Klein wirkt sie, die Kesselhalle im Bremer Kulturzentrum Schlachthof, doch der Eindruck trübt. Über viele Ebenen, Stufen, Tribünen und Ecken verteilen sich die Gäste an diesem Abend zahlreich. Eines haben all diese Plätze in ihren Winkelchen und Ecken gemein: Eine perfekte Sicht auf die bereits völlig zugestellte Bühne.
Instrumente, Boxen Lautsprecher und… Sonnenschirme stapeln und quetschen sich eng zusammen um irgendwie auch noch Platz für Menschen zu bieten. Was anfangs wirkt wie ein schlecht organisierter Hinterhofflohmarkt entpuppt sich als Bühnendeko der Schweizer Aufwärmtruppe One Sentence. Supervisor, welche sich irgendwie den Weg zwischen all den Archive – Instrumenten auf die Bühne bahnt. Die recht junge Kapelle spielt nach eigenen Angaben:
Temporärmusik
Was das genau ist? Keine Ahnung, aber das Publikum findet es super. Irgendwie fröhlich, irgendwie traurig, bisschen Postrock, bisschen Indie treiben lange Instrumentalpassagen die Songs voran und werden nur selten durch zurückhaltenden Gesang unterbrochen.
Neu, frisch, außergewöhnlich und im Blaumann kommen One Sentence. Supervisor daher, doch statt nen Ölwechsel gibt’s ein schnell vorbeiziehendes Set, welches mit überraschend lautem Applaus belohnt wird. Gerne hätten die sympathischen Schweizer noch länger spielen dürfen, finden die meisten Gäste, aber Archive brauchen natürlich ausreichend Zeit für ihre übermäßig langen Songs.
So gestaltet sich auch die Umbaupause als angenehm kurz. Schnell erlischt das Licht im Saal, bevor die überdimensionale Leinwand hinter der Bühne das Archive-Logo in den Saal strahlt. Die Bühne, deutlich aufgeräumter und vom Sonnenschirm befreit, bietet nun ausreichend Platz für die zahlreichen Musiker der Londoner Ausnahmeband. Ohne großes Gerede geht es mit Driving in Nails der jüngsten Platte False Foundation los. Die Achterbahnfahrt beginnt.
Ohne Pause schicken Archive die ZuhörerInnen in höchste Höhen und tiefste Tiefen. Die Songs gehen nahtlos ineinander über. Absolut keine Zeit für Ansagen, kaum Zeit für Applaus. Wer zu einem Archive-Konzert geht, erwartet natürlich auch nichts anderes, als ernste, ausgefeilte und alles einnehmende Musik und Professionalität. Und das bekommt man auch. Trotz der fehlenden Interaktion mit dem Publikum wirken die Musiker nicht distanziert. Die Spielfreude steht ihnen ins Gesicht geschrieben, hier und da ist sogar ein kleines Lächeln drin.
Die dunkel gehaltene Kesselhalle wird gefüllt von satten Bässen, elektronischen Klängen, elektrischen Gitarren und dem wechselnden, durchdringenden Gesang von Dave Pen und Pollard Berrier. Der Klang ist für einen Saal dieser Größe glücklicherweise überraschend gut und ausgeglichen – alles andere wäre an dieser Stelle auch sehr tragisch.
Das Publikum ist gefesselt, denn eine Sache, die Archive als einer der wenigen Bands gelingt, sind die Momente der Überraschung. Selbst wenn mensch die Band schon viele Male live gesehen hat, klingen die Songs
immer wieder anders, immer wieder neu, immer wieder gut.
Mit dem fünften Stück Fuck you gibt es das erste ältere Stück bevor es mit Splinters von False Foundation weitergeht. Und nach und nach ergeben auch die Warnhinweise für Epileptiker, Schwangere und Herzschrittmacherträger Sinn: Die Lichtshow an diesem Abend ist auf Grund des Platzangebots der Kesselhalle zwar nicht so groß, wie man sie von Archive vielleicht gewohnt ist, aber dennoch wird an Effekten, Videountermalungen und vor allem an Strobo nicht gespart.
Wortlos wird nach zwölf Songs das erste Mal die Bühne verlassen. Selbstverständlich folgt eine Zugabe, welche es mit dem schweren Controlling Crowds und dem mächtigen Numb natürlich in sich hat. Eine gefühlte Stunde später gehen die Lichter auf der Bühne an, die Band gibt sich das erste Mal richtig zu erkennen, applaudiert dem Publikum, und vielleicht auch sich selbst, bedankt sich mit unzähligen Verbeugungen und …geht. Kein Again?
Denkste, Puppe.
Noch einmal erlöschen die Lichter und Gruppe kommt in Minimalbesetzung zurück auf die Bühne. Für eine kurze, akustische und nackte Version, des Songs, auf den alle so sehnlichst gewartet haben. Sie können es also auch ohne Elektro und Bombast – was Penns Performance an dieser Stelle noch Zerbrechlicher und intensiver gestaltet. An diesem Emotionalen Höhe- sowie Tiefpunkt wird das Publikum dann, irgendwie zerstört, irgendwie glücklich, allein gelassen.
Galerien (by Thea Drexhage bs! 2017):