AnnenMayKantereit läuten das letzte Open Air Wochenende in Dresden ein – es wird das bis dato größte Konzert ihrer Bandgeschichte sein. Reichlich 40.000 Menschen haben sich an diesem regnerischen Freitagabend in der Flutrinne versammelt, um im bunten Regenponcho, mit Regenschirmen oder auch ganz provokant-mutig „oben ohne“ ihre musikalischen Helden zu feiern.
Doch bevor es Zeit für die Band, die scheinbar nicht altert, sind zum Aufwärmen „My Ugly Clementine“ bereit, die gigantische Bühne der Flutrinne einzunehmen. Die Wiener Band mit 100-%iger Frauenquote (exkl. einem Live-Drummer) muss sich mit dem Platz am vorderen Bühnenrand zufrieden geben, aber das stört die drei Energiebündel keineswegs. Beim Anblick der Band sieht man sofort, dass ihnen Musik durch die Adern fließt. Stillstehen ist ganz schwierig, exzessiv zu tanzen und dabei in die Saiten hauen sind kein Problem. Einen gewaltigen Seitenhieb gibt es außerdem noch mit ihrem Song „No“ und „F*ck Rammstein“ für Herrn Lindemann.
Kurz nach 20 Uhr nehmen dann Christoper Annen, Hennig May, Severin Kantereit und Neu-Bassistin Sophie Chassée ohne viel Tamm-Tamm die Bühne ein und ziehen sofort 40.000 Seelen in ihren Bann. Ohne großes Bühnenbild, Effekte, Outfits oder Chichi. Aber mit ganz viel Gefühl. Und das ist es wahrscheinlich auch, was die fast ausschließlich jungen anwesenden Menschen an AnnenMayKantereit so lieben. Die Band steht für ehrliche und mitreißenden Texte, die auch dank der wahnsinnig tiefen und beeindruckenden Stimme von Hennig May einfach unter die Haut gehen. Ob nun mit „Wohin du gehst„, „Du tust mir nie mehr weh“ oder auch „Vielleicht Vielleicht“ das Dresdner Publikum wuppt und singt klatschnass, aber glücklich zu allen Lieder auf ab und ab oder tanzt sich in Ekstase.
Es tut mir leid Pocahontas
Ich hoffe, du weißt das
Zu Beginn gibt’s auch schon „Pocahontas“ um die Ohren und spätestens hier hat die, durch Regen und Nässe abgesunkene, Körpertemperatur durch Bewegung und positiven Emotionen wieder an Fahrt aufgenommen. In der zweiten Hälfte des Konzerts verkündet Hennig, dass sie sich auf der Bühne vergrößern und viel viel mehr Leute auf Tour werden wollen. So landet ein kleines Orchester aus Streichern und Bläsern bei der Band, das die Lieder von AnnenMayKantereit gekonnt unterstreicht. „Unterstreicheln“ würde es auch passend treffen, denn tatsächlich untermalen die klassischen Instrumente ganz wunderbar die pop-rockigen Arrangements. Mit dieser neuen Dynamik wirkt die Band gleich erwachsener, aber keine Sorge. Ein großer Teil der anwesenden Fans ist immer noch jünger als Jahrgang 1995. Nach einer von der Band aus gestarteten Publikumsumfrage nach dem Geburtsjahr der hier anwesenden Fans stehen die „Alten“ übrigens vermehrt im hinteren Bereich der Flutrinne und scherzen bei der Frage „Na einer muss es ja auch bezahlen„.
Es fällt mir nicht leicht ruhiger zu werden
Mir geht so viel auf die Nerven
Aber auch das Orchester ist nicht in Einheitsbrei gekleidet, sondern alle sehen so aus als wären sie nur da, um gemeinsam Musik zu machen. Thematisch bewegen sich Band und Fans weiter zwischen Liebe, dem Erwachsenwerden, Sehnsucht sowie der eigenen Identität und das Leben an sich. Die Frage, ob heute die größere Verwunderung bei der Band an diesem Abend liegt, die vor so unfassbar vielen glücklichen Menschen steht oder beim Publikum, die ihre Band endlich live sehen und mit fiebern kann, lässt sich nicht beantworten und das muss sie auch gar nicht.
Du und ich, wir war’n mal wir. Und sind jetzt nichts
Du da, ich hier
Im Laufe des Abends nimmt der hinterlistige Regen wieder Abstand und zieht weiter. Im Zugabeblock lassen Fans und Bands dann gemeinsam nochmal alles raus, was einen berührt. Um 22 Uhr ist dieser unfassbar schöne Konzertabend voll mit Emotionen dann vorbei. Möge die schöne Erinnerung daran länger halten als der Nachhausegehmoment in der übervollen Straßenbahn.
Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2023)
Setlist AnnenMayKantereit
- Wohin Du gehst
- Nur wegen dir
- Lass es kreisen
- Pocahontas
- Marie
- Es ist Abend
- Du tust mir nie mehr weh
- Du bist anders
- Vielleicht Vielleicht
- Gegenwart
- Oft gefragt
- Ozean
- Als ich ein Kind war
- Jenny Jenny
- 21, 22, 23
- 3 Tage am Meer
- Ich geh heut nicht mehr tanzen
Encore: - Barfuß am Klavier
- Tommi
- Ausgehen
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