Start Events Konzertberichte Review: Die Sterne – Mach’s besser Dresden (13.02.2017, Dresden)

Review: Die Sterne – Mach’s besser Dresden (13.02.2017, Dresden)

Die Sterne (Foto: Alexander Jung bs! 2017)

Von allen Möglichkeiten der Zerstörung dieser Stadt zu gedenken, ist ein Besuch im Beatpol auf einem Die Sterne-Konzert an diesem besonderen Tag bzw. Abend mit die Interessanteste. Auch wenn die Hamburger sowieso gerade auf Ihrer „Mach’s Besser: 25 Jahre Die Sterne“-Tour sind, glaube ich bei dieser Band nicht unbedingt an einen Zufall, dass sie ausgerechnet an dem jährlichen Gedenktag in der Elbflorenz-Metropole haltmachen. Zumal – wie schon Tags zuvor in Leipzig – Egotronic als Vorgruppe spielen. Und wenn doch, dann ist das ein verdammt passender Zufall.

Egotronic (Foto: Alexander Jung bs! 2017)

Da wo Egotronic draufsteht, steckt auch mindestens Torsun dahinter, welcher erst eine Woche zuvor hier in Dresden mit seinem aktuellen Werk „Tagebuch Eines Fastenden“ eine Lesung gehalten hatte. Jedenfalls kurz nach neun Uhr kommt Torsun zusammen mit Kilian auf die Bühne. Im sehr minimalistischen Gewand, bestehend aus Mikrophon bzw. Sampler.

Wie schon auf der „Lo-Fi“-Tour Ende letzten Jahres – damals zusammen mit Der Tante Renate – spielen die beiden ein Best-of-Set. Die (meist) tanzbaren technoiden Tracks im C64-Sound haben immer eine Aussage mit Punk-Attitüde, mal gesellschaftskritisch, mal klar politisch kommen diese auch so beim Publikum an.

Egotronic (Foto: Alexander Jung bs! 2017)

Was allerdings ziemlich nervt – da bin ich unter den Anwesenden nicht alleine – ist das verallgemeinerte „Dresden-Bashing“ zwischen den Songs, welches man sich als in dieser Stadt Lebende/r eh schon eine ganze Weile (teils über die bekannten Medien) anhören muss. Ja es ist manchmal schon krass, was in den letzten beiden Jahren passiert ist, auch in dieser Stadt. Allerdings gibt es hier vor Ort ebenso genügend Leute, die für Toleranz und Weltoffenheit stehen, nur liegt es nicht jeder/m in der Natur, das lauthals kund zu tun bzw. fehlt einigen – vielleicht im Vergleich zu Torsun – die dafür entsprechende Bühne. Ein bisschen mehr Differenzierung in den Aussagen, gerade wenn man als besuchender Gast eher nur den Blick von außen auf die Stadt hat, wäre ganz wünschenswert.

Die Sterne (Foto: Alexander Jung bs! 2017)

Zum Schluß der Performance von Egotronic leiten sie mit der Coverversion „Scheiß Auf Deutsche Texte“ von Die Sterne gekonnt zum Hauptteil des Konzertabends über.
Nach kurzer Umbaupause kommen die verbliebenen drei Herren der ursprünglichen Bandbesetzung und die derzeitige Keyborderin Dyan Valdes von The Blood Arm im roten Kleid auf die Bühne. Christoph Leich nimmt samt dunklem Jackett hinter dem Schlagzeug Platz. Thomas Wenzel mit grauem Kurzarmshirt in gewohnter Bassisten-Pose, die man ebenso bei Auftritten seiner anderen Band Die Goldenen Zitronen beobachten kann bzw. konnte.

Frank Spilker ist als Frontmann, nicht nur wegen seiner Größe von knapp zwei Metern, eine Erscheinung. Da hilft am heutigen Abend auch sein cremfarbenes Hemd viel mit, ganz gleich wie dunkel es im Saal auch wird. Die Werkschau beginnt passender Weise mit „Scheiss Auf Deutsche Texte“, inklusive mindestens einem doppelten Boden, ein Moment, das sich bei den Die Sterne-Liedern in den vergangenen 25 Jahren wie ein roter Faden durchzieht.

Scheiss Auf Deutsche Texte

Die Sterne (Foto: Alexander Jung bs! 2017)

Sänger und Gitarrist Spilker bedankt sich gleich zu Beginn beim Publikum im Beatpol für’s Kommen und erklärt, dass er im Laufe des Konzertes auf Anekdoten zu den einzelnen Songs eher verzichten wird, sondern mehr auf die Bands eingehen möchte, die auf Ihrer vor wenigen Tagen veröffentlichten Jubiläums-Platte „Mach’s Besser: 25 Jahre Die Sterne“ einige Band-Klassiker gecovert bzw. neuinterpretiert haben. So zum Beispiel das nächste Lied, welches von den Fehlfarben auf der LP beigesteuert wurde: „Nach Fest Kommt Lose“.

Denn Von Allen Gedanken, Schätze Ich Doch Am Meisten Die Interessanten,

…ist nicht nur einer der bekanntesten Band-Hymnen vom gleichnamigen Album, welche vom Publikum sofort gefeiert wird. Dieser Chorus ist – wie ich finde – einer der Besten, welcher jemals in einem deutschsprachigen Lied getextet wurden ist. Bei „Ihr Wollt Mich Töten“ steht mit Dyan gleich ein Viertel der Band The Blood Arm hinter den Tasteninstrumenten, die den Song gecovert haben und singt ihn auch mit Frank zusammen. Derweil hat es sich Christoph hinter seinem Schlagzeug gemütlich eingerichtet, sein Jackett hängt mittlerweile an einem Mikroständer. Der Bass von Thomas pumpt richtig ordentlich, für „Depressionen Aus Der Hölle“ drehen sich auch wieder die Diskokugeln an der Decke bzw. links/rechts neben der Bühne und schaffen so das richtige Lichtambiente. Björn Beton von Fettes Brot hat diesen Track nicht nur für das Jubiläumsalbum neuinterpretiert, sondern zusätzlich noch ein sehr sehenswertes Video dazu ins Netz gestellt.

Auch wenn diese Randinformationen nicht für jede/n „wichtig“ sind, das Lied „Risikobiographie“ haben sich die Aeronauten als Cover vorgenommen und Peter Licht hat sich auf dem erwähnten Longplayer an einen absoluten Die Sterne-Klassiker rann gewagt – die Rede ist in diesem Fall von „Universal Tellerwäscher“.

Als nächstes werden von der Band und der anwesenden HörerInnenschar weitere Lieblingszeilen meinerseits angestimmt. Denn „Wahr Ist Was Wahr Ist, Daß Das Was War Nicht Mehr Da Ist“. Damit haben Die Sterne nun auf keinen Fall den Abend „Ruiniert“ – ganz im Gegenteil – und so fordere ich zusammen mit allen anderen im rappelvollen Beatpol die Hamburger auf, sofort für den Zugabenteil zurück auf die Bühne zu kommen.

Die Sterne (Foto: Alexander Jung bs! 2017)

Für den ersten Song des Bonusparts holen Die Sterne Egotronic mit dazu. Hat man den „Anfang Verpasst“, als sich die Band noch in ihrer Findungsphase befunden hat, bevor es mit dem dritten Album „Posen“ in Richtung kommerzieller Erfolg weiter ging, für diejenigen war das Lied „Sturm Über Der Hallig“ quasi auch ein neues Stück Musik. Welches nur auf der limitierten LP-Box bzw. als digitaler Download veröffentlicht wurde. Die Band lädt abermals das Dresdner Publikum ein, die zur Verfügung stehenden Tanzbeine zum Song „Convenience Shop“ zu schwingen.

Die Stimmung im Saal jedenfalls ist am Siedepunkt, also werden Die Sterne klatschenderweise zu einer weiteren Konzertverlängerung überredet. In dieser erfährt das Auditorium, dass man „Nüchtern“ betrachtet auch mal ganz schon die Nase voll, von dem vielen Trubel im berühmtesten Stadtteil von Hamburg, haben kann. „Wenn Dir St.Pauli Auf Den Geist Fällt“. Von Stereo Total für den aktuellen Longplayer gecovert, Naked Lunch haben „Bis Neun Bist Du O.K.“ neuinterpretiert, Die Sterne intonieren diesen Song heute Abend als allerletzten in einer A-Cappello-Version zusammen dem Publikum im Saal. Das war ein wunderschöner Abend und ganz großes Kino! Vielen Dank dafür!

„Wahr Ist Was Wahr Ist, Daß Das Was War Nicht Mehr Da Ist“

Die Sterne (Foto: Alexander Jung bs! 2017)

Nach den ersten 25 Jahren nun also auf zu den nächsten 25, denn volle Clubs und (nerdige) Fans, welche die Lieder schon nach den ersten Takten feiern, zeigen, dass ihre Werke noch immer Relevanz haben. Dies hat nicht nur der heutige Abend im Dresdner Beatpol wieder ein Mal bewiesen, in dem grob geschätzt knapp die Hälfte des Publikums um die 30 Jahre und jünger zu sein schient, also kaum älter als die Band Die Sterne, deren Gründungsjahr 1992 nun also doch schon so lang her ist. Somit könnte dies die Band zugleich auch als Auftrag verstehen, dem seichten musikalischen Einheitsbrei weitere Hymen und Pop-Perlen mit deutschen Texten entgegenzusetzten.

Als ich nach dem gut dreistündigen Konzert gegen viertel Eins (für HamburgerInne: 00:15 Uhr!) die Lokalität verlasse und meinen persönlichen Ohrwurm „Wahr Ist Was Wahr Ist, Daß Das Was War Nicht Mehr Da Ist“ so vor mich her summe, erblicke ich in der frostigen Februar-Nacht am Himmel (by the way, so heißt auch ein Bonustrack auf der Limited Edition der „24/7“-Platte) nicht nur den leicht abnehmenden Vollmond, sondern entdecke ebenso etliche Sterne.

Galerien (by Alexander Jung):

Setlist:

  1. Scheiß Auf Deutsche Texte
  2. Sonnenschirm
  3. Nach Fest Kommt Lose
  4. In Diesem Sinn
  5. Aber Andererseits:
  6. Mach Mich Vom Acker
  7. Die Interessanten
  8. Ihr Wollt Mich Töten
  9. Deine Pläne
  10. Depressionen Aus der Hölle
  11. Wichtig
  12. Stell Die Verbindung Her
  13. Risikobiographie
  14. Universal Tellerwäscher
  15. Wahr Ist Was Wahr Ist
  16. Ruiniert
  17. Zugabe
  18. Anfang Verpasst
  19. Sturm Über Der Hallig
  20. Convenience Shop
  21. Fickt Das System
  22. Widerschein
  23. Nüchtern
  24. Wenn Dir St.Pauli Auf Den Geist Fällt
  25. Bis Neun Bist Du O.K.

 

Egotronic (Foto: Alexander Jung bs! 2017)

Links:
www.diesterne.de
www.egotronic.net
www.beatpol.de
www.dq-agency.com

Weiterhören:

  • Die Sterne: „Mach’s Besser: 25 Jahre Die Sterne“; „Flucht In Die Flucht“; „24/7“; „Räuber Und Gedärm“; „I Can’t Relax In Deutschland“; „Das Weltall Ist Zu Wie“; „Irres Licht“; „Wo Ist Hier“; „Von Allen Gedanken Schätze Ich Doch Ma Meisten Die Interessanten“; „Posen“; „In Echt“ & „Wichtig“
  • Egotronic: „Die Natur Ist Dein Feind“; „Mach Keinen Lärm“; „Ausflug Mit Freunden“; „Egotronic“; „Lustprinzip“ & „Die Richtige Einstellung“

 

 

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