Bei der Namengebung dieses Festivals hat jemand viel Fantasie und Wortwitz bewiesen. Warum ein Freiluft-Festival nicht Open R nennen. Grandios. Drei Tage werden in der Almased-Arena die unterschiedlichsten Musikrichtungen präsentiert. Und immer spielt das R eine Rolle. Am Freitag gibt es Rock´n´Roll mit den Broilers, Sondaschule, Madsen, Montreal u.a. Der Samstag gehört dem Radio-Pop mit den üblichen Verdächtigen (Johannes Oerding, Nico Santos, Joris u.a.) und den Abschluss am Sonntag macht der Roland. Kaiser Roland. Ein vielfältiges, ansprechendes Line-Up. Für jeden was dabei.
Aber wie bringt man so ein Festival auf den Punkt? Welche Überschrift könnte mensch dem Festival geben. Ansätze ergeben sich aus Ansagen: „Wo bleibt der Kaiser?“ Ja, vielleicht, geht aber besser. „Ist da jemand?“ Ja, 8000 Fans sind da. Oder „Keine Hymnen heute“ (irgendwie negativ). „Dumm aber glücklich“ (aus dem Zusammenhang gerissen und irgendwie noch negativer). Besser als Überschrift ist da schon „Lass die Musik an“ oder noch passender „Die Beste aller Zeiten“. Das ist schon ganz ordentlich, aber zunächst steht hier als Platzhalter:
Hier kann auch eine andere Überschrift stehen
Den Open(e)r beim Open R macht eine Band, die schon alles erreicht hat, zumindest namenstechnisch. Eine Band Kultstatus zu nennen, ist genial. Bereits seit 2016 rocken die Uelzener durch die Republik. Auf kleineren Festivals, Open Airs, Stadtfesten usw. haben sie Ihre Fans schon begeistert und das ist bei ihrem Heimspiel heute nicht anders. Songs wie „Hals über Kopf“, „Für euch“: „Kein Weg zurück“ oder die Uelzen-Hymne „Diese Stadt“ sind ehrlich, rockig, gut anzuhören. Weiter so.
Das Montreal niemals Kultstatus erreichen werden, ist sowas von klar. Das wollen die Jungs aus Hamburg auch gar nicht. Yonas , Hirsch und Max Power wollen Spass haben und Spass verbreiten. Das können sie und deswegen sind sie hier. Mit “Sommer ’96”, “Kino?!” oder “Idioten der Saison” treffen sie ins deutsche Punkerherz.
“Katharine, Katharine”, das Steinwolke-Cover, geht sowieso immer und ist besser als das Original. “. Max Power hat sein eigenes Lied. War ja klar. Dass Stars bei anderen Stars mal einen Gastauftritt hinlegen kommt öfter vor (Springsteen bei Mc Cartney oder umgekehrt?). Hier ersetzt der Madsen Drummer Sascha den Power Max. Das hat Stil. Die Bands sind befreundet: “Endlich wieder Discozeit”. Das wünschen sich alle. Hier wird sie geliefert.
Sondaschule sind gefühlt die Tagessieger. Sie haben die Pandemiezeit genutzt, um ungestört ein neues Album zu schreiben. Und „Unbesiegbar“ ist richtig gut geworden.
Sänger Costa Cannabis, eigentlich heißt der Tim Kleinrensing (klingt wahrscheinlich zu brav) und seine Mitschüler verwandeln die Almased-Arena in eine riesige Tanzfläche. Wo mensch hinschaut, nur lachende Leute.
Ihr Ska-Punk macht einfach gute Laune, geht über die Ohren direkt in die Beine und schon wippen die Leute los. Stopp, die Musik geht übers Ohr noch zum Hirn und dann direkt in die Beine. Warum der Umweg über das Hirn? Weil die Texte mit Herz, Gefühl und viel Authentizität geschrieben wurden. Mal ironisch, mal nur lustig, mal mit Gefühl, mal total kritisch. „Gute Zeiten“, „Arschlochmensch“, „Für immer nie nüchtern“ oder „Dumm, aber glücklich“ sind durchaus Uni-Niveau. Zum Schluss noch „Bist du glücklich?“ 8000 Fans sind es. Sehr sogar. Nach dem Gig kommt vom Band „Time of my Life“ aus Dirty Dancing. Die Leute tanzen einfach weiter.
Wir stehen auf und rennen los
ohne zuu wissen ob die Richtung stimmt
Wir tun nur das was wir immer schon mal wollten
leben den Traum bauen Schlösser in die Wolken
Wer mit dem Fahrrad mal durch das Wendland geradelt ist erlebt viel Gegend, sehr viel schöne Gegend. Problem: es gibt keine Restaurants, Kneipen, Kulturstätten, wo mensch mal gemütlich zusammensitzen kann. Auf Deutsch: keine Angebote für die Menschen, hier speziell die Jugend.
Unter Umständen haben die Madsen-Brüder das auch so empfunden und sich gedacht: Wir müssen hier raus. Der Plan Band gründen und berühmt werden hat geklappt und Madsen erlangt immer mehr Kultstatus. Warum? Weil sie gut sind. Weil auch sie in Ihrem Rock-, Punk- und Pop-Mix gute Lieder schreiben.
Lieder mit Tiefgang und Wiedererkennungswert. „Mit dem Moped nach Madrid“, „Na gut dann nicht“, „Die Perfektion“, „Du schreibst Geschichte“ führen irgendwann zum Überschriften-Kandidaten „Lass die Musik an“. Dem kann mensch nur zustimmen.
Immer und immer wieder.
Wenn der Sänger einer Punk-, Ska-Punk, Streetpunk-Band in einer Talksendung (Riverboat) des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auftritt, ist dieser Sänger dann sowas wie etabliert, spießig, irgendwie die Musikrichtung verratend? Sammy Amara von den Broilers hat das gemacht und die Antwort auf die Frage lauet: „Nein“. Warum sollte er das nicht machen? Der Mann kann sich nicht nur super ausdrücken, der hat auch was in der Birne und kommt super sympathisch rüber.
All dies vermittelt er auch als Frontmann der Broilers, dem Headliner des Abends. Wegen Sammy Amra, Gitarrist Ronald „Ron“ Hübner, Drummer Andreas „Andi“ Brügge, Keyboarder Christian „Chris” Kubczak und der wirklich einzigen Frau an diesem Abend (Skandal, Stichwort Gender Equality) Ines Maybaum am Bass.
Die Fan-Shirts dieser Band sind heute Abend in der Mehrzahl. Das der Ü-Kandidat „Keine Hymnen heute“ nicht kommt, ist schade, lässt deshalb aber Platz für alle anderen Hymnen der Band. „Held in unserer Mitte“, „Gib das Schiff nicht auf!“, „Tanzt du noch einmal mit mir“, zu jedem Song gibt es eine Geschichte, die Sammy Amara klar, sachlich, mit pointierter Stimme ankündigt. Allein wenn der Mann redet, macht schon Spaß.
Die Frage „Ist da jemand?“ erübrigt sich. Ganz zum Schluss „Meine Sache“. Frenetischer Jubel. Das wäre geklärt. Aber was ist denn nun mit der Überschrift? „Radio Rock´n` Ro(l)land“ würde auch gehen. Kam aber nicht in die Auswahl. Schade. Egal, das Open R ist eine super Veranstaltung. Gerne wieder.
Galerien (by Torsten Volkmer bs! 2022):
Setlist Sondaschule:
- Ruhe vor dem Sturm
- Gute Zeiten
- Neue Welt
- Waffenschein bei ALDI
- Ich verspreche mir selbst
- Amsterdam
- Schöne Grüße vom Meer
- Merkst du nicht…
- Arschlochmensch
- Palermo
- RIP Audio
- Was ich am liebsten mach
- Beverly Hills
- Dumm aber glücklich
- Für immer nie nüchtern
- Bist du glücklich?
Setlist Broilers:
- Preludio Vanitas
- Zurück zum Beton
- Gib das Schiff nicht auf!
- Tanzt du noch einmal mit mir
- Alles, was ich tat
- Schwer verliebter Hooligan
- Wo es hingeht
- Lofi
- Held in unserer Mitte
- Wie weit wir gehen
- Ruby Light & Dark
- 33 rpm
- Alice und Sarah
- Nur nach vorne gehen
- Nicht alles endet irgendwann
- Ist da jemand?
- Meine Sache
Links:
www.kultstatusband.de/home/band
www.montrealmusic.de
www.sondaschule.de
www.madsenmusik.de
www.broilers.de