Das WGT 2007 das 16. seiner Art, 4 Tage voller kleiner und grosser Geschichten, unzähligen LiveActs, alten und neuen Bekannten, Gewohntem und Überraschungen, Schönem, aber auch Ärgerlichem.
Was deutlich ins Auge sprang dieses Jahr, war die Tatsache, dass das Programm und die Anzahl der Locations gegenüber den letzten Jahren deutlich geschrumpft war. Okay, das Haus Auensee hat sicher nicht vielen gefehlt, aber etwas mehr Programm am Freitag wäre vielleicht nicht verkehrt gewesen.
Freitag morgens auf dem Weg zur Agra, merkte man die Schrumpfung sehr deutlich, da es noch nicht ganz so schwarz überall war, wie sonst, bzw sich die Massen noch ziemlich über ganz Leipzig verteilten. Allerdings wurde uns die Laune direkt wieder versüßt, als wir von einem Leipziger mit den Worten „Oh, schon wieder ein Jahr rum?“ und einem freundlichem Lächeln an der Strabahaltestelle begrüßt wurden.
Ich startete dann mit Beloved Enemy im Kohlrabizirkus (dessen Anfahrtsbeschreibung, bzw Haltestelle leider immer noch falsch auf dem Plan vermerkt ist). Beloved Enemy also, eine deutsche Gothic-Metalband, die ihr Livedebüt gaben. Die Band wurde nämlich erst 2006 von einem Ex-Fiddlers Green Mitglied gegründet. Trotz verspätetem Einlass begannen sie pünktlich, was natürlich die Fans draußen nicht ganz so toll fanden, aber die Halle war für diese Bedingungen (erste Band des Tages und verzögerter Einlaß) schon recht gut gefüllt und die Stimmung gut.
Weiter gings mit Remember Twilight, die sich selber als Kammermusik-Core bezeichnen: „Core“ steht in diesem Falle für harte, moderne Rockmusik, unter Kammermusik kann man sich die Hinzunahme zweier Violinen, Oboe und Englisch Horn vorstellen. (quelle: website). Mir kamen sie eine Spur härter vor, als letztes Jahr beim Castle Rock. Ausserdem hatten sie eine Ersatzgeigerin dabei, da sich die Reguläre den Arm verletzt hatte und sie mußten sich außerdem von ihrem Mischer, der sie seit 10 Jahren begleitet hat, verabschieden, da dieser nach Berlin geht.
Als nächstes kamen Holodne Sonze. Zum Glück muß ich den Namen nicht aussprechen, die Jungs kommen nämlich aus der Ukraine. Der Stil ist sehr düster, traurig und ruhig und passte somit nicht ganz zu den beiden Bands zuvor, aber das ist man ja auf dem WGT durchaus gewohnt. Nach den Ukrainern machte ich mich dann auf Richtung Werk II. Dort prallte ich erstmal vor der Riesenschlange zurück. Anscheinend waren In Strict Confidence, Fetisch:Mensch und Absolute Body Control heiß begehrt. Die Halle war dicht bis oben hin und scheinbar hatten Psychobitch der Menge schon gut eingeheizt.
In Strict Confidence machten mit ihrem Elektro einfach da weiter, wo Psychobitch aufgehört hatten, und das Publikum dankte es mit einer Wahnsinnsstimmung. Dennis und Anke spielten geradezu mit ihren Fans und die gelungenen Hintergrundprojektionen taten ihr übriges. Anschliessend wartete man gespannt auf Fetisch:Mensch, das neue Projekt von Oswald Henke. Ähnlich wie Goethes Erben auch hier viel dramatischer Sprechgesang, mit Musik untermalt. Ein sehr aktiver Oswald Henke und eine gedämpfte Stimmung. Letzte Band des Abends waren dann Absolut Body Control, Minimal-Elektro vom Feinsten, die zwar keine besondere Bühnenshow hatten, aber dafür durch ihre Musik überzeugten, welche ziemlich in die Beine ging.
Was bleibt zum ersten Tag noch zu sagen? Es war unglaublich heiß, es gab ein hetiges Unwetter, was mir leider die Monumentumshow am Völkerschlachtsdenkmal abends vermiest hat. Ich habe mir aber sagen lassen, daß diese ein unglaublich tolles Ereignis gewesen sein soll. Eine perfekte Symbiose von Licht und Musik an dem sowieso schon sehr sehenswerten Denkmal. Auf dem Weg zurück ins Hotel erfuhr ich dann noch von dem Taxifahrer, dass seine Kollegen und er sich jedes Jahr immer sehr auf das WGT freuen, da die Schwarzen ja alle so nett und freundlich sind, sich zu benehmen wissen und natürlich auch überaus interessant anzuschauen. Ja, sogar die Hoteliers in Leipzig unterstützen das WGT mit vollem Herzen und haben sich letztes Jahr zusammengeschlossen und dafür gesorgt, dass noch ausreichend Schlafplätze -trotz nahender WM- zur Verfügung standen.
Samstag
Samstag morgen sah es dann doch schon mehr aus, wie die Jahre zuvor. Überall schwarze Gestalten, viele unglaublich schön und mit viel Liebe zum Detail gestylt, die üblichen „schwarz-Touristen“ (staunende Massen und Gaffer). Aufgrund der immer noch anhaltenden unglaublichen Schwüle, hatten aber viele auf ihr komplettes Makeup verzichtet und nur die Augen angemalt. Nach einem kurzen Stop an der Moritzbastei, welche wie immer einen ganz eigenen Zauber versprüht, machte ich mich auf den Weg zur Parkbühne, in der bangen Hoffnung, daß es doch bitte trocken bleiben möge, denn der Himmel sah besorgniserregend aus.
The Pussybats eröffneten den Tanz. Mit 4 simplen Worten, nämlich Sex, Blood and Goth’n’Roll beschreiben sie ihren Stil. Und ja, das kann man wirklich so stehen lassen. Ein bißchen erinnern sie an eine härtere (und coolere) Version von HIM. Trotz einiger Startschwierigkeiten (wie immer: die Technik) ging es dann weiter mit Komu Vnyz, einer Gruppe mit fast 20-jähriger Bandgeschichte aus der Ukraine. Der Sänger ist eine der berühmtesten Stimmen seines Landes und hat schon mehrere Wettbewerbe gewonnen. Ihr Stil ist eine Art Industrial-Rock-Elektro und extra fuer den Auftritt in Leipzig haben sie einige Cover-versionen von deutschen Liedern einstudiert, die auch auf deutsch gesungen wurden. Zb Asche zu Asche von Rammstein und Irgendwie, irgendwo, irgendwann von Nena. Kam anders, aber verdammt gut.
Darauf folgten dann Reliquary, die musikalisch nicht leicht in eine Schublade zu stecken sind, und sich irgendwo zwischen Gothic, Rock, Independent befinden. Allerdings fielen die ausgebildete Stimme der Sängerin und ihr bezauberndes Outfit und die schönen Bewegungen sehr positiv auf. Mit einer Band aus Bochum, Secret Discovery, wurde es dann ein wenig rockiger und härter. Die Parkbühne füllte sich immer mehr und die Stimmung war klasse. Spätestens bei Kleiner Tod und Slave to the rythm zappelte fast ein jeder mit.
Wie erwartet platze dann zu Emilie Autumn die Location fast aus allen Nähten. Und man wurde auch nicht enttäuscht. Wunderschöne, farbenprächtige Kostüme (von Vecona), eine sehr lebendige Bühnenshow und mitreißende Musik wurden präsentiert. Die Designerin war auch im Hintergrund auf der Bühne zu sehen in einem an Marie Antoinette angelehnten Kostüm, inklusive Schiff auf der Hochsteckfrisur. Insgesamt ein sehr sehenswertes Spektakel.
Zeraphine konnten somit ein schon gut eingestimmtes Publikum übernehmen und begeisterten wieder durch ihre tolle Musik und einen gut gelaunten und sehr motivierten Sven Friedrich. So klang der Abend an der Parkbuehne perfekt (gute Bands und trocken), aber recht früh aus. Also schnappte ich mir ein Taxi und fuhr noch zur Agra um den Abend belgisch ausklingen zu lassen. Erst Front 242, die sich endlich nach 4 Jahren mal wieder außerhalb ihrer Heimat auf die Bühne begeben hatten. Die Halle war brechend voll und die Stimmung kochte, auch wenn die Band nicht gerade viel mit ihren Fans agierte und einen etwas arroganten Eindruck hinterließ. Aber die Musik bewegt nun mal zum Tanzen und das wurde ausgiebigst celebriert.
Die Ehre des Mitternachtsspezials hatten dann die ebenfalls aus Belgien stammenden Leuts von Vive La Fete. Letztes Jahr sind sie noch in der kleinen Agrahalle (hinterm Cafe) aufgetreten. Allerdings war der Auftritt wohl so überzeugend, dass man sie dann gleich nochmal verpflichtete. Nomen est omen paßt hier wie die Faust aufs Auge, bedeutet der Bandname doch nichts anderes als Lang lebe die Party! Und das haben sie dann auch auf der Bühne gezeigt. Ein Mitternachtsspecial, was den Namen endlich mal redlich verdient hat! Tja und schon war er vorbei, der zweite Tag. Auf dem Rückweg im Taxi erfuhr ich diesmal, dass es wohl tagsüber einige Krawalle am UT Connewitz gegeben hat, was aber wohl nicht im direkten Zusammenhang mit dem WGT stand. Außerdem gab es ein Missverständnis bei der Veranstaltung im Gewandhaus, wo dem schwarzen Volk kein Einlaß gewährt wurde, weil angeblich a) eine Kleiderordnung existiere (haha!) und b) es schon ausverkauft waere(?) Sehr seltsam. Unsere Taxifahrerin war jedenfalls sehr erbost und meinte, so ginge es ja wohl nicht, die Schwarzen einfach so zu verars… . Total klasse, die Frau.
Sonntag
Sonntag stand dann, wie eigentlich fast jedes Jahr, erstmal das Heidnische Dorf auf dem Programm. Dieses Mal zum Glück wieder in der gewohnten Kulisse des Torhaus Dörlitz und wesentlich größer als zuvor. Gab es doch nun sogar 2 Bühnen und doppelt soviele Händler. Alles in allem sehr aufwendig und liebevoll gestaltet. Von dort aus gings dann zur Agrahalle, eine weise Entscheidung, wie sich später bei dem großen Unwetter herausstellte. Nach einem Bummel durch die gutgefüllte Markthalle tat ich mir dann die Dope Stars Inc. an, eine italienische Synth-Rock-Band. Seit 2005 sind die Jungs eigentlich auf jedem größeren Festival anzutreffen und bringen immer gute Stimmung mit. So auch diesmal.
Danach wurde der Newcomer des Monats (von Zillo, Orkus und Sonic) von Ecki Stieg angekündigt: die finnische Gothic-Rockband Reflexion, die erst 2006 ihr Debütalbum veröffentlicht hat. Auch die Jungs haben gut gerockt und die Stimmung in der Halle hielt sich auf einem hohen Level. Leichtes Spiel also für Terminal Choice, zumal sich mit ihrem Auftritt das Unwetter entlud und alles in die Hallen strömte. Mit einem spezialen WGT-Leinwandfeature zollten sie ihren Fans und dem WGT Tribut. Es wurde lauthals mitgesungen und die Masse war begeistert.
Darauf folgte allerdings ein absoluter Stimmungseinbruch mit dem Auftritt von The Superheroines, der Band von Eva O. Vielen ist sie vielleicht von früher noch ein Begriff. Sie verkürzten ihren Auftritt dann auch mal eben um 20 Minuten, aus nicht näher bekannten Gründen. Zum Glück kam als nächstes die Frankfurter ASP, wie immer ein Garant für volles Haus, grandiose Musik und Wahnsinnsstimmung. Ein gutgelaunter Alexander Spreng spielte mit den Fans und bot eine super Show. Die Band gab auf dem WGT sogar gleich 2 Konzerte, Samstags ein Akustikkonzert (zusammen mit ua. Thomas Sabottka als Sprecher und Hubert Kah, der sein neues Stück vorstellte und bei einem Lied auch mitsang) und nun Sonntags das „gewohnte“ Rockkonzert.
Mit dem Auftritt von den Finnen The 69 Eyes, deren Musik sich am ehesten als Sleaze- und Garagerock beschreiben läßt, füllte sich die Halle vor allem mit kreischenden Menschen. Witzigerweise sowohl Mädels, aber auch viele Jungs. Und auch diese Band enttäuschte nicht und rockte mit ihrem Auftritt richtig gut. Ob das noch zu toppen sein sollte?
Ohja, und wie. Obwohl sie erst in der Nacht mit dem Auto aus Spanien angereist waren, da sie sich momentan auf Europatournee befinden, schafften es The Crüxshadows, eine super Show hinzulegen. Man merkte ihnen die Anstrengungen überhaupt nicht an und die Tänzerinnen und Rougue gaben wirklich alles, um ihre Fans zu begeistern. Natürlich durften der Kletterakt und die Berührungen mit dem Publikum nicht fehlen. Auch dies also ein überaus gelungenes Mitternachtsspecial.
Montag
Tja, und dann brach er auch schon wieder an, Montag, der letzte Tag. An dem man nie so genau weiß, ob man sich nun freut oder ob man es bedauert, daß in einigen Stunden schon wieder alles vorbei ist und die Normalität eintritt. So ist das WGT doch immer eine Art Urlaub, aber trotz allem auch ein wenig Arbeit, wenn man denn als Presse unterwegs ist. Ich hatte beschlossen, den letzten Tag komplett im Werk II bei den Horrorpunkern zu verbringen und das hat sich auch durchaus gelohnt.
Los gings mit den Kölner Jungs The Crimson Ghosts, einer Band, die momentan selbst international (ua. Italien, Schweiz, Tschechei) sehr gefragt ist. Wie auch im letzten Jahr beim Horrorpunktag war die Halle von Beginn an mit den schillernsten Persönlichkeiten gut gefüllt und die Menge nahm kontinuierlich zu. Mit dem ersten Ton war die Stimmung gigantisch und der Funke sprang von der Band sofort aufs Publikum über. Der Sound war einmalig und man merkte der Band die Spielfreude richtig an. Stolz präsentierten sie ihren brandneuen Song „to hunt you down“, der begeistert aufgenommen wurde. Ab Oktober sind die Jungs auf „Hellnights Tour“, zusammen mit The Spook, Nim Vind und eventuell The Deep Eynde. Etwas, das man sich als Liebhaber des Horrorpunks auf keinen Fall entgehen lassen sollte.
Weiter gings mit The Creepshow aus Kanada. Eine der wenigen Psychobillybands mit weiblicher Sängerin. Jen „Hellcat“ Blackwood ist nicht nur was fürs Ohr, sondern auch fürs Auge. Auch diese Band machte ihre Sache sehr gut, und wurde vom Publikum frenetisch gefeiert. Als nächstes folgten dann Nim Vind, die ebenfalls aus Kanada angereist waren. Die Musik etwas weniger schnell als die der beiden Vorgänger, ein wenig düsterer und irgendwie nicht ganz eindeutig zuzuordnen, aber auch nicht schlecht.
Mit Shadow Reichenstein platzte dann die Halle aus allen Nähten. Die Amis, die gerne mit den Insignien des 3. Reichs provozieren und hier zu Lande momentan sehr gehypt werden, legten auch einen verdammt guten Auftritt hin und die Fans waren begeistert. Die Atmosphäre blieb auf einem hohen Level, denn auch The Deep Eynde, ebenfalls aus Amerika und bekannt für ihre intensiven Liveauftritte, rockten kräftig weiter. Nicht zuletzt ist das sicher der bombösen Bühnenpräsenz des Sängers Fate Fatal zu verdanken und das Gekreische der weiblichen Fans gellt mir jetzt noch in den Ohren. Sehr empfehlenswerter Auftritt.
Zum guten Schluss heizten dann noch mal die Engländer Zombina & The Skeletons dem Publikum kräftig ein. Die Band, deren Outfits sehr blutig sind und viele Bandagen beinhalten, ist sehr gefragt und viel unterwegs, hat sich aber bisher noch immer ihre Unabhängigkeit bewahrt. Sängerin Zombina Venus Hatchett hat fast die ganze Zeit auf deutsch mit dem Publikum gesprochen. Ein sehr sympatischer Auftritt und perfekter Abschluß für einen perfekten Tag.
Was bleibt abschließend noch zu sagen? Wie gehabt , war es eine wunderschöne, für Leipzig einzigartige Atmosphäre. Positiverweise waren dieses Jahr nicht ganz soviele Militärfreaks und Rechts-Angehauchte zu sehen. Dafür viele bekannte Gesichter, auch Noctulus war wieder mit dabei. Zum Glück endlich mit einem vernünftigen Verstärker. Alles in allem also wieder superschön, ich habe viele gesehen, vieles verpasst (zB den angeblich absolut grandiosen Auftritt von The Retrosic) und freue mich schon aufs nächste Jahr.
Fotos: Großen Dank für die schönen Fotos geht wieder an Eva Wingender und Sebastian Steinfort.
Inzwischen schon fast das Goth-Zine / WGT / Dreamteam 😉
Fotos:
Fotos vom WGT aus 2007
Fotos vom WGT aus 2006
Fotos vom WGT aus 2005
Fotos vom WGT aus 2004