Review: Dawa – Acoustic-Cello-Folk-Soul-Pop-Perlen aus Wien (04.12.2016, München)

Recht langgezogen wie eine Kegelbahn und mit leicht schrägem Boden steht sie da, die Milla, denn früher plätscherte einmal der Westermühlbach genau da lang, wo sich jetzt die Bar befindet. Hier standen 1345 eine Mühle und ein Holzsägewerk, welches aus dem Gebirge angeschwemmte Holzstämme weiterverarbeitete. Sinnigerweise hieß das Vorgängerlokal Bachbett. Und wie es sich für ein ehemaliges Bachbett gehört, ist der Holztresen mit Schwemmholz aus der Isar und aus Restbeständen der alten Bar der Schwabinger 7 liebevoll zusammengezimmert worden. Das einzige was heute noch im Milla fließt, sind die Wasserhähne in der Toilette und die Drinks an der Bar für das wartende Publikum.

Dawa (Foto: Axel Ganguin bs!)

Wir warten auf Dawa.

Eine 4-köpfige Band aus Wien, die in letzter Zeit immer mehr Beachtung bei der deutschsprachigen Presse und bei den Radiostationen fand. Mit 30 Minuten Verspätung geht es dann endlich los. Der charismatische Sänger John Michael Dawa greift zur Klampfe. An seiner Seite steht die Sängerin Barbara Wiesinger im schwarzen Kleid, hinter einem großen schwarz verhängten Kasten. Wer weiß, was darin versteckt sein mag. Die Szenerie hat etwas sakrales. Ganz links außen thront Oama Richson fröhlich hinter seinem Drumset, von einigen Percussion Instrumenten umgeben. Auf der rechten Seite sitzt Laura Pudelek aufrecht mit dem riesigen Cello, gefährlich nahe am Bühnenrand.

Why is everything moving, how is everyone moving, how can we slow down.

Die zwei Stimmen von John und Barbara ziehen uns schon nach den ersten Takten sofort in ihren Bann. Das hört sich verdammt ausgereift an. Ihr Harmoniegesang passt unglaublich gut zusammen – wie füreinander gemacht. Da wurde sehr häufig zusammen gespielt, vieles ausprobiert und gemeinsam ein langer Weg beschritten um höchste Qualität abzuliefern. Laura unterstützt gekonnt die melodischen Balladen mit melancholischen Cellotönen und Oamas zurückhaltendes Spiel gibt den Songs eine treibende aber unaufgeregte Kraft. Jedes der vier Mitglieder von Dawa liefert seinen Part zu den einzelnen Songs ab, ohne dabei aufdringlich zu sein. Eher weniger als zuviel scheint das Motto zu sein. Dadurch kommen die Folk-Pop Stücke auch ausgezeichnet zum Tragen.

Mädchenmusik?

Dawa (Foto: Axel Ganguin bs!)

„Dying Star“, „Social Suicide“, „Relief“ – die Songs kommen und gehen, als kenne man sie schon seit Ewigkeiten. Bei den Hits „Child Of The Sun“, „Open Up“ und „On The Run“, singen einige Mädchen aus dem Publikum Zeile für Zeile mit.

Mädchenmusik? Na ja, das Verhältnis der anwesenden Damen zu den Herren beträgt schon 2:1. Aber die Jungs im Club sind genauso angetan von dem Quartett aus Wien. Deren Ausgeglichenheit und die spürbare Vertrautheit untereinander lassen bei den HörerInnen ein Gefühl der inneren Ruhe entstehen. Geboten wird uns ein Mix aus allen drei bisher veröffentlichten Alben „This Should Work“ (2013), „Psithurisma“ (2015) und dem Ende Oktober 2016 erschienenen „(r)each“.

Jeder macht das, was er am besten kann, alles greift ineinander über.

Angenehm auffällig ist die Klangdynamik in John Dawas Gesang, sein Spiel mit lauten und leisen Tönen im Wechsel. Das erinnert ein wenig an Finian Greenall (Fink), den John sehr schätzt. Zwischen den Songs scherzen Oama und Barbara mit dem Münchner Publikum. Das gemeinsame Lachen schafft Sympathie zwischen Band und ZuschauerInnen. Durch die bedingte Größe des Clubs ist die Stimmung eh schon ein wenig intimer, denn so wie ich den Raum überschaue, haben sich geschätzte 150 BesucherInnen eingefunden.

Die Stücke reihen sich aneinander wie edle Perlen auf einer Schnur.

Dawa (Foto: Axel Ganguin bs!)

Beim zwölfminütigen „Revolution“ wird der Sound ein wenig härter – wohl dem Titel angemessen. Zwischendurch greift Barbara auch mal zu Paukenschlägeln, um ein freistehendes Floor Tom zu bearbeiten, oder schnappt sich die Shruti-Box, ein indisches Instrument ähnlich einem Harmonium, das John unbedingt haben musste, als er es zum ersten Mal in einem exotischen Musikgeschäft hörte.

Nach 90 Minuten verbeugt sich die Truppe brav, wie ein Orchester beim Opernball und verlässt ohne zu zögern die Bühne. Warum sie trotz mehrmaligen Aufforderungen ihrer Fans nicht zurückkehren, um wenistens eine kleine Zugabe zu spielen, wird der wartenden Menge und mir für immer ein Rätsel bleiben.
Trotzdem schönen Dank für die vielen tollen Songs und ein ausgesprochen angenehmes Gefühl, welches heute Abend im Milla eindeutig Dawa!

Galerien:

Setlist:

  1. Dying Star
  2. Social Suicide
  3. Saloon
  4. Child Of The Sun
  5. Relief
  6. Open Up
  7. Revolution
  8. Reach
  9. Emma
  10. On The Run

Links:
www.dawa-official.com

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https://www.youtube.com/watch?v=0lo7RKNRyFw
Axel Ganguin
Axel Ganguinhttp://www.ganguin.com
Axel Ganguin hat ungeduldig die Alchemie der Worte studiert. In alten Büchern, in farblosen Flamingos, in einem Traumzauberbaum. Er hat sie in den Wolken gesucht. In Italien. Im Rotwein. Im Regen. Und manchmal geht er barfuß ins Bett. Er hat die Farbe der Vokale ausgespuckt wie eine tote Auster. Er schrieb ein Schweigen in die Glut und hat sich als Grafik-Designer erfunden. Axel trägt die Klamotten von Nick Drake auf und küsst die Nacht, bis der Spannungsbogen albern knistert. Axel lässt sein Vokabular für uns „mit unversehrtem, bösartigem Herzen, mit einer tyrannischen Unschuld“ zur Ader.

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