobsen malträtiert seine Stimme bereits seit 1994, ist also Gründungsmitglied. Lisa Johansson hat eine tolle klare Stimme. Gegensätze ziehen sich an.
Bei Daconian geht es episch lang zu. Nur 12 Lieder in 90 Minuten bei wenigen und sehr kurzen Ansagen, da weiß der geneigte Fan, was er da auf die Ohren kriegt. Das sind Geschichten im Hymnenformat. Kraftvolle Growls treffen auf atmosphärischen Frauengesang. Die Schöne und das Biest liefern Gänsehautmomente en masse.
Der Song “Death, Come Near Me” ist der längste des Abends. Doom, wer den verpasst hat. Denn diese Band ist nicht so oft auf Tour. Es soll ja Menschen geben, die am nächsten Tag extra nach Hamburg fahren, um sich das alles noch mal zu geben. Aber ob die in Hamburg Ton können?
Galerien (by Torsten Volkmer bs! 2024):
- Draconian (02.11.2024, Hannover) [40]
- Nailed To Obscurity (02.11.2024, Hannover) [34]
- Fragment Soul (02.11.2024, Hannover) [33]
Setlist Nailed To Obscurity:
- King Delusion
- Clouded Frame
- Resonance
- The Aberrant Host
- Liquid Mourning
- Protean
- Deadening
- Road to Perdition
Setlist Draconian:
- The Cry of Silence
- Heavy Lies the Crown
- Deadlight
- Heaven Laid in Tears (Angels‘ Lament)
- Morphine Cloud
- Bloodflower
- Night Visitor
- Earthbound
- Daylight Misery
- Pale Tortured Blue
- Death, Come Near Me
- The Sethian
Links:
https://draconianofficial.com/
https://www.facebook.com/nailedtoobscurity/
https://fragmentsoul.com/