Start Events Festivalberichte Review: Reload Festival 2012 (14. – 17.06.2012, Sulingen)

Review: Reload Festival 2012 (14. – 17.06.2012, Sulingen)

Foto: Torsten Volkmer

Wie angekündigt waren wir natürlich auch in diesem Jahr auf dem Reload Festival in Sulingen. Ob unsere hohen Erwartungen wieder einmal erfüllt werden konnten? Bereits am Donnerstag gibt es Konzerte von Newcomerbands, sowie Wirtz, The Treatment und den Bulletmonks, die wir jedoch nicht sehen können, da wir erst am Freitag anreisen können. Von den Festivalbesuchern erfahren wir, dass der Donnerstag sie bereits gut auf das Wochenende eingestimmt hat – und überhaupt: die Stimmung ist an unserem Anreise-Freitag bereits sehr gut. Um auf den Pressecampingplatz zu kommen, müssen wir mit dem Auto über das Gelände fahren. Vom üblichen Gegröle begleitet, fährt es sich gleich viel angenehmer, finden wir.

Nachdem wir unser Zelt aufgestellt haben, bleibt nur noch eines zu tun: das erste Bier muss entsprechend zelebriert werden. Beinahe unmittelbar nach dem letzten Schluck beginnen Couch Club ihr rockiges Set. Die Band hatte zuvor einen Contest gewonnen, wodurch sie den Slot des Openers auf dem Reload erhielt. Eine schöne Einstimmung. Zumal wir den Eindruck haben, dass bereits zu dieser frühen Stunde teilweise mehr Menschen vor der Bühne stehen als bei bekannteren Bands im letzten Jahr. Mit Stick To Your Guns folgt direkt die erste Band, die über den großen Teich eingeflogen wurde. Die Hardcore-Truppe heizt uns und dem Publikum bereits mächtig ein und besonders ihr Song „Against Them All“ ist uns in Erinnerung geblieben.

Evergreen Terrace folgen, können uns über weniger überzeugen. Das scheint das Publikum ähnlich zu sehen. Die Besucher stehen eher da und lauschen, wo bei Stick To Your Guns noch wild gepogt wurde. Zudem hat auch ein ekliger Nieselregen eingesetzt, sodass einige Leute sich lieber unter einen trockenen Unterstand flüchten. Zu guter Letzt raffen sich einige wenige aus den ersten Reihen auf und starten einen Circle Pit.

Foto: Torsten Volkmer

Dog Eat Dog und H2O hören wir nur aus der Ferne, weil wir uns entschließen eine Runde über die Campingplätze zu drehen. Zwar ist der Pressecampingplatz, auf dem wir nächtigen, noch an derselben Stelle, jedoch hat der Veranstalter die normalen Campingplätze nach Süden verlegt. Eine gute Entscheidung, wie wir finden. Schließlich ist es hier viel gemütlicher als an der Straße. Auf dem Gelände präsentiert sich uns eine feierwütige Meute. Wir bestaunen den Aufwand, den einige Camps betrieben. So sehen wir zum Beispiel halbe Wohnzimmereinrichtungen unter einem riesigen Zelt stehen. Gelegentlich werden wir zu einem Schnaps oder Bier eingeladen und mit einigen Besuchern kommen wir auch ins Gespräch: Ein Großteil dieser ist sehr zufrieden mit dem Reload Festival. Häufige Wünsche nach besserem Wetter können vom Veranstalter natürlich nicht erfüllt werden – sonstige Kritik hören wir kaum.

Ugly Kid Joe, die wir uns ansehen wollen, spielen nach H2O. Wir kennen nur den Radiohit von 1993, „Cats in the Cradle“, weshalb wir etwas überrascht sind, dass die anderen Songs der Band meist erheblich rockiger und härter sind. Während des Auftritts bekommen wir Hunger und essen Spanferkel mit Pommes für 7,50 Euro. Eigentlich handelt es sich eher Pommes mit Spanferkel, denn zweieinhalb kleine Streifen vom geschmacklich zwar einwandfreien Schwein lassen wir nicht gelten. Vor allem nicht, wenn die Pommes auch noch nach Frittierfett schmecken. Besser ist da die würzige  Gyros-Pita für 4,50 Euro. Allerdings ist die angebotene Verpflegung insgesamt recht abwechslungsreich, sodass jemand, der kein Essen mitbringt, nicht jeden Tag nur Pommes essen muss. Neben den erwähnten Speisen gibt es auch noch die obligatorischen Thüringer Bratwürste, frisch gebackene Pizza, Chinesisches aus dem Wok und vieles mehr.

Auf dem Festivalgelände gibt es zudem mehrere Bierstände – leider eine Sorte, die wir nun gar nicht mögen, Merchandising-Stände, ein großzügiges Partyzelt, sowie Aufbauten zweier Zigarettenhersteller. Diesen Trend der letzten Jahre, einer massiven Zigarettenwerbung und -verfügbarkeit auf Festivals ausgesetzt zu sein, können wir nicht gutheißen. So ist der Zugang zur „Marlboro-Lounge“ nur „Rauchern ab 18 Jahren“ gestattet. So sagt es zumindest das Schild vor dem Eingang.

Foto: Torsten Volkmer

Mit Walls of Jericho naht eine weitere Größe aus Amerika. Ob es immer noch nötig ist, zu erwähnen, wie besonders eine weibliche Gesangsstimme im Metal (oder wie hier im Metalcore) ist, sei dahingestellt. In jedem Falle hat Fronterin Candace das Publikum fest im Griff. Bei Walls of Jericho herrscht bislang von allen Bands die beste Stimmung, wohl auch, weil es sich im Publikum mächtig gefüllt hat. Uns gefällt die Band live außerdem erheblich besser als von der Platte – wie es so oft ist. August Burns Red, die wir bereits kennen, und Biohazard sehen wir uns jeweils nur kurz an. Wir wollen vor den Headlinern noch einmal verschnaufen. Besonders Biohazard scheinen das Publikum aber mitgerissen zu haben: Am Samstag sehen wir auf einmal sehr, sehr viele Biohazard-Shirts. 

Foto: Torsten Volkmer

Die Guano Apes als Co-Headliner sind dann die erste Band, wo wir uns wirklich nicht mehr halten können. Live liefern die vier Göttinger eine unglaublich mitreißende Show. Dementsprechend voll ist es auch vor der Bühne. Bei Klassikern wie „Open your Eyes“ wird ebenso getanzt wie bei „Oh What a Night“ vom jüngsten Album. Ganz stark! The BossHoss als direkt im Anschluss spielender Headliner haben da einen schweren Stand, enttäuschen schlussendlich aber nicht. Die Berliner können vor allem eines: das Publikum mit ihrem Humor von sich überzeugen. So wird auch hier getanzt, gesprungen und gepogt. Während The BossHoss noch spielen, trinken wir an unserem Camp noch gemütlich ein Feierabendbierchen und plaudern, bis wir schließlich müde werden und ins Bett gehen.

Am nächsten Morgen werden wir durch Lärm geweckt. Nein – nicht durch Gegröle (zur Erinnerung: Pressecampingplatz), sondern durch das Prasseln von Regen. Petrus meint es nicht gut mit uns und lässt es erst einmal mehrere Stunden durchaus ergiebig regnen. Was für ein Glück, dass wir uns am Vortag spontan entschlossen haben, noch einen Pavillon beim Festivalausstatter „Helgaa“ zu erwerben, sodass wir trockene Füße behalten. Zum Frühstück können wir bei zwei Ständen auf dem Gelände verschieden belegte Brötchen oder Fischbrötchen und Kaffee/Kakao kaufen – lecker! Vor allem sind die Preise im Vergleich zu den großen Festivals hier mehr als fair.

Pride Shall Fall beginnen als erste Band am Samstag ihr Set um 11:15 Uhr. Während die Band spielt, fragen wir uns, warum uns der Name so seltsam bekannt vorkommt. Wenig später sollten wir es erfahren: Als die Band Kakao-Trinkpäckchen in die Menge wirft und sagt, dass man den nächsten Song eventuell von Youtube kennen könnte, sind wir zunächst irritiert. Als dann der Song „Sure“ erklingt, fällt es uns wie Schuppen von den Augen. Youtube-Spaßvogel Coldmirror hat zu diesem Song grandiose Misheard Lyrics (http://www.youtube.com/watch?v=cjr0bIsxLtE) gebastelt, die natürlich auch wir kennen.

Mit Godsized geht es entspannt rockig weiter, bis in Form von Eskimo Callboy eine – doch wir sagen es – gehypte Band die Bühne betritt. Mit gerade einmal zwei Jahren auf dem Buckel sind die Jungs aus dem Ruhrpott sicherlich auch eine der jüngsten Bands im Lineup. Nichtsdestotrotz liefern sie eine Bühnenshow, die auf dem

Foto: Torsten Volkmer

Reload in der Form einzigartig ist. Die Band trägt Tiger- und Krokodilskostüme, der Sänger klettert an der Bühne hoch, ein Mädchen wird auf die Bühne geholt, um „California Gurls“ (im Original von Katy Perry) zu singen und und und. Eskimo Callboy zwingen einen einfach zum Lachen, da hilft all die Kritik an der recht stumpfen Musik nichts. Es ist ziemlich voll vor der Bühne und es machen so viele Leute mit wie freitags nur am späten Abend. Nach der Show ist sich die Band auch nicht zu Schade, um ausgiebig mit ihren Fans zu plaudern und Autogramme zu geben. Einfach sympathisch!

Eyes Set to Kill können uns nicht wirklich überzeugen, wobei wir uns sagen lassen, dass das auch am (zu) oft geänderten Lineup der Band liegen könnte. Puddle of Mudd spielen ein für unser Empfinden mehr als langweiliges Set. So langweilig, dass wir „She Fucking Hates Me“, das den Abschluss des Sets bildet, nicht einmal mehr ganz sehen. Dagegen sind Itchy Poopzkid, die wir vorher kaum kannten, erstaunlich stark. Wir bekommen Lust auf mehr und werden die Band in Zukunft bestimmt im Auge behalten!

Foto: Torsten Volkmer

Bei den Hardcore-Legenden von Madball ist es ironischerweise leerer als noch bei Eskimo Callboy. Vermutlich nicht zuletzt, weil es mächtig zu regnen begonnen hat. Dafür gibt es dann ein „Respect to you guys, ‘cause you don’t give a shit about the fucking rain!“ von Sänger Freddy Cricien. Auch bei den deutschen Fun-Metallern von J.B.O. regnet es noch, aber zum Glück ein bisschen weniger, sodass den Jungs ein recht ansehnliches Publikum zum Bespaßen bleibt. Wir trinken währenddessen lieber ein Bier, denn J.B.O. haben wir mehr als einmal zu oft gesehen, um noch über dieselben Kalauer lachen zu können.

Mit Enter Shikari betritt (nach Eskimo Callboy) die zweite Trancecore-Band des Tages die Bühne. Das einstündige Set überzeugt. Nur, warum hebt die Band sich einen Kracher wie „Sorry You’re Not a Winner“ nicht bis zum Schluss auf? Für die darauffolgenden Parkway Drive hat man anscheinend einen ganzen botanischen Garten eingeflogen: die Bühne ist mit Palmen und Pflanzen dekoriert, dass man meinen könnte, man wäre im Dschungel. Aber nicht nur die Deko, sondern auch der Auftritt der Australier ist grandios. Den Druck, den die Band erzeugt, hat bis dahin keine andere Band des Reload Festivals erreichen können. Dementsprechend geht das Publikum auch ab. Ein mehr als würdiger Co-Headliner!

Foto: Torsten Volkmer

Der Mann, der im Anschluss nach einer gefühlt ewig dauernden Umbaupause nun die Bühne betritt, ist eine Legende. Slash, ehemaliger Guns’n’Roses Gitarrist, gesanglich unterstützt von Myles Kennedy (Alter Bridge), spielt Rock-Klassiker – unter anderem natürlich von Guns’n’Roses. Das mit einem mal deutlich gealterte Publikum feiert alles, was da von der Bühne kommt frenetisch und lässt sich komplett gehen. Eine tolle Show, bei der selbst der Himmel aufklart.
Nach diesem Auftritt mussten wir das Reload Festival verlassen – krankheitsbedingt – und verpassten somit unter anderem die Dropkick Murphys am Festivalsonntag. Schade drum, aber dennoch: Das Reload Festival 2012, wenn auch verregnet, war ebenso gelungen wie das im Jahre 2011. Weiterhin ein absoluter Tipp für alle, die einmal abseits der großen Festivals ein hochkarätiges Lineup sehen wollen. Außerdem: Viele nette Leute, genau die richtige Größe, um immer in die vorderen Reihen zu kommen, und ein fairer Preis. Daumen hoch – gerne wieder!

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