Eins möchten wir vorab sagen: die Festivalsaison schafft auch uns ganz schön - so ist es auch genau dieser geschuldet, dass ihr hier heute noch keine Band-Fotos bewundern könnt. Diese pflegen wir aber noch mit ein - hier vorab also schon einmal unser Eindruck vom Wacken 2015 in Wort und wenigen Bildern.
Im Jahr 2015 standen die Sterne nicht sehr gut für einige Festivals. Das Rockharz mit sehr erschwerter Anreise entwickelte sich dann zum Glück doch in ein tolles Erlebnis. Doch was in Wacken geschah, war einfach unglaublich. Tagelang anhaltender Starkregen in den Tagen vor dem Festival brachten die neue Investition – Regenrinnen, die den Abluss des Wasser erleichtern sollten, von mehreren Hunderttausend Euro – bis weit über ihre Grenzen. Dies sorgte für ein komplett aufgeweichtes Gelände. Viele von nah bis weit Angereiste sahen sich erschwerten Camping- und Festivalbedingungen gegenüber.
Selbst am ersten Tag des Festivals, dem Mittwoch fielen noch bis zu 30 Liter pro Quadratmeter und schnell hatten sich die Anfahrtswege der Zeltplätze, sowie das Festivalgelände in ein Schlamm-Moor verwandelt. Wer bereits Bilder in den Medien gesehen hatte, dem sei gesagt: es war noch viel extremer. Eine Hiobsbotschaft jagte die nächste und die Veranstalter sahen sich gezwungen die Festivalbesucher zu bitten, später anzureisen und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Viele Notlösungen wurden geschaffen wie der kostenlose Shuttlebus oder neue Zeltplätze, doch diese erwiesen sich leider nur als Tropfen auf den heißen Stein. Doch dies trübte einem hartgesottenen Metalfan nicht die Laune und fröhlich startete die stellenweise bis weit über die Knöchel reichende Schlammschlacht mit kleineren Bands wie „Grail Knights“ aus Hannover bis hin zu Größen wie „New Model Army“ oder „Europe“. Ja, das Wacken Open Air begann dieses Mal bereits am Mittwoch mit Bands, die zur Night To Remember gehören, die in der Vergangenheit donnerstags statt fand. Schade für den hart arbeitenden Teil der Bevölkerung, der es schwer hatte überhaupt schon am Donnerstag frei zu bekommen oder dem vielleicht die sowieso schon geringen Urlaubstage zu schade waren, um fast eine ganze Woche für ein Festival frei nehmen zu müssen. Diese waren gezwungen „The Final Countdown“ zu Hause oder im Büro zu feiern und durften sich über eine schwere Anreise am Donnerstag freuen.
Wer es schaffte und bis 16Uhr das Infield am Donnerstag erreichte, konnte U.D.O. und – wie sollte es anders sein – dem Bundeswehrorchester beiwohnen. Wie immer gab das Orchester den offiziellen Startschuss zum Festival auf der Black Stage auch wenn bereits einige Größen am Mittwoch aufgetreten waren. Ein instrumentales Intro des 90er Jahre Filmklassikers „Das Boot“, sehr passend zu der Unterwasserstimmung der Vortage, ging über in „Animal House“ und es folgte eine gut gemischte Setlist. Wir persönlich konnten dies leider nur aus der Ferne erleben, denn parken und campen war nicht mehr möglich im VIP Bereich… wir hatten unser Glück dort versucht, denn wir dachten zumindest da wäre es noch befahrbar. Doch dies erwies sich als Trugschluss. Nach der Anweisung der wirklich netten und ausdauernden Securities „Fahrt auf den Edeka-Parktplatz und wartet ab…“ (worauf denn bitte – auf ein plötzliches Erscheinen der Sonne, die laserartig alles trocknen würde?) und 2x im Kreis fahren, entschieden wir uns für einen Parkplatz im Wald. Idyllisch gelegen, wo Fuchs und Hase sich „Gute Nacht“ sagten und siehe da: wir waren nicht die ersten, die sich dieses nette Fleckchen auserkoren hatten. In ihrer Verzweiflung fingen schon 2 Besucher an wild zu campen, doch zum Glück nahm dies nicht überhand und offensichtlich waren sie auch geduldet, da die Zelte bis Samstag da standen. Weiter ging es zum VIP Shuttle, um zumindest noch „In Extremo“ oder „Rob Zombie“ zu erblicken. Erstere hatten schon längst ihre Dudelsäcke im Anschlag, wie man unschwer bis zum Wald-Parkplatz hören konnte. Doch auch beim VIP Shuttle konnte keiner sagen wann der Bus fahren würde. Nach 30-45 Min Wartezeit trudelte er ein. Super, dann konnte es ja maximal 10 Min dauern, denn der Shuttle sollte in unmittelbarer Nähe der Bühnen halten – laut Plan. Doch er fuhr schnurstracks daran vorbei an das andere Ende des Geländes und Fotografen durften sich mit ihren riesigen, schweren Kameras und Zubehör durch den Matsch kämpfen. Denn es stimmte was in den Tagen vorab prophezeit wurde: braune Pampe wohin das Auge blickte. Überall knöcheltief, stellenweise fast bis zu den Knien. Das Erkunden nicht nur des Infields sondern auch der Weg vom Einlass zum Infield wurde zur sportlichen Herausforderung.
An und für sich kein Problem, doch es gingen wieder wertvolle Minuten drauf. „Rob Zombie“ war bereits am Zuge und die Einlasskontrollen beim regulären Eingang vereinfachten das Vorankommen im sowieso schon hinderlichen Matsch auch nicht. Hier wurden meine edlen Handschuhe mit 5 MILLIMETER Rundnieten schärfstens ins Auge genommen (wohlgemerkt: bis zu 1 CM war angeblich erlaubt). Nachdem ich als zierliches Mädchen auch noch eine Faust vor dem Securitychef machen sollte, um die Gefahr, die von meiner „nieten“-gespickten schmächtigen Mäusefaust ausging zu demonstrieren und ich ein ungläubiges Lachen ausstieß, wurde mit einem schweren Seufzer ein Auge zugedrückt und ich durfte passieren. Aber nicht bevor ich nicht noch einmal festgehalten wurde, da mein Photo-Wristband übersehen wurde, vor lauter ablenkenden und brutal aussehenden Schläger-Handschuhen.
Endlich durch, spielte „Rob Zombie“ gerade seinen Hit „Dragula“ und damit war klar, dass die Show so gut wie zu Ende war. Der verpasste Auftritt versetzte meiner Laune einen gehörigen Dämpfer. Doch die WOA Besucher schienen guter Dinge zu sein. Alle Regenstiefel auf dem Gelände waren ausverkauft. Vor einem Stand türmten sich verloren gegangene Turnschuhe in der einheitlichen Trendfarbe der Saison „Matschbraun“ unter einem selbstgebastelten R.I.P. Schild aus Pappe. Alle machten das Beste daraus und das hob auch nach und nach ein wenig meine Stimmung.
Auf dem Weg zur Wet Stage ließ man am besten ein paar Unbekannte vorgehen und durch den See, der sich gebildet hatte, waten. Denn erwischte man eine falsche Stelle konnte es durchaus passieren, dass man bis zum Knie versank. Eine große Menschentraube drängte sich vor den Eingang zur Wet Stage. Merkwürdig, soooo viele Fans konnten „Combichrist“ nun auch nicht haben, oder? Als wir an den ratlos wirkenden Securities vorbei kamen löste sich das Rätsel: die rausströmenden Massen wurden von den reinströmenden blockiert. Quasi fast eine Wall Of Death am Ein-/Ausgang. Schwierige Lage, doch „Combichrist“ ließen das Tohuwabohu mit einem hochwertigen Auftritt schnell vergessen.
Und für ein Highlight des Donnerstags sorgten „Savatage“ und das „Transsiberian Orchestra“, die zum ersten mal in der Geschichte des Wacken Open Airs zusammen und dabei noch die Black Stage und True Metal Stage zeitgleich bespielten. Wirklich ein Fest der Sinne… wenn man die Musik mag. Ab 23 Uhr kam dann der Höhepunkt: das Transsiberian Orchestra auf der True Metal Stage sowie Savatage auf der Black Stage begannen ein knapp einstündiges Set mit parallel performten Songs zu präsentieren – und auch an Pyroeffekten mangelte es nicht. Diese Auftritte waren wirklich etwas Einmaliges.
So neigte sich der Tag dem Ende zu, die Füße eiskalt trotz Doppelschicht Socken, aber Gummistiefel sind nun mal nicht das wärmste Schuhwerk. Zurück beim Natur-Parkplatz stellte sich heraus: auch um 2 Uhr nachts hatte sich nichts geändert – also wie lange hätten wir denn bitteschön auf dem Edeka Parkplatz warten sollen…? Aber nichts für ungut, die Securities waren eben auch überfordert und nicht für alles zuständig. Somit nahmen wir einen Heimweg nach Hamburg auf uns, denn auf im Auto schlafen waren wir nicht eingestellt, das kleine Ding war bis obenhin vollgestopft und bot keinen Platz zum schlafen. Zum Glück hatte zumindest einer von uns in weiser Voraussicht nichts getrunken.
Der Freitag startete schon mal besser – zumindest für Spätaufsteher oder aus Hamburg Anreisende. Es blitzte sogar ab und zu etwas blauer Himmel und Sonnenschein durch. Allerdings verwandelte dies die donnerstags noch schmierig-flüssige Konsistenz des Ackers in eine zähe Klebemasse. Beine-Po-Workout deluxe – Rambazamba oder Zumba oder wie es auch immer heißt ein Scheiß dagegen!
Trotzdem schleppte man sich mit etlichen Fans zwischen den Bühnen hin und her um „Dream Theater“, „In Flames“ oder „Running Wild“ zu gucken. Doch viel interessanter als die Bands waren in diesem Jahr definitiv die Festivalbesucher, das Geschehen und der Umgang mit den wetterbedingten Umständen. Statt mieser Laune schien es als feierten die Leute umso mehr. Besonders zu „In Flames“ kam einem der Platz overcrowded vor. Es sollte ja auch der Headliner sein und diesem Titel wurde die Band gerecht. Auch wenn wir kleinen Mädels nicht ganz so viel sahen, wie wir uns gewünscht hätten. Die Setlist begann mit Konfettikanone (das entging uns nicht) und „Only For The Weak“. Die Menge war guter Dinge und eine gemischte Setlist von „Deliver Us“ über „Drifter“ bis hin zu „My Sweet Shadow“ hielt die Stimmung auf dem Siedepunkt. Dann musste man sich zwischen „Running Wild“ auf der Black Stage und „Ill Nino“ auf der Headbangers entscheiden. Wohl wahr, so ähnlich sind sich die Bands nicht, aber mir fiel die Entscheidung trotzdem schwer. Es siegten „Ill Nino“ und die Band sorgte dafür, dass ich meinen Entschluss nicht bereute. Ein vollgepackter Bullhead City Circus, geladene Stimmung und eine hitgeladene Setlist. Der Sound manchmal leider ein wenig zu dröhnend, aber doch eine mitreißende Band, die unermüdlich auf der Bühne rockte.
Doch „Running Wild“ spielten ja lange genug, so dass man sich mit ein wenig Eile noch ein gutes Stück der Show ansehen konnte. Überraschend gut und mit Freude am Spiel zeigten sich Rock `n` Rolf und seine Crew. Die Qualität war um einiges besser als im Jahre 2009 und nach den Zugaben „Bloody Island“ und „Little Big Horn“ hatte ich gedanklich den Hut gezogen.
Für großes Amüsement sorgten Samstag „Powerwolf“. Gerne feierte man mit dem stets humorvollen und sympathischen Frontmann Attila eine „Metal-Messe“. Die Band bewies einmal mehr, dass sie seit einiger Zeit zu Recht auf einer Erfolgswelle surfen. Die Show machte einfach Spaß und bei dem Wetter stieg die Feierlaune noch einmal ordentlich an. Qualitativ wie immer hoch angesiedelt ließ die viel zu früh statt findende Show die Vorfreude auf die Tour im Herbst wachsen.
So angeheizt ging es mit „Amorphis“ weiter. Auch dieser Frontmann stets gut gelaunt, präsentierte sämtliche Stücke des „Tales From The Thousand Lakes“ Album, aber auch Songs von „Elegy“ durften nicht fehlen. Für Fans des ersteren Albums ein Fest für alle anderen vielleicht weniger, dennoch überzeugte der Auftritt durch die Bank. Die Finnen zeigten, was in ihnen steckt und machten ihre Akustikshow von letztem Jahr wieder gut, die mir persönlich nicht so zugesagt hatte.
Zu „Sabaton“ um 20:30 Uhr füllte sich das Gelände. Es schien als wolle jeder den Power-Metal der Schweden hören, schließlich waren sie auch Headliner. So starteten sie gleich mit „Ghost Division“ und „To Hell And Back“ durch und überzeugten von der ersten Minute an in voller Länge… leider etwas leise, das änderte sich leider auch nicht, als einige Zuschauer „Lauter!“ riefen. Zwei Panzer sind Hauptbestandteil des Bühnenbildes und nachdem sich auch der Sound gebessert hatte ging es richtig rund mit „Carolus Rex“, „Gott Mit Uns“ oder „Primo Victoria“ und „Metal Crüe“ in der Zugabe. „Sabaton“ wurden ihrem vorauseilenden Ruf gerecht und bewiesen, dass sie den Headlinerposten verdient hatten.
Eine grandiose Show jagte die nächste und „Judas Priest“ setzen noch einen auf „Sabaton“ drauf. Nach kurzen Soundproblemen (auch hier war es wieder zu leise) legten Priest knappe zwei Stunden bei brilliantem Sound hin. Hits wie „Dragonaut“ an erster Stelle der Setlist, „Breaking The Law“, „Turbo Lover“ und natürlich der obligatorische „Painkiller“ durften nicht fehlen. Der reine Wahnsinn! Ich habe mir sagen lassen, die Shows von Priest seien nicht immer gut, aber in diesem Jahr war dies gleich das zweite Mal, dass sie mich auch den Latschen hauten. Privat fand „Judas Priest“ bislang eigentlich nie den Weg in die Playlist, doch der Liveauftritt überzeugte in allen Bereichen und die Playlist wird beim nächsten Mal erweitert.
Und dann hieß es Gas geben – nicht im alkoholischen, sondern im geografischen Bereich – denn nach der „Judas Priest“ Show blieben kaum 15 Minuten, um einen guten Platz für „Cradle Of Filth“ auf der Black Stage zu ergattern. Aber dank Workout am Vortag gelang auch dies. Dani Filth in Höchstform bei vollem Einsatz seiner gesamten Stimmgewalt. Geschmackssache, aber für Liebhaber ein Genuss. Zwar wurde die Menge schon ein wenig übersichtlicher, doch hatten sich noch mehr als genug Fans eingefunden, um den Briten zu huldigen. Schade nur, dass die weiblichen Gesangsparts untergingen. Trotzdem schafften Cradle einmal mehr eine düster-schöne Atmosphäre und ließen gekonnt den letzten Wacken Tag auf der Black Stage ausklingen.
So ging das Wacken Open Air 2015 seinem Ende entgegen. Es war ein durchwachsenes Erlebnis, es wurde natürlich viel gemeckert aber es überwog doch die gute Stimmung. Mit dem Motto „Das Beste draus machen“ fuhren die Festivalbesucher gut. Denn bei diesen extremen Zuständen – muss man zugeben – sind auch einem langjährigen Festival-Organisator die Hände gebunden. Natürlich hätte man das ein oder andere vorbeugend einrichten können, aber wie heißt es so schön „hätte hätte, Fahrradkette…“. Und das Wacken war auch in diesem Jahr wie immer das, was die Fans daraus machten und somit im Großen und Ganzen ein positives Event. In meinen Augen sind viele Neuerungen und Verschärfungen im Securitybereich eher lästig und werden mich wahrscheinlich immer mehr fern halten, doch wenn man im Nachhinein darüber nachdenkt ist klar, dass ein Festival dieser Größenordnung eben verschärfte Maßnahmen benötigt. Zwar gab es meines Erachtens noch keine Gründe dafür, doch schließlich muss ja nicht immer erst etwas passieren.
Wir sind gespannt auf das nächste Jahr, die Tickets sind ja mal wieder bereits ausverkauft. Komme was wolle: das Wacken Open Air wird auch 2016 wieder rocken und für Furore sorgen.
Danke für Rene Honning für seine Wet-WOA Impressionen 😉
Links: