Pack das Broilers-T-Shirt ein und nimm dein kleines Schwesterlein und dann gehen wir zum Elb-uh-hu-fer! So in etwa könnte ein fröhliches Lied zum Wochenende anfangen, tut es aber nicht. Wobei es an diesem frühen Donnerstagabend besonders viele Broilers-Shirttragende zum Dresdner Elbufer zieht, denn ihre Lieblingsband wird heute mal wieder alles abreißen, was es abzureißen gibt: die Broilers aus Düsseldorf. Umso erstaunlicher, dass es wirklich erst Donnerstag ist und nicht Freitag – denn alles riecht und sieht danach aus: Open-Air Feeling macht sich auf der Neustädter Seite breit, ein leichter Biergeruch zieht durch die Luft. Aus allen Richtungen, Ecken und Straßenbahnen strömen die jetzt schon gut gelaunten Fans mit oder ohne “Bulle” in Richtung der Filmnächte Dresden. Zum Einlassbeginn um 17.30 Uhr haben sich bereits zwei beachtliche Schlangen vor den beiden Einlässen an Carola- und Augustusbrücke gebildet, die sich den Elbradweg mehrere hundert Meter ausbreiten. Die Regenwolken wissen noch nicht so recht, ob sie gehen oder bleiben sollen. Ihren inneren Disput drücken sie mit alternierendem Nieselregen aus. Geregnet hat es beim letzten Auftritt der Broilers 2017 an der Elbe übrigens schon genug.
Die trockenen Elbwiesen hätten sich sicherlich über ein paar Regentropfen mehr gefreut. Doch die grauen Wolken ziehen pünktlich kurz nach 18 Uhr hinfort, um der prasselnden und stechenden Sonne Platz zu machen. Die Temperaturen sind knackig heiß. Dagegen hilft Erfrischung an den zahlreich vorhandenen Getränkeständen, bei denen man sein Sammeltrieb heute bestens austoben kann. Es gibt Broilers-Trinkbecher in verschiedenen Ausführungen und sogar ein Maß! Wenn das kein Ansporn ist, heute besonders viel aus vielen (verschiedenen) Bechern zu trinken. Prost.
I got to rock I need to roll
Zum Eintanzen haben sich die Broilers heute gleich zwei Pack Freunde eingeladen: The Bones aus Schweden und Danko Jones aus Kanada. Beide Bands geben ordentlich auf die Nuss und erfüllen rigoros ihre Aufgabe als Vorglüher. Die Beine und Hüfte werden beweglich gemacht, die Stimme aufgewärmt. Wenns zu warm wird, hilft nur noch der Gang zum Bierstand (Becher sammeln). Als The Bones kurz nach 18 Uhr den Abend eröffnen, strömen immer noch Zuschauer durch die Einlasskontrollen. Weniger Platz im Gelände der Filmnächte ist dann eine Stunde später als Danko Jones in die Saiten hauen. Nicht nur den Zuschauern ist heiß, auch auf der Bühne erzielt die Sonne ihre volle Wirkung. Die Musiker schwitzen was das Zeug hält, aber im gleichen Maße verlassen Spielfreude und Schweiß die Körper. Passt.
Niemand wird zurückgelassen
Zur Primetime ist es dann endlich soweit. Zeit für goldene Hähnchen. Ein großer Banner mit der Aufschrift “Niemand wird zurückgelassen” verdeckt aktuell noch das Gewusel auf der Bühne. Die Stimmung heizt sich weiter auf und direkt bei den ersten Tönen von “Vanitas” ist ist die Meute nicht mehr zu halten. Schnell wird klar: Zurückgelassen wird heute sicherlich niemand! Der Vorhang fällt, Konfetti wird aus Kanonen gen Publikum geschossen. Mit “Zurück zum Beton” starten die Broilers ihr Set – der Partyexzess kann beginnen. Schon jetzt tobt die Stimmung im Pit – alle Sicherheitskräfte im Graben ziehen reihenweise freiwillig wie auch unfreiwillig Gestrandete aus der Masse heraus. Die freiwilligen Partyflieger drehen so gleich eine neue Runde, die unfreiwillig Gekenterten schauen etwas orientierungslos. Bei den Broilers geht es bewegungstechnisch voll zur Sache. Wer hier her kommt, hat in der Regel nicht vor, ruhig in der Ecke stehen zu bleiben, sondern der will vor allem eins: Ein Bier und Party. Das sind schon zwei. Dementsprechend bierseelig ist das Publikum, das euphorisch jede Liedzeile mitsingt und tanzt. Apropos tanzen.
Tanzt du noch einmal mit mir?
…fragt Sänger Sammy in die Runde. Na klar, eine Runde oder zwei oder 100. Egal welche Töne die Düsseldorfer Punkband anschlägt, es wird getanzt, gesprungen, gesungen, sich auf die Schultern von Fremden gesetzt, Pogo getanzt, sich hingesetzt und dann gesprungen, und… ahja. Bier trinken nicht vergessen 😉
Bei Liedern wie “Wo es hingeht” ist die Stimmung derartig am Überkochen, dass die Elbe kurz davor ist, ihren Aggregatzustand zu ändern. Doch nicht nur auf dem Partygelände wird Party gemacht und ordentlich Kondenswasser erzeugt, auch auf den angrenzen Elbwiesen sitzen hunderte Zuschauer auf ihren Picknickdecken oder schauen von den Elbbrücken herunter. Sänger Sammy hält mit seinen kurzen, aber knackig scharfen Ansagen die Zuschauer zusätzlich bei Laune – die anwesende Polizei im Übrigen auch.
Auch ‘ne riesige Partygruppe muss mal verschnaufen. Und bekanntermaßen liegt die Kunst ja nicht im Laut spielen, sondern im Leise spielen. Leise ist es bei einem Open Air natürlich nicht, aber die Broilers können auch etwas gediegener. “Ihr da oben” erinnert an alle, die an diesem Abend fehlen. Dazu werden alte persönliche Fotos über die beiden Leinwände links und rechts von der Bühne gezeigt. Im Publikum gehen die Feuerzeuge und Taschenlampen nach oben. In diesen Momenten denkt sicherlich jeder an den ein oder anderen, der heute leider nicht mehr da ist. Auch Zeit für Sentimentalität muss sein.
Auf zum Bläser-Contest
Zum Wiederaufladen der Energiereserven eignet sich auch die Vorstellung der Bläsergruppe “Wer ist hier der beste Bläser?”. Ob es nun Johnny, Michael oder Julius ist, bleibt jedem selbst überlassen. Größen- und gewichtstechnisch war für alle was dabei. Zusammen bringen sie auf alle Fälle den gewissen musikalischen Kniff. Der Kniff, der dich zwingt dich zu bewegen und gute Laune zu haben. Das letzte Bläsersolo mündet in Seven Nation Army und schon ist die Stimmung wieder am Überkochen. Es gibt kein Halten mehr, die Elbwiesen “dödödödödödöö”n und sind kurz vorm Pirouetten Drehen in der Luft.
Doch das reicht der Band noch nicht. Sänger Sammy fordert “Reißen wir die verf*** Drecksbude ab!” und im übertragenen Sinne folgt das Publikum ohne Nachzudenken. Wer noch nie Menschen in Ektase gesehen hat, kann sie an diesem lauwarmen Donnerstagabend am Elbufer bewundern.
Hol deine Frau ab, Sarah!
Im ersten Zugabeblock tragen Lieder wie “Ist da jemand?” oder “Ruby Light Ruby Dark” zu weiteren gefühlsgeladenen Exzessen bei. Der wildeste Pogo wird getanzt in der Annahme, der Abend müsste so gleich zu Ende sein. Doch nicht: Die Band hat 2 Stunden und 15 Minuten versprochen und so bekommen die Fans genau das. Es folgt die amüsante Geschichte des Gassenhauers “Alice und Sarah” und Sammys Telefonate mit der AFD-Politikerin und ihrer Frau. Passend dazu ist auch die heute erhältliche Trinkbechervariante “Lebe so, dass die AFD etwas dagegen hat”. Aber mit Herz 🧡.
Die letzten Kraftreserven müssen die 6 bis 66+jährigen noch einmal bei “Nicht alles endet irgendwann” unter Beweis stellen. Charmant wie immer bittet Sänger Sammy alle sich hin zu hocken mit dem Kommentar
“Was da so knackt, sind eure Knie!”
Nur um später mit voller Kraft in die Lüfte zu gehen (aua). Bei wem das jetzt wie und wo geknackt hat, möchten wir nicht erörtern. Alle Kater werden zu den Betroffenen heute selbst sprechen. Schmerz beiseite, für einen so geilen Abend darf ruhig der Rücken weh tun. Für die Broilers ist man in jedem Fall nie zu alt oder zu jung.
Für das große Finale schießen die Broilers noch einmal alles in die Luft, was sie zu bieten haben. Zum Schluss erhellt ein Feuerwerk den Dresdner Nachthimmel, das gigantischer ist als das zum Stadtfest. Die Broilers wissen eben wie man die verf*** Drecksbude abreißt. Nämlich genau so!
Setlist Broilers:
- Intro: Preludio Vanitas
- Zurück zum Beton
- Gib das Schiff nicht auf!
- Meine Familie
- Tanzt du noch einmal mit mir
- Alles, was ich tat
- Paul der Hooligan
- Schwer verliebter Hooligan
- Wo es hingeht
- Die Beste aller Zeiten
- Harter Weg (Go!)
- Held in unserer Mitte
- Diktatur der Lerchen
- Ihr da oben
- An allen anderen Tagen nicht (Lebe, du stirbst!)
- Lofi
- In 80 Tagen um die Welt
- Wie weit wir gehen
- Alles wird wieder OK!
- Zusammen (Slime cover)
- 33 rpm
Encore: - Ist da jemand?
- Ruby Light & Dark
- Alice und Sarah
- Nur nach vorne gehen
Encore 2: - Nicht alles endet irgendwann
- Meine Sache
- Blume
- Outro: Don’t Stop Believin‘
Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2022):
Broilers (21.07.2022, Dresden)
Danko Jones (21.07.2022, Dresden)
The Bones (21.07.2022, Dresden)
Links:
www.broilers.com
www.semmel.de (Veranstalter)
www.checkyourhead.de (Promoter)
https://www.facebook.com/thebonesswe (The Bones)
https://www.dankojones.com/