Lieber Boomer,
du musst nicht dem Supportact lauschen,
du musst nicht klatschen,
du musst auch nicht mit dem Fuß wippen,
du musst nicht gut finden, was der Mann mit der Gardine im Gesicht da singt,
und du musst auch keine Rücksicht auf die anderen Gäste nehmen.
Du musst gar nichts.
Aber, du könntest natürlich diesen Sterne Song nicht zu ernst nehmen und deine Gesprächslautstärke etwas reduzieren. Du könntest, wenn dich der Support nicht interessiert, unten in der Kneipe ein Bierchen trinken, oder einen Wein, oder ne Kippe schnorren. Oder du stellst dich vor die Tür und unterhältst dich mit deinen Freund*innen draußen und genießt die frische Abendluft – im ausverkauften Lagerhaus ist es ja doch recht warm. Das wüssten Einige mit Sicherheit zu schätzen, denn sie würden gern verstehen, was da vorne auf der Bühne passiert. Schließlich haben auch andere Geld für ihr Ticket bezahlt und möchten gern die gesamte, knusprige Experience genießen.
Klar, wenn auf dem Ticket „Die Sterne“ steht, dann hat man auch das Recht Die Sterne zu sehen, aber bei der Auswahl des Supports werden sie sich ja auch was gedacht haben, nämlich, dass das was sie selbst gut finden ihrem Publikum vermutlich auch gefällt. In diesem Falle Angela Aux. Der Musiker schleicht sich in seinem Cyber-Tarnkostüm klammheimlich und ohne Ansage auf die Bühne. Man könnte ja nun meinen, dass die Gäste vielleicht nicht mitbekommen haben, dass schon etwas passiert, aber spätestens beim zweiten Song sollte das doch wohl klar sein. Das Geschnatter aus den hinteren Reihen ist unerträglich und verdirbt eine Atmosphäre, die wirklich schön hätte sein können. Die Musik von Tobias Kreier alias Angela Aux ist in der Tat wert, gehört zu werden. Eine wunderbar warme Stimme, die manchmal zart vor sich hinnuschelt und dann auch wieder klare Worte findet, untermalt von einer Lagerfeuerakustikklampfe und bietet eigentlich keinen Grund zum nörgeln.
Und als dann, nach zart gepfiffenem Applaus von jenen, die doch wahrgenommen haben, was vorn passiert, endlich Die Sterne auf die Bühne kommen, wird es nur teilweise besser. Die vorderen 2/3 des Saals feiern „Hallo Euphoria“, lassen sich gehen zu alten Klassikern wie „Universal Tellerwäscher“, „Big in Berlin“ oder „Depressionen aus der Hölle“ und nehmen auch die neuen, teils doch sehr abgefahren Ideen eines noch immer sehr abgefahrenen Frank Spilkers glücklich hin. Vorn herrscht Disko ohne Diskokugel. (Warum eigentlich?) und hinten? Da schnattern Kerstin und Günther immernoch. Unfassbar dieses Mitteilungsbedürfnis. Und dann sind die Geschichten nicht mal spannend… „Aperol Spritz ist Out, das neue Trendgetränk ist Wildberry Lillet…da gibt’s doch auch dieses eine Lied von…“, so oder so ähnlich. Könnte man besser verstehen, wenn die Sterne vorn nicht so laut wären.
Aber genug genörgelt. Auch, wenn du, lieber Boomer es vielleicht nicht mitbekommen hast: Musikalisch sind Die Sterne weiterhin ein Kracher. Der Sound im Lagerhaus ist ohne die Nebengeräusche ganz wunderbar. Die doch recht neue Band funktioniert hervorragend zusammen. Einen kleinen Kick gibt’s durch die stetige mitschwingende Angst, dass sich Frank Spilker an der niedrigen Bühnendecke den Kopf stoßen könnte. Bloß keine zu hohen Sprünge. Spannung pur!
Und die Setlist, die fetzt sowieso. Schade ist allerdings, dass die darauf zuletzt vermerkten Titel „Fick das System“ und „St. Pauli“ am Ende nicht mehr gespielt werden und nach der wirklich extended extended Version von „Wichtig“ abrupt Schluss ist.
Bestimmt wegen des Geschnatters.
Das nächste Mal weißt du es besser, lieber Boomer.
Gezeichnet,
ein frustrierter Millenial.
Galerien:
Angela Aux
Die Sterne
Setlist Die Sterne:
- Die Interessanten
- Aber Andererseits
- Die Welt wird knusprig
- Hallo Euphoria
- Alles was ich will
- Gleich hinter Krefeld
- Depressionen
- Du musst gar nix
- Inseln
- Sommer in die Stadt wird fahren
- Spilker immer mittendrin
- Big in Berlin
- Wahr ist was wahr ist
- Universal Tellerwäscher
- Was hat dich bloß so ruiniert
Encore: - Wir wissen nichts
- Wichtig (Extended Version)