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Review: Es bleibt in der Familie – Broilers lieben & leben (07.03.2017, Hannover)

Broilers (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Es gibt Bands, die sind mehr als nur Lieblingsband, die sind wie Deine Freunde, die machen es Dir schwer, ihr Schaffen objektiv zu beurteilen. Da hat, will und kann sich mensch nur dem Bewusstseinsstrom ergeben, noch einmal nachfühlen, nachleben, eintauchen, ohne Reihenfolge, Zeit und Raum.

Allem voran saugen wir uns erst einmal etwas Kritik aus den Fingern. Wir wäre es damit: Wir reiten kurz auf ein paar Verspielern und einem Ausfall der Bassgitarre (wenn ich mich recht entsinne) herum, dann Sozialkritik am üblichen Handygefilme, was nervt, aber nun mal überall so ist, dann wirkt der Text gleich viel ausgewogener und nicht wie ein undifferenzierter Kniefall vor Band und Publikum.

Tiger Army (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Mähhhh, so geht das nicht. Mensch sollte schon noch mal auf Tiger Army eingehen. Die Support-Band ist ja nun auch nicht zu verachten mit ihrem psychobillysomething! Das Trio mit seinen wunderschönen weißen Instrument Anleihen von Eddie Cochran bis Sex Pistols.

Stimmt. Interessiert nur kaum einen. So ist das mit dem Anheizen.

Tiger Army (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

21:00 Uhr. Fünf Minuten Intro. Wir zählen runter. Drei, … Die Stimmung schwappt jetzt schon über. Zwo, ….. Für viele hier bedeuten Broilers – selbst an einem Dienstag – wieder ein kleines Familientreffen mit der Familie, die mensch sich ausgesucht hat, denn obwohl von der „la familia“ nicht sehr viele den Weg nach Hannover gefunden haben erkennt man hier und da im Pit und auch am Rande bekannte Gesichter. Und das ist was la familia ausmacht. Schön zu sehen wie diese „familie“ wächst. Eins,….

In diesem Kreis fühl’ ich mich wohl
Hier ist alles, was ich brauch
Lallende (?) Liebe
Leichen im Keller
Meine Familie
Das ist mein Haus

Broilers (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Broilers – „Ein Familientreffen nur ohne die scheiß Verwandten.“ Was nicht heißen sollte das die Verwandtschaft scheiße ist, sondern das die ungeliebte Tante halt nicht dabei ist. Ihr kennt das. Zwinkersmiley.

So auch in Hannover, dessen Publikum als schwierig, kühl und reserviert gilt, wobei stoisches Nicken hier im ‚Norden’ schon als absolut exstatisch gewertet werden kann. Seit heute, seit den Broilers, ist das anders. Das Wort ‚pit’ scheint zu klein, um dieses „Menschengulasch“ – wie Sammy das gerne betitelt – rührte sich ja quasi schon vor Konzertbeginn ein und seither schreiben wir eine Art neue Zeitrechnung. Für manche/n sind kaum mehr als drei Songs in diesem Pit aushaltbar, andere können im Laufe des Konzertes von den Rängen ein Gerangel beobachten, das seinesgleichen sucht.

Menschen werden nicht nach ihrem Aussehen beurteilt, sondern nach ihren Taten

Broilers (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Sammy Amara hat seine ganz eigene Art, Songs in Geschichten einzubetten und besonders freuen Songs, wie „als das alles begann“ und „keine Hymnen heute“.

Schlechte Menschen haben keine Musik
Schlechte Zeiten brauchen keinen Beat
Es gibt keine Hymnen heute

Broilers (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Die Botschaft ist klar und wichtiger denn je. Es bestärkt und macht traurig zugleich, dass dies Nudelsuppe in den Köpfen der Menschen kocht, viel mehr als so mancher gedacht. Broilers haben schon immer Stellung gegen Faschos bezogen, doch nie war es so nötig wie heute, entsprechend hoch kochte die Suppe, als die Band – so Sammy – ihr Video zu keine Hymnen heute veröffentlichte. So gäbe es Menschen, die meinen ‚KünstlerInnen dürften Musik, lustige Dinge tun, durch brennende Reifen springen, aber haben sich aus der Politik rauszuhalten. Doch man wolle nicht, dass irgendwer jemals erleben muss, was unsere Großeltern erleben mussten.’

Broilers (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Doch nicht nur Politik, auch Poesie findet hier Platz. Mit „ihr da oben“ erwischen sie sehr viele sehr oft sehr emotional. Doch statt ein musikalisches Taschentuch, reichen sie einen Arm, heben dich auf, ziehen dich nach oben, setzen dich auf Schultern und lassen Dich crowdsurfen, fliegen, getragen von „la familia“ bis die Welt wieder in Ordnung ist. Zwischen fremden Freunden weinen können. Das sind die Broilers. Entsprechend viele Hände recken sich zum Kuss an den Mund und später gen Himmel. Da hilft auch kein Konzerthallendach.

„Reißen wir die verfickte Drecksbude
jetzt ab oder was!“

Moshpit deluxe. Wie ein Sturmauge wirblet die Masse. So heftig ging es nicht einmal bei den Gigs im Béi Chéz Heinz oder bei irgendeiner anderen Band zu. Unfassbar schön zu sehen, welchen Spaß diese Band noch immer ausstrahlt. Ein vielgesichtiges Grinsen. Echt und nachhaltig. Diese Band und „la familia“ sind eine Einheit, die alles übersteht und alle mit sich reißen kann, die für diese Energie empfänglich sind. Da ist irgendwas in mir das ein Broiler ist. Und ich lebe.

Wie kannst du lieben, was du nicht lebst?

Text nach Steffen Rohse 

Galerien (by Torsten Volkmer):

Tiger Army (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Setlist Tiger Army:

  1. Angel of Death (Hank Williams song)
  2. Firefall (Unknown)
  3. Cupid’s Victim
  4. Twenty Flight Rock (Eddie Cochran cover)
  5. Dark and Lonely Night
  6. FTW
  7. Rose of the Devil’s Garden
  8. Devil Lurks on the Road
  9. Never Die

 

 

Broilers (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Setlist Broilers:

  1. Intro
  2. If the Kids Are United (Sham 69 song)
  3. Preludio: Vanitas
  4. Zurück zum Beton
  5. Tanzt du noch einmal mit mir?
  6. Bitteres Manifest
  7. Paul der Hooligan
  8. Wo es hingeht
  9. Als das alles begann
  10. Ist da jemand?
  11. In 80 Tagen um die Welt
  12. Meine Familie
  13. Harter Weg (Go!)
  14. Zu den Wurzeln
  15. Ihr da oben
  16. Lofi
  17. 33 rpm
  18. Die Beste aller Zeiten
  19. Wie weit wir gehen
  20. Keine Hymnen heute
  21. Ich brenn‘
  22. Nur die Nacht weiß
  23. Held in unserer Mitte
  24. Zusammen (Slime cover) (With „Police and Thieves“… more )
  25. Nur nach vorne gehen
    Encore:
  26. Die Letzten (an der Bar)
  27. Cigarettes & Whiskey
  28. Irgendwas in mir
  29. Meine Sache
    Encore 2:
  30. Ruby Light & Dark
  31. Blume
  32. Song played from tape
  33. Don’t Stop Believin‘ (Journey song)

Links:
www.facebook.com/broilers
www.facebook.com/tigerarmy

Tiger Army (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)
Tiger Army (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

 

 

 

 

 

Anmerkungen:

1 la familia – kein Fanclub, aber eine Art Zusammenrottung von Menschen aus Deutschland, der Schweiz und Frankreich, die nahezu bei jedem Konzert dabei sind.
2 „keine Hymnen heute“ wurde von Star-Video-Regisseur Joern Heitmann (u.a. „Amerika“ von Rammstein, „Tage Wie Diese“ u.v.m.) gedreht.

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