Homecoming für Casper. Als er im vergangenen Jahr ankündigte, nur ein einziges Konzert in 2024 in seiner Heimatstadt Bielefeld zu spielen, waren die Karten schneller weg, als man „Gibt’s doch gar nicht“ rufen konnte. 28.000 Menschen hatten Bock, ein Heimspiel der ganz besonderen Art anzuschauen und das mitten in der SchüCo Arena, dem heiligen Rasen von Arminia Bielefeld.
Die Einlasszeit ist großzügig mit drei Stunden berechnet, sodass nach und nach jung und alt im Stadion eintreffen, die Merchstände plündern und sehnsüchtig an den Wellenbrechern warten. Der Support kommt, recht kurzfristig angekündigt, von Philine Sonny, die man mit ihrem Tarn-Cap zwischen all dem Gestrüpp des Bühnenaufbaus fast übersehen könnte. Während der Songs der jungen Musikerin eher wenig mit Rap am Hut haben, schafft sie es mit Leichtigkeit, die bis dato anwesenden Gäste um den kleinen Finger zu wickeln. Nahbar und frei Schnauze stellt sie sich, ihre Band und ihre Indie-Pop-Lieder vor. Mal geht es Liebe und Trennung, mal um merkwürdige Beziehungen und mal eben auch um ernste Themen. Bei der Ansage zu ihrem Song „Shame“, der an diesem Abend das erste Mal live gespielt wurde und der Gewalt und sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen thematisiert, wird die sonst eher tough wirkende Sonny emotional.
What our fathers have done. What our brothers become.
Eine wahnsinnig starke Performance die mit Sicherheit mit einem Großteil der Menge, die Pi mal Daumen aus 2/3 junger Frauen besteht, resoniert. Nach neun Songs ist leider schon Schluss, der große Vorhang auf der Bühne schließt sich und es wird umgebaut. Die Stimmung im Stadion hervorragend, nicht zuletzt als tausende Kehlen in die Pausenmusik von Wheatus und Robbie Williams miteinstimmen. Um 21 Uhr startet Casper sein Set mit Alles war schön und nichts tat weh seines vorletzten und gleichnamigen Albums.Ab da gibt es kein Halten mehr. Highlight knallt auf Highlight und es bleibt kaum Zeit, das erlebte richtig zu verarbeiten – auch für Casper nicht. In den wenigen Pausen, die er sich zwischen den Songs nimmt, kämpft er sichtlich mit den Emotionen. Viele Menschen im Publikum tun es ihm gleich. Umso schöner, dass er den Abend mit so vielen Wegbegleiter*innen genießen kann. Auf der Bühne stehen ihm nach und nach Drangsal, Thees Uhlmann, Lea und Tua für die Songs vergangener Kollaborationen zur Seite. Ein besonderer Höhepunkt dabei sicher XOXO von der gleichnamigen Platte. Griffey, der scheinheilig immer wieder überrascht tut, dass auch die alten Nummern so gut ankommen, sollte seine Fans doch mittlerweile besser kennen. Das Repertoire sitzt bei allen. Unterscheiden kann man die Oldschool- und die Newschool-Fans nur lediglich dadurch, wie sie Herzchen mit den Händen formen.
Aber nicht nur die musikalische Performance von Casper und seiner hervorragenden Band (die gern hätte vorgestellt werden dürfen) überzeugt, auch die beeindruckende Produktion rundum. Leinwände, Flammen, Konfetti, Feuerwerk und ein fetter Sound funktionieren auf voller Linie. Auch die kleine Hebebühne in der Mitte der Arena ist eine nette Geste für jene, die weiter hinten stehen oder sitzen. Dort gibt es zusätzlich ein weiteres Highlight: für Lass es Rosen für mich regnen taucht erst Vincent Waizenegger (Provinz) und dann auch Lena Meyer-Landrut auf. Nach einer gewaltigen Gib mir Gefahr-Performance, untermalt mit New Noise von Refused, geht es zurück auf die Main Stage. Dort gibt es wieder ein paar Klassiker. So Perfekt zum Beispiel, allerdings ohne Marteria, dafür in der Single-Version und das emotionale Michael X. Kurze Verschnaufpause nach der Live-Premiere von Verliebt in der Stadt die es nicht gibt.
Wieder vor deiner Tür, mit mehr Gepäck als ich gegangen bin
Fast nicht erkannt, ich bin älter geworden als Jahre vergangen sind
Bei dir alles das, von dem ich dachte, dass ich es woanders find
Hab es nie gesagt, doch hoff, du weißt, dass ich dankbar bin
Als Zugabe gibt’s mit Hin zur Sonne quasi auch eine Premiere, denn dieser wurde seit 2016 nicht mehr gespielt. Hinterland ein Feuerwerk und überwältige Fan-Chöre beenden den Abend nach über 2 Stunden und 27 Songs. Was für eine Leistung. So wirklich gehen will niemand, hoffnungsvoll bleiben zahlreiche Blicke gen Bühne gerichtet. Doch mit Rock the Casbah von The Clash ertönt der Rausschmeißer. We see what you did there!
Galerien (by Thea Drexhage bs! 2024)
Setlist Philine Sonny:
- (unveröffentlicht)
- Same Light
- Gatekeeper
- Lose Yourself
- Drugs
- Lovely
- Shame
- Berlin
- In Denial
Setlist Casper:
- Alles war schön und nichts tat weh
- Im Ascheregen
- Alles endet (Aber nie die Musik)
- Mieses Leben/ Wolken
- Adrenalin
- Sirenen
- Sowas von da (hellwach)
- Keine Angst (mit Drangsal)
- Emma
- 20qm
- Supernova
- Jambalaya
- XOXO (mit Thees Uhlmann)
- Schwarz (Mit Lea)
- Falsche Zeit, falscher Ort
- TNT (mit Tua)
- Lass es Rosen für mich regnen (Mit Lena und Vincent)
- Gib mir Gefahr
- Die letzte Gang der Stadt
- So perfekt
- Auf und davon
- Michael X
- Verliebt in die Stadt die es nicht gibt
Encore - Hin zur Sonne
- Sommer
- Ganz schön OK
- Hinterland
Links:
Philine Sonny
Casper
Veranstalter:
Mitunskannmanreden
Landstreicher