Es ist Donnerstagabend in Dresden: der Herbst ist endlich da, der Wind weht die Blätter von den Bäumen. In die hinterste Ecke vom Industriegebiet auf der Neustädter Seite strömen schwarz gekleidete Menschen zu Fuß und mit dem Rad oder suchen den letzten Parkplatz in der noch weiter entfernten hintersten Ecke. Was ist denn da los? Vor der Clublegende Tante Ju stapeln sich auch schon einige Fans, um heute Abend harte Riffs und starke Stimmen auf die Ohren zu bekommen: Annisokay laden ein auf ihre „Abyss Tour“ und haben sich Fixation aus Norwegen und die Band mit dem coolsten Namen überhaupt – Samurai Pizza Cats – eingeladen. Drei Mal eine fette Mischung aus Alternative, Hardcore, Metalcore und Metal. Gitarren satt.
Leise wird es heute Abend definitiv nicht und wer lieber schunkelt und schaukelt ist auf dem Pichlmännelfest eh besser aufgehoben. Heute wird alles rausgebrüllt und weggeschleudert, was man nicht braucht: Ärger, Frust, Liebeskummer, Nackenschmerzen, kalte Füße. Wenn der Wind beim Anmarsch die Frisur zerstört hat, ist sie durch sanftes Headbangen gleich wieder zu richten.
Auch wenn vor dem Club noch munter geschwatzt und die ein oder andere Zigarette geraucht wird, ist die Tante Ju schlagartig gefüllt als 19.30 Uhr die Norweger Fixation die Bühne entern. Die Vier reden auch erst gar nicht um den heißen Brei, sondern schreddern auch direkt los. Sänger Jonas W Hansen wirbelt stimmgewaltig über die Bretter während seine Bandkollegen Saiten, Trommeln und Snares bearbeiten. Nebenbei macht er noch Moves und schleudert das Mikrofonkabel durch die Luft als wäre es seine Morgenroutine. Dem jungen Publikum fällt es keineswegs schwer sich hier sofort warm zu grooven und einzustimmen, tanzt und klatscht wohlwollend los. Die halbe Stunde Spielzeit ist leider ganz schnell vorbei, aber der Abend hat ja noch einiges vor sich!
Pünktlich um 20.15 Uhr zur Primetime kommen die Samurai Pizza Cats im TV.. halt…auf die Bühne! Die Band aus Catstrop..ähm…Castrop-Rauxel verdankt ihren Namen der japanischen Fernsehserie aus den 1990ern. Und auch die Vier verlieren keine große Zeit mit Aufwärmübungen oder langen Intros, sondern legen direkt los und knallen die Riffs vor den Latz. Sänger Sebastian Fischer sucht direkt den Kontakt zum Publikum und gibt die ersten gemeinsamen Tanzrunden in Auftrag. Auch das kollektive Hinsetzen und Aufspringen klappen bereits hervorragend – das Dresdner Publikum hat sich an dieser Stelle schon eine Eins für Mitarbeit und Fleiß verdient. Aber auch die frechen Pizzakatzen dürfen nicht ewig, der eigentliche Hauptact steht ja noch aus.
Nach einem gefühlt ewig andauernden Loop aus Eminem-Songs schmettert geht es dann kurz vor halb zehn endlich „in den Abgrund“… Die Lichter gehen aus, es vernebelt sich…
Into The Abyss!
Dann wummert das Intro von Annisokay dermaßen durch die Boxen, dass die Bretter der Bühne anfangen zu tanzen und abgestellte Flaschen umfallen. Im Hintergrund leuchten vier LED Displays auf, der Saal umhüllt sich mit lila Licht, endlich kommen Rudi Schwarzer (Shouts), Christoph Wieczorek (E-Gitarre, Cleangesang), Peter Leukhardt (E-Bass) und Nico Vaeen (Schlagzeug) auf die Bühne. Dresden wird laut, so richtig laut. Im Graben fliegen Haare durch die Gegend und streifen die Köpfe der Fotografen. Wer denkt, das Dresden zuvor gut drauf war, hat zwar recht, dem entgeht aber an dieser Stelle die Steigerung in den Superlativ.
Nachdem Annisokay krankheitsbedingt nicht nur den Tourstart, sondern auch die darauffolgenden Konzerte verschieben mussten, bereitet Dresden der Band einen verdienten Empfang. Was länge wärt, wird eben geil! Zum Glück sind die Stimmen wieder da, nur das Hirn noch nicht ganz, scherzt Gitarrist und Sänger Christoph. Aber bei Textschwierigkeiten kann er blind seinem überglücklichem Publikum vertrauen, das voller Inbrunst jede Zeile mit hundertprozentiger Sicherheit mitsingen und shouten kann.
At the throne of the sunset, we all fall to our knees
As the light fades to darkness, our fate is what we believe
Mit fortstreitender Stunde kommen die Fans nicht nur in den Genuss der brandneuen Stücke von der aktuelle EP („Throne Of The Sunset“ oder „Human„), sondern auch mit den klassisch-düsteren Gassenhauern wie „Like A Parasite„. Dabei fällt der Sauerstoffanteil von Minute zu Minute, die Tante Ju ist am Kochen. Ein Minipäuschen zum Verschnaufen sollte nach Ansage „Good Stories“ bringen, das hat aber im Nachhinein wirklich nicht funktioniert. Wenn Dresden einmal am Ausrasten ist, dann rostet es eben nicht wieder ein. Neben wunderschön anzusehenden Moshpits und Wall Of Deaths bereiten sich die Fans aufs letzte Drittel Crowdsurfing Extreme vor, um den Securities eine Runde extra Workout zu bescheren.
Bei „Friend Or Enemy“ beweisen die Fans auch wieder, wie schön brav sie sitzen können. Da der Altersdurchschnitt heute Abend noch bei um die 30 liegt, knackt es auch kaum als die 600 Menschen in die Luft springen. Ein Konzert von Annisokay ist somit nicht nur gut für die Seele, sondern auch für die Fitness.
Leider, leider vergeht die Zeit mit Annisokay viel zu schnell. Doch bei den letzten drei Liedern geben Band und Fans noch einmal alles und drehen dabei eine Stufe höher. Wer sich bis dato den Graben noch nicht von drin angeschaut hat und die Luft beim Surfen geschnuppert hat, versucht es jetzt noch einmal. Das fulminante „STFU“ zum großen Finale hinterlässt nicht nur eine zufriedene Band, sondern auch jede Menge klatschnasse und heisere Fans, die unendlich glücklich sind.
Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2023):
- Annisokay (05.10.2023, Dresden)
- Samurai Pizza Cats (05.10.2023, Dresden)
- Fixation (05.10.2023, Dresden)
Setlist Annisokay:
- The Abyss
- Throne Of The Sunset
- What’s Wrong
- Ultraviolet
- Bonfire Of The Millennials
- Like A Parasite
- Good Stories
- Fully Automatic
- Human
- Friend Or Enemy
- Face The Facts
- The Tragedy
- Unaware
- Under Your Tattoos
- Coma Blue
Encore: - Calamity
- STFU