Gerade bevor die Autotune-Spielereien nerven können, werden die Kulissen der Bühne beiseite geschoben und enthüllen so die Live-Band. Bass, Schlagzeug und Gitarre brettern los. Und ab dann heißt es erst einmal: Punk Rock! Denn das kann die Antilopen Gang auch. So schwingen die drei den „Goldenen Presslufthammer“ und ihre Fans schwingen und singen und pogen mit, was das Zeug hält.
Freitagabend im Huxleys Neue Welt in Berlin: Der Solo-Rapper Juse Ju bestreitet das Vorprogramm, animiert mit seiner sympathischen Art und Hip Hop, der teilweise an die 90er-Jahre erinnert, zum Mitfeiern. Nach ihm betreten Danger Dan, Koljah und Panik Panzer fanfarenartig mit dem Intro von „Das trojanische Pferd“ die Bühne der ausverkauften Konzerthalle. Doch es bleibt lediglich beim bombastischen Anfang des Tracks ihres aktuellen Alltags „Anarchie und Alltag“, danach legen die drei Rapper mit ihrer Hymne „Die Kyngz sind back“ vom „Abwasser“-Mixtape los. „Stolze Hörner, stolze Hufen, Antilopen zerstör’n deine Zukunft, frag uns, ob wir die Kyngz sind“, rufen die MCs ins Publikum. Es schallt „Seid ihr die Kyngz?“ zurück, die Antilopen antworten: „Ja, wir sind es. Ja, wir sind’s“. Die Meute im Huxleys ist geknackt, die Party beginnt.
Schnell wird den ZuhörerInnen klar, die Jungs können das Hip-Hop-Feeling herüberbringen, sind waschechte Rapper – aber eben nicht nur. Dazu gesellt sich eine Punk-Attitüde, die sich live eben nicht nur verbal darstellt – wie die zitierte Slime-Weisheit „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ in „Outlaws“ beweist –, sondern auch musikalisch. Es sind die stärksten Momente während des Konzerts. Im Höhepunkt des Abends „Baggersee“ mit den Zeilen im Refrain „Atombombe auf Deutschland, dann ist Ruhe im Karton, komm wir bomben einen Krater und dann fluten wir das Loch“ wird das ganz deutlich. Das Publikum ist da eh nicht mehr zu halten. Es bildet sich eine Pogoschneise, Bierbecher – teilweise noch mit Inhalt – fliegen durch die Halle. Punk eben.
Doch mit einem Augenzwinkern stellt die Gang klar: Sie sind eben nicht nur anti, finden nicht alles scheiße. Ganz im Gegenteil: „Wir sind Botschafter der Liebe!“ Und so wird ein E-Klavier auf die Bühne geschleppt, Danger Dan streichelt zart die Tasten und es ertönt tatsächlich ein Liebeslied – oder so etwas Ähnliches. „Tindermatch“ heißt das Stück, in dem der vorbestrafte Pegida-Gründer Lutz Bachmann und der deutsche IS-Terrorist Dennis Cusbert zueinander finden. Danach bleibt Danger Dan an den Tasten und es tatsächlich etwas ruhiger, wenn auch nur musikalisch, denn der Text von „Enkeltrick“ ist bitterböse. „Das ist der Enkeltrick, wir nehmen deiner Oma ihre Rente weg, und aus politischen Gründen ist das okay, deine Oma hat sicher damals Hitler gewählt.“ Dazu erzählt Danger Dan eine hübsche Anekdote: Die Polizei habe sich bei der Gang gemeldet. Noch bevor diese ihr Anliegen schildern konnte, blockten die Antilopen ab: Sie waren’s nicht und sie verpfeifen keinen. Aber nein, die Polizei habe das Stück lizenzieren wollen, erzählt Danger Dan, wahrscheinlich, um damit vor dem Enkeltrick zu warnen. Doch die Antilopen Gang bleibt sich und ihren linksradikalen Idealen treu:
„Polizei kriegt keine Musik von uns.“
Nein, die Staatsmacht lieben sie nun wirklich nicht, dafür aber etwas anderes: Pizza, wie der gleichnamige Song beweist. Denn sie werde uns schließlich alle retten, verbindet die Menschen und „jeder Revolutionär braucht nur Pizza und Gewehr.“ Während der Stücke halten sich die drei allerdings mit expliziten Aussagen zurück, lediglich vor dem Stück „Beate Zschäpe hört U2“, mit dem sie vor rund zwei Jahren für viel Aufsehen sorgten, bitten sie das Publikum um den Mittelfinger für sogenannte besorgte Bürger und andere unangenehme Konsorten.
Die Antilopen Gang macht an diesem Abend nicht nur Party mit den Songs ihrer letzten beiden Alben „Aversion“ (2014), „Anarchie und Alltag“ (2017)“ und dem Mixtape „Abwasser“ (2015), sondern auch mit ihren Frühwerken, die sie veröffentlichte, bevor sie auf JKP, dem Label der Toten Hosen, landete und die auf ihrer Homepage www.antilopengang.de immer noch gratis heruntergeladen werden können.
„Fick die Uni“
..ist so ein Song, mit dem sich die Antilopen Gang nach rund anderthalb Stunden auch fulminant von ihrem Berliner Publikum verabschiedet.
Zum Schluss kommt sogar noch Gänsehaut-Stimmung auf. Das liegt aber nicht primär an der Antilopen Gang. Als Rausschmeißer läuft „Wir müssen hier raus!“ von Ton Steine Scherben vom Band und viele Konzertgänger, die wahrscheinlich Kleinkinder oder nicht einmal auf der Welt waren, als Rio Reiser, Sänger der Polit-Rocker, 1996 starb, singen den Refrain mit:
„Wir sind geboren, um frei zu sein, wir sind zwei von Millionen, wir sind nicht allein. Und wir werden es schaffen, wir werden es schaffen.“
Autor: Christian Schwarz
Galerien (by Nils Witte):
Links:
www.antilopengang.de
www.juseju.de