Review: Westfälische Begeisterung und mehr – Der Neuanfang mit Clueso (24.09.2017, Bielefeld)

Voll ist es vor dem Ringlokschuppen, voll ist es drinnen. Mühsam kämpft sich der Pressemensch durch die Masse in den Pressegraben, kritisch beäugt vom wartenden Publikum. Zugunsten derer rückt die Bühne weit nach hinten, als das rettende Ziel streckt sich sie in die Höhe. Zwei Ebenen, schlichte weiße Wände, Instrumente warten darauf, bespielt zu werden.

Von Professionalität geleitet geht der Pressemensch systematisch an die Betrachtung der Darbietung. Der ausverkaufte Tourauftakt weckt die Neugier, der Pressemensch freut sich auf einen entspannten Abend, die Setlist verspricht Abwechslung.

Chefket (Foto: Rune Fleiter bs! 2017)

Der erste Ton der Tour wird gleich zweimal gespielt. Support Chefket ist der Applaus nicht laut genug. Feinster Soulrap grooved ein, hier und da wird im Takt genickt, Arme wippen im Rhythmus. Die Akustikversion von Nachtmensch überrascht, Gänsehaut macht sich breit.

Herzlich Willkommen! Neuanfang!

Neue Luft, neue Musik, der gleiche Clueso. Verhaltener Anfang, Band und Publikum müssen sich erst aneinander gewöhnen. Andächtig wird gelauscht, schüchtern applaudiert. Erst langsam nimmt das RiLo fahrt auf, gewinnt an Tempo und entwickelt sich mit Achterbahn zu einer Fahrt, die sogar den Pressemenschen mitreißt. Untermalt von sich immer wieder neu streichenden Leinwandprojektionen bricht das Eis. Die letzten Hemmungen weichen Tänzen, das Lichtermeer untermalt den Wandel von kühlem blau zu kunterbunt.

Dort wo die kleine Welt ganz groß is
Sieht sie sich an den Lichtern satt

Clueso (Foto: Rune Fleiter bs! 2017)

Man ist warm miteinander geworden. Die Leinwände unterstützen den Input, Clueso spielt mit seiner Musik, lächelt in Kunstpausen verschmitzt in die Menge, tanzt über die Bühne, scherzt mit seiner Band. Die Leidenschaft der Musik gegenüber zeigt sich an immer wieder neu aufgelegten Songs, Spielereien mit Gesangspartnerin Wanja, Interaktionen mit dem Publikum.

Auch Chefket und Dissy, der bandeigene Tourfotograf, unterstützen freestylend Clueso. Der Eindruck des Pressemenschens: angenehm überrascht, mitgerissen, äußerst erfreut.

 

Und spiel so schön wie früher

Wir woll’n Sommer zum Herbstbeginn verleitet zu einer Hommage an die Bielefeld-verschwörung: „Auch wenn’s manche Städte nicht gibt, es gibt sie doch!“ Und so beginnt die Plauderlaune. Natürlich kann Cello nicht gespielt werden ohne Anekdoten über Udo Lindenberg. Und natürlich geht dieses nicht ohne eine astreine Imitation des Sängers.

Clueso (Foto: Rune Fleiter bs! 2017)

Eine Geschichte nach der anderen, Clueso überschlägt sich, möchte sich bremsen, das Publikum verlangt mehr. So zumindest kommt ans Licht, dass Udo seinen Hut nicht einmal zum Schwimmen abnehme.

Kurz vor Ende überrascht eine Planänderung den vorbereiteten Pressemenschen. Akustisch an der Gitarre, nur begleitet vom Saxofon, Pizzaschachteln. Chefket wird rappend auf die Bühne gebeten, vergebens reimt Clueso von Strophe zu Strophe, improvisiert und überzeugt mit Talent.

Ich schau mich um, der Sound pumpt
Blaues Licht, wir tauchen auf Grund

Clueso (Foto: Rune Fleiter bs! 2017)

Ein letztes Mal Freidrehn, sogar der Pressemensch bewegt sich und reflektiert über den Wandel von professioneller Ruhe zu freudigem Tanz. Westfälische Begeisterung und ein kleines bisschen mehr.

Ein kleines bisschen mehr zeigt auch Clueso und beginnt die Zugaben mit einem Akustikcover der Puhdys. Barfuss rundet den Auftakt ab. Die Ruhe schließt den Kreis zum Anfang, lässt den Pressemenschen, dem das zweieinhalbstündige Konzert viel kurzweiliger vorkam, andächtig lauschen. Ein wunderbarer Abend geht zu Ende, Clueso verabschiedet sich gebührend und wird gebührend verabschiedet. Wohlig warm ums Herz entlässt sich der Pressemensch in die Nacht.

Galerien (by Rune Fleiter bs! 2017):

Clueso (Foto: Rune Fleiter bs! 2017)

Setlist Clueso:

  1. Neue Luft
  2. Love the People
  3. Achterbahn
  4. Mitnehm
  5. Neuanfang
  6. Chicago
  7. Zu schnell vorbei
  8. Wenn du liebst (mit Wanja)
  9. Keinen Zentimeter
  10. Baby Blue (mit Chefket und Dissy)
  11. Alles leuchtet
  12. Die Straßen sind leer
  13. Wir wolln Sommer (mit Wanja)
  14. Chello
  15. Fire
  16. Pizzaschachteln
  17. Anders sein (mit Wanja)
  18. Out of Space
  19. Jeder lebt
  20. Gewinner
  21. Freidrehn
    Encore
  22. Wenn ein Mensch (Puhdys Cover)
  23. Barfuß

Links:
www.clueso.de
www.chefket.com

Daphne Dlugai
Daphne Dlugaihttps://www.be-subjective.de
Daphne Dlugai. Eine lebendige Mindmap aus einem Kessel Buntes, läuft wie ein Duracellhäschen, wenn man Kaffee, kaffee, kaffee (hier als Nomen, Verb und Adjektiv verwendet) in ihr System kippt. Oder Schokolade. Im Herzen eine Disneyprinzessin (definitiv Mulan, die anderen sind zu girly),  im echten Leben Teilzeitcholerikerin, audiophil Vinyladdicted und ist Daphne ein bisschen sonderbar. Oder war es Sonderpädagogin? Wir wissen es nicht so genau. Man munkelt sie ist wegen Schokolade auf Bewehrung und versucht diese Schwäche mit Bastelkram zu kompensieren. Funzt! Alles ist schöner mit Kerzen! Sogar Kerzen.

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