Review: Die schon wieder – Adam Angst (21.02.2024, Bremen)

Bald haben Adam Angst ihre Bremen-Stempelkarte voll. Noch ein Besuch in der Stadt und es gibt einen Stadtmusikantenschlüsselanhänger gratis.  Zuletzt noch im Handgepäck der Donots im Pier2, dieses Mal als Headliner im schönen Schlachthof. Mehr Zeit für alten Kram, mehr Zeit für Zwist…ähh…Twist.

Shoreline (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Offiziell ist das Konzert noch nicht ausverkauft, als sich die Schlange vorm Eingang bildet, aber spätestens bei den ersten Tönen vom Support Shoreline merkt man doch, dass es muckelig werden wird. Die Band aus Münster steht an diesem Abend nur zwei Tage vor Veröffentlichung ihres dritten Albums To Figure Out, sodass neben den Songs der beiden starken Vorgängeralben Growth und Eat My Soul auch neues Material gespielt wird. Erstaunlich hoch ist an diesem Abend der Altersdurchschnitt im Publikum. Während sich auf der kleinen Tanzfläche das Jungvolk sammelt und relativ gut bei Stimmung ist, bleibt die Ü-40 Generation lieber auf den Stufen sitzen, spart die Energie für Adam Angst und klatscht nach jedem Song höflich. Schade eigentlich, denn Shoreline hätten durchaus mehr Euphorie verdient. Die vier spielen wirklich fantastisch. Und zu sagen haben sie auch was. Themen, die eine junge Generation beschäftigen. Themen wie anti-asiatischen-Rassismus die gerade in dieser vermeintlich offenen Szene nur selten zur Sprache gebracht werden.

Can you figure out
How to get rid of the wish
to be someone else?
You gotta light it up
gotta burn it down
I will find my peace
where it’s not allowed

Shoreline (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)<

Nach ner knackigen halben Stunde ist Schluss. Der Zulauf am Merch zeigt jedoch, dass die Band sich durchaus selbst einmal für eine Headlinershow in Bremen blicken lassen – dann fehlt auch nicht mehr viel, bis zum Schlüsselanhänger!

Umbaupause. Hektisches schleppen und Kabelzurren. Wir haben doch schließlich keine Zeit. Das Karussell wird in Bewegung gesetzt – Angst. Die Menschen auf den Treppen erheben sich. Entgegen dem vorangegangenen Instagram-Post haben Adam Angst tatsächlich sowas wie gute Laune. Schon der zweite Song Punk zündet wie er soll. Auf der Tanzfläche wird’s ungemütlich, das Moshpit dominiert betrunken männlich, aber es gibt ja genug Rückzugsraum.

Adam Angst (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Schönfuss und seine Schergen fantasieren von Mord bevor sie sich mit Wir werden alle sterben der eigenen Endlichkeit bewusst werden. Das Set rast nur so vorbei. Das neue Material wirkt zwischen den früheren Songs stellenweise befremdlich. Zu Mord kann man nur schlecht pogen, aber Schunkeln geht, ähnlich wie beim vorangegangenen Flipper-Einspieler doch ganz gut. Die Lösung für deine Probleme sticht dabei aus dem neuen Material hervor und wirkt durch die alleinige Darbietung am Klavier noch eindrücklicher als auf der Platte. Mit Mindset wird der Hauptteil der Show beendet und egal wie ironisch die Nummer gemeint ist, insgesamt sind alle erleichtert, dass die Band sich keine dämliche Choreo dafür ausgedacht hat – bisher.

Zugabenblock

Adam Angst (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Felix Schönfuss kommt allein mit Smartphone zurück auf die Bühne und stellt sich scrollend vor’s Mikro wie ein abgeschlagener Banker. Das Publikum konnte via Instagram für die Zugabe „D“ oder „H“ abstimmen und die Auswertung steht bevor. Das ist gelebte Demokratie. Das hinter beiden Buchstaben der gleiche Song stecken könnte – Eine Verschwörungstheorie. Und so reihen sich Adam Angst ein in den Reigen der Bands, die Schrei nach Liebe besser spielen können als die Ärzte. Der Schlachthof tobt. Mit so einer Aktion könnten sie auch locker die offiziellen Thronfolger des Berliner Trios werden. Splitter und Granaten, Die Professoren, Putzlicht. Das war’s. Noch einmal alles gegeben und dann ist Feierabend. Insgesamt ne runde Nummer. Gerne die Stempelkarte voll machen.

Bis zum nächsten Mal.

Adam Angst (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2024)

Setlist Adam Angst:

Adam Angst (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)
  1. Angst
  2. Punk
  3. Alphatier
  4. Am Ende geht es immer nur um Geld
  5. Alexa
  6. Mord
  7. Wir werden alle sterben
  8. Die Lösung für deine Probleme
  9. Ja Ja, ich weiß
  10.  Was der Teufel sagt
  11.  Wir sind zusammen
  12.  Unter meinem Fenster
  13.  Wunderbar
  14.   Alle sprechen Deutsch
  15.  Mindset
    Encore:
  16.  Schrei nach Liebe (DÄ-Cover)
  17.  Splitter von Granaten
  18.  Professoren

Links:
Adam Angst
Shoreline

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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