Ein wirklich imposantes Gelände hat das Rockharz zu bieten. Direkt zwischen Feldern und der legendären Teufelsmauer findet seit vielen Jahren ein legendäres Rockfest statt, das keine Vergleiche zu scheuen braucht. In diesem Jahr darf man sich über gut 15.000 Besucher freuen, die nur Metal und Bier im Kopf haben. Keine Frage, hier wird die harte Rockmusik wirklich geliebt und gelebt.
Der erste Festivaltag bietet tatsächlich einige Überraschungen. Unter dem Banner der „AFM Records“-Night treten ausschließlich Bands dieser Plattenfirma auf, die mit ihren letzten Veröffentlichungen für Furore sorgten. Den Auftakt übernimmt die indische Band „Kryptos“, die mit ihrer Old-School Metal Mischung schnell alle Fanherzen auf ihrer Seite haben. Höhepunkt des Konzertes ist „One shot to kill“, das mensch standesgemäß zu feiern weiß.
Ein ganz heißer Kandidat auf den Titel „Newcomer des Jahres“ sind zweifelsohne „Bloodbound“. Die schwedische Band punktet mit opulentem True-Metal, der bestens beim Auditorium ankommt. Die Hymne „In the name of Metal“ dürfte die Herren unsterblich machen. Beste Spielfreude und strahlender Sonnenschein runden das perfekte Konzerterlebnis ab. Etwas ruhiger, aber nicht emotionsloser zeigen sich „Serious Black“. Guter, zeitloser Rock, der stets eine gute Festivalstimmung zaubert, ist der Trumpf dieser Band. Echte Heroen des True-Metals dürften mittlerweile „Orden Ogan“ sein. Mit „Gunmen“ haben die Herren ein ganz heißes Eisen derzeit im Album- Feuer und können selbst mit den neueren Songs die begeisterten Fans direkt mitreißen.
Headliner des Abends ist allerdings unumstritten das Heavy Metal Urgestein Udo Dirkschneider, der unter dem Namen „Dirkschneider“ die gute alte „Accept“-Ära wieder auferstehen lässt. Wer an diesem Abend auf dem Platz steht und „Princess of the dawn“ hört, weiß genau, dass es nur einen Sänger geben kann. Mit einem Feuerwerk verabschiedet sich der „German Tank“ von seinen neuen und alten Fans. Hier wurde Geschichte geschrieben.
Der zweite Festivaltag beginnt mit der ungewöhnlichen Band „Apron“. Irgendwo zwischen Comedy-Rock und knallharten Riffs, zaubern die Jungs eine unterhaltsame Show auf die Bühne, die mensch nicht so schnell vergisst. Eine gute Festivalentdeckung, von der mensch hoffentlich noch viel hören wird.
Deutlich düsterer und eindringlicher zeigen sich „Nachtblut“. Diese legendäre Gruppe hat bereits alles erreicht, was es zu erreichen gilt.
Ein fester Bestandteil der Black-Metal Community, die sich dennoch stetig weiterentwickelt und mit ihrer Mischung aus harten Texten und sanften Melodien den Wohlfühlfaktor in Ballenstedt deutlich steigert.
„Civil War“ überraschen mit ihrem neuen Sänger. Hier ist „Tombstone“ das Highlight des Konzertes, jedoch kommt der neue Mann am Mikro leider nicht ganz an die Leistungen seines Vorgängers heran. Dennoch ist diese Band ein Geheimtipp und sollte nicht verpasst werden. Der nächste Name auf dem Billing treibt jedem MetallerIn die Freudentränen in die Augen.
„Rage“ schaffen es seit vielen Dekaden ihre Fans zu verwöhnen. Traditioneller, schwerer Rock, der durch die Stimme von Peavy lebt und ständig neue Facetten dazu gewinnt. Ein wirklich brachiales Konzerterlebnis. Spätestens bei „My way“ kann es einfach kein Halten geben und eine ausgelassene Party entsteht auf diesem kleinen Flugplatz im beschaulichen Harz. Da wir grade bei Superlativen sind. Die wohl zahlenmäßig größte Band des Festivals, ist zweifelsohne „Haggard“.
Mit ihrem Crossover aus Klassik, Rock, Oper und Metal dürfte sich diese Formation bereits einen Namen gemacht haben. Ein unvergessliches Erlebnis, das neben zarten Violinenklängen auch starke, beeindruckende Gesangsleistungen zu bieten hat. Wenn sich Sopran- Sängerin Janika und Chef-Shouter Asis stimmlich duellieren, kommt auch der weitgereiste Metalfan ins Staunen. Ein legendärer Auftritt, der den BesuchernInnen sicher im Gedächtnis haften bleiben wird. Was könnte nach so einem Gig noch kommen? Natürlich: „Lacuna Coil“. Mit ihrer Alternative-Rock Mischung haben Christina und ihre Jungs schon längst Kult-Status erreicht. Eine ungezähmte Live-Macht, die stets nach neuen Seelen sucht, die sie in ihren Bann ziehen kann. Während Christina und Sänger Andrea die Weite der Bühne komplett ausnutzen, brettert die Band ohne Rücksicht auf Verluste ihr Set herunter. Ob „Spellbound“ oder „Blood, Tears, Dust”, hier sind einfach PerfektionistenInnen am Werk. Die Symbiose glückt und so darf mensch sich über dieses gelungene Gastspiel freuen.
Hart, härter, „Arch Enemy“. Kaum eine andere Band hat seit dem Sängerinnenwechsel einen solchen Höhenflug hingelegt. Auch an diesem Abend holt Alissa alles aus ihrer Stimme heraus und zeigt mit „Stolen Life“ und „War Eternal“ ihre gesamte Brillanz. Natürlich liegen der sympathischen Shouterin auch ältere Stücke der Bandhistorie und so bekommt „Revolution Begins“ einen völlig neuen Charakter verpasst. Ein aufsehenerregender Auftritt, der seine Vollendung mit „Nemesis“ findet.
Der Headliner des Abends ist „In Extremo“. Die Berliner Mittelalterrocker sind mittlerweile auf dem Zenit ihres Schaffens angekommen und tragen diesen Titel zu Recht. Der Platz ist voll, die Krüge auch und die Stimmung ist atemberaubend. „Sternhagelvoll“ trifft beim Auditorium ins Schwarze und es wird hemmungslos geschunkelt, ehe mensch mit „Frei zu sein“ diesem Festival das inoffizielle Motto verpasst. Eine bunte Zeitreise durch sämtliche CDs dieser Band gestaltet diesen Abend sehr abwechslungsreich. Ob nun „Vollmond“ oder das neuere Stück „Störtebeker“, hier passt an diesem Abend einfach alles. Mit dem legendären „Spielmannsfluch“ beenden die Herren ein emotionsgeladenes Konzert, das auch der Band noch lange in Erinnerung bleiben dürfte.
Der nunmehr dritte Tag auf dem Flugplatz startet mit „Unzucht“. Innerhalb kürzester Zeit konnte sich diese Gothic-Formation in die Herzen der Fans spielen und ist mittlerweile nicht mehr aus der schwarzen Szene wegzudenken. Kraftvoller, deutschsprachiger Rock, der immer genau ins Herz trifft, zeichnet die Hamburger Jungs aus. Ein energiegeladener Auftritt mit durchgängiger Gänsehaut.
Ein weiterer Live-Act, der stets durch seine opulente Bühnenshow auffällt, ist „Ost+Front“. Irgendwo zwischen „Rammstein“ und „Megaherz“ konnten sich die Herren einen festen Platz im Billing sichern. Bewusst explizit startet die Band den Auftritt mit „Fiesta de Sexo“, ehe mensch sich dem „Fleisch“ zuwendet. Die Bühnenshow spielt mit Tabus. Immer auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Widerwärtigkeit. Eine gelungene Mischung, die viel Gesprächsstoff bieten wird. Abgekämpft, aber glücklich verlässt die Band die Bühne.
In dieser Riege dürfen natürlich nicht die „Lord of the lost“ fehlen. Gefühlvoller, mal heftig-krachender Metal sind die Markenzeichen dieser Herren. Die Songs genießen mittlerweile Kultstatus. „Prison“ oder „Dry the rain“ sind längst Referenzwerke innerhalb der schwarzen Szene. Frontmann Chris macht auch an diesem Tag eine wirklich gute Figur und kann durch seine Spielfreude und seine unglaubliche Bühnenpräsenz von der ersten Sekunde an überzeugen.
Sinnlich und kraftvoll wird es im Anschluss bei „Beyond the black“. Sängerin Jenny strahlt mit dem Sonnenschein um die Wette, als sie ihre „Songs of love and death“ der begeisterten Meute präsentiert. Hier handelt es sich tatsächlich um eine Ausnahmeerscheinung, denn welche Band kann schließlich von sich behaupten, schon mit de „Scorpions“ auf einer Bühne gestanden zu haben. Guter Symphonic-Metal, der die Leichtigkeit des Festivals noch steigert. Elektronischer und ernster präsentieren sich „Pain“. Mastermind Peter und sein Gefolge feuern ein unglaublich starkes Soundgewitter auf die Fans ab. Höhepunkt ist der Track „Same old Song“, der durch seinen hypnotischen Verlauf die Fans in den Bann zieht. Langsam wird es dunkler und so betreten die Headliner die Bühne.
„Iced Earth“ mit voller Gewalt entern das Rockharz. Der geneigte Fan fühlt sich wie im Geschichtsunterricht, als die Schöpfer von „Something wicked this way comes“ ihr gesamtes Können in die Waagschale werfen und den Besuchern ein Feuerwerk von Metalhymnen um die Ohren schmettern. Hier bleibt niemand sitzen. Headbangig-Alarm at ist best. „Heaven shall burn“ zerlegen im Anschluss das gesamte Gelände. „The voice of the voiceless“ sticht hier besonders heraus, kann aber nicht alle BesucherIn erreichen. Eine echte Überraschung dagegen sind „Mr. Hurley & die Pulveraffen“. Mit ihrem Comedy-Piraten-Folk hatten wohl die wenigsten Festivalgänger gerechnet. Dennoch entwickelt sich eine ausschweifende Party, die schlussendlich im wilden Schunkeln bei „Blau wie das Meer“ endet. Selten hat man diesen Platz um diese Uhrzeit derart gut gefüllt gesehen. Mr. Hurley hat hier und heute fette Beute gemacht.
Stimmungsvoll beginnt der letzte Tag mit den Folk-Rockern von „Mr. Irish Bastard“. Hierbei handelt es sich nicht um eine Coverband, die altbekannte irische Volksweisen neu vertont, sondern um ein eigenständiges Bandprojekt, das seine Texte immer mit der typischen Fröhlichkeit der grünen Insel z garnieren weiß. Dennoch will an diesem Vormittag die Stimmung nicht ganz überspringen, wovon sich die Formation jedoch nicht in ihrer Spielfreude beeinflussen lässt. Eine unterhaltsame Show, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Ein ganz anderes Kaliber hingegen sind die Gothic-Metaler von „Moonspell“. Die portugiesische Band befindet sich grade im Aufnahmeprozess für ihre neue CD und unterbricht die Arbeiten für das Gastspiel in Ballenstedt. „Mephisto“ trifft wie ein Donnerschlag die anwesenden Fans und lässt die Größe dieser Band erahnen. Es schließt sich eine Zeitreise durch sämtliche Schaffensperioden und durch sämtliche Studio-CDs. Hier darf man wirklich von einem beeindruckenden Auftritt sprechen, der auch zu späterer Stunde seine Daseinsberechtigung gehabt hätte.
Mit „Grave Digger“ betritt eine der Dienstältesten Deutschen Metalbands die Bühne. Sänger Chris powert wie eh und je die Texte aus seinem Sangesorgan und mensch kann sich nur wundern, wie es die Herren geschafft haben, die ganzen Jahre über so jung zu bleiben. Neben den neuen Tracks wie „Healed by Metal“ finden natürlich auch die Klassiker wie „Excalibur“ oder das legendäre „Rebellion“ ihre LiebhaberIn. Beendet wird das Konzert mit „Heavy Metal Breakdown“, ein echter Everblack, der wohl alle Zeiten überdauern wird.
Da die Sonne immer noch unbarmherzig vom Himmel brennt, können erfrischende Kaltgetränke nicht schaden und welche Band passt besser dazu als „Korpiklaani“? Die Feier-Finnen werden auch heute ihrem Ruf gerecht und zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind. Hier bleibt keine Kehle trocken und die Stimmung erreicht bereits jetzt ihren ersten Höhepunkt. „Sahti“ punktet beim Auditorium ebenso gut wie das unsterbliche „Vodka“. Ein grandioses Gastspiel, das mensch in dieser Form wohl kaum erwartet hätte.
Die Folk-Metaller von „Eluveitie“ hatten in jüngster Vergangenheit mit einigen Besetzungswechseln zu kämpfen. Mittlerweile darf man die Band aber wieder als komplett und geeint betrachten. Auch an diesem Tag ziehen die Schweizer alle Register ihres musikalischen Könnens. Leider jedoch wird der Gig mit herben Soundstörungen begleitet, die den Song „Omnos“ fast komplett untergehen lassen und auch bis zum Ende des Konzertes nicht abschließend behoben werden können. Wirklich schade, denn diese Band kann viel mehr, als heute präsentiert wurde. Die Nacht bricht herein und die Mystik erwacht.
„Blind Guardian“ haben das Rockharz für eine ganz besondere Show heimgesucht. Im Zeichen des Albums „Imaginations from the other Side“ spielen Hansi Kürsch und seine Mannen ein wirklich legendäres Konzert. Beachtung in der Setlist finden fast sämtliche Tracks des geschichtsträchtigen Albums. „Bright Eyes“ und „Born in a modern hall“ gehören zu den Highlights, wobei in diesem Fall die Höhepunkte schwer auszumachen sind, so kraftvoll und emotionsgeladen offenbaren die True-Metaller den Blick in ihre musikalische Seele. Gänsehaut pur bei „The Bard’s song“ und High-Speed Metal mit „Valhalla“. Genau diese Gegensätze haben „Blind Guardian“ großgemacht und spätestens an diesem Abend dürfte es auch dem letzten Kritiker klargeworden sein. Unter den Klängen der Band „Feuerschwanz“ geht schließlich das Festival zu Ende und hinterlässt müde, abgekämpfte, aber glückliche und zufriedene BesucherInnen, die sich bereits jetzt schwören im nächsten Jahr wieder dabei zu sein.
Galerien (by Lena Behlmer bs! 2017):
Links:
www.rockharz-festival.com/
Veranstalter:
Veranstaltungs- & Gastronomie GmbH
Osterode am Harz (VERUGA GmbH)