Rockröhre Bonnie Tyler gibt im Sommer ein Konzert auf dem Erfurter Petersberg. Als Support hat sie Peter Schilling im Gepäck. Mmh, die Reaktionen auf diese Ankündigung reichten von „Ach, die gibt`s noch?!” (Personen Ü30), über „Was `ne Kombination…“ bis „Wer?“ (Personen U30). Die größten Hits der 80er Jahre Ikonen kennen am Ende aber alle. Schließlich werden Songs wie „It`s a heartache“ oder „Terra Titanic“ auch heute noch fleißig im Radio gespielt.
Am 09.07.2017 – ein sonniger Sonntagabend – ist es nun so weit.
„Bonnie Tyler ist wie ein guter Wein, je älter, desto besser.“
– wurde in der Konzertankündigung versprochen. Nun, das wird sich gleich zeigen. Wer es bei gefühlten 30 Grad im Schatten keuchend über den Petersberg geschafft hat, sieht sich allerdings erst einmal mit einer langen Schlange am Einlass konfrontiert. Die Atmung beruhigt sich langsam und die Schlange wird schneller kürzer, als befürchtet. Vorerst aber nur bis zur Security. Hier outen sich nun die eher sporatischen Konzertgänger – ein paar ältere Semester, die ungläubig diskutieren, warum sie Kamera oder Trinkflasche nicht mit auf die Festwiese nehmen dürfen. Hinweise auf die AGBs des Veranstalters ignoriert Mann dezent. Glücklicherweise werde ich als dahinter festhängende Fotografin aber schnell an den immer noch nicht einsichtigen Herrschaften vorbei gewunken.
Die Klappstühle vor der Bühne sind bereits alle besetzt. Die Sonne knallt gnadenlos auf die Wartenden herab. Vor dem Bratwurststand bildet sich eine lange Schlange. Das Publikum entspricht mit einem großen 40+ Anteil den Erwartungen – aber auch einige Familien mit kleinen Kindern haben sich eingefunden.
19:00 Uhr – der offiziell kommunizierte Beginn. Theoretisch. 10 Min später beginnen die ersten im Publikum unruhig zu werden und zu klatschen – jedoch vorerst erfolglos. Erst gegen 19:30 Uhr traut sich Peter Schilling auf die Bühne und eröffnet mit „Die Wüste lebt“ den musikalischen Open Air Abend. Er bemüht sich das noch (von der Wärme?) träge Publikum aufzuwecken. So richtig gelingt ihm das aber erst mit einem Song aus dem Jahre 1984 – „Hitze der Nacht“. Peter Schilling kommentiert den ersten lauteren Jubel der Anwesenden mit einem erleichterten „Jaaa, endlich“. Die aufgekommene Stimmung muss nun genutzt werden. Beim beliebten „Terra Titanic“ verpasst das Publikum zwar gleich zu Beginn seinen Einsatz, aber dafür wird wenigstens der Refrain lautstark mitgesungen. Peter Schilling teilt uns mit, dass er sich freut, nach so vielen Jahren immer noch auf der Bühne stehen zu dürfen. Das sei schließlich nicht selbstverständlich. Da hat er wohl Recht. Aber so lange es noch Leute gibt, die ihn sehen wollen, spricht da ja auch nichts dagegen.
Gegen 20:15 Uhr beendet Peter Schilling unter ordentlichem Applaus seinen Auftritt, mit dem nicht fehlen dürfenden Neue Deutsche Welle – Hit „Major Tom“.
So richtig in Fahrt kommt das Publikum etwa 20 Minuten später. Großer Jubel brandet plötzlich auf, dabei steht Bonnie Tyler noch gar nicht auf der Bühne. Aber sie wird bereits im neben der Bühne befindlichen Backstage-Bereich gesehen. So richtig blickdicht ist der aufgestellte Sichtschutzzaun eben doch nicht. Es gibt sicherlich nichts Schöneres für eine(n) KünstlerIn, als von seinen Fans so begrüßt zu werden, oder? Die Waliserin jedenfalls stürmt gutgelaunt zu „Have You Ever Seen the Rain?“ auf die Bühne. Der erste Coversong des Abends, aber definitiv nicht der letzte. Wie viele sie davon im Repertoire hat, überrascht mich schon ein wenig. Ebenfalls überraschend – das faltenfreie Gesicht der mittlerweile 66-jährigen. Darauf wird sie im Laufe des Abends aber selbst noch hinweisen. Nach jedem Song erzählt die Rocksängerin eine kleine Anekdote aus ihrer musikalischen Karriere, welche bereits Mitte der 70er Jahre begann. Deutschland hat dabei auch keine unbedeutende Rolle gespielt. Im Laufe der letzten vier Jahrzehnte war sie oft hier. Schließlich produzierte sie Anfang der 90er Jahre sogar drei Alben gemeinsam mit keinem Geringeren als Dieter Bohlen.
Vor ihrem Welthit „It`s a Heartache“ berichtet sie von ihrer Stimmband-OP, der sie schließlich ihre unverwechselbare rauchige Stimme verdankt – und damit auch ihren internationalen musikalischen Durchbruch. Das kann also dabei rauskommen, wenn frau nicht auf ihren Arzt hört…
Dass Rockröhre Bonnie Tyler auch Balladen kann, zeigt sie u.a. mit „All I ever wanted“. Diesen Song wollte ihre Schwester letztes Jahr unbedingt auf ihrer Hochzeit hören, plaudert sie aus dem privaten Nähkästchen. Doch egal ob ruhige oder rockige Songs – ihre Fans feiern sie. Immer noch. Und ihre Stimme klingt wie früher. Immer noch. Wie man sich in der jeweiligen Stadt, in der man gerade auftritt beliebt macht, weiß sie auch. Immer noch. „Die Bratwurst schmeckt wunderbar“, sagt sie mit niedlichem Dialekt auf Deutsch.
Nach „Bitterblue” und „This is gonna hurt” haut uns ihre Ehrlichkeit von den Socken.
„I`m a Rock ’n‘ Roll Fossil, but I love it. I thank botox!”
Das lassen wir mal so stehen und lauschen nun lieber einem weiteren großen Hit – „Total Eclipse of the Heart“. Hach.
Für alle die es bisher nicht wussten, erklärt Bonnie Tyler kurz vor Ende ihres Auftritts, dass sie „Simply the Best“ VOR Tina Turner veröffentlicht hat. Allerdings weniger erfolgreich. Und nun verbindet die ganze Welt den Song eben mit Tina Turner. Ach, liebe Bonnie – du hast doch genug andere Hits, die nach unglaublichen 30 Jahren immer noch bei uns im Radio gespielt werden. Und das ist auch gut so.
Galerien (by Janina Lindner bs! 2017):
Setlist Peter Schilling:
- Die Wüste lebt
- Ich vermisse dich
- Hitze der Nacht
- The Different Story
- Terra Titanic
- DNA
- Major Tom
Setlist Bonnie Tyler:
- Have You Ever Seen the Rain? (Creedence Clearwater Revival Cover)
- Flat on the Floor (Carrie Underwood Cover)
- To Love Somebody (Bee Gees Cover)
- Lost in France
- It’s a Heartache
- Straight From the Heart (Bryan Adams Cover)
- All I Ever Wanted
- Bitterblue
- This Is Gonna Hurt
- Total Eclipse of the Heart
- Faster Than the Speed of Night
- Turtle Blues (Big Brother & the Holding Company Cover)
- River Deep, Mountain High (Ike & Tina Turner Cover)
- Simply the Best
- Holding Out for a Hero