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Review: Nocturnal Culture Night – Drei Tage klingende Nacht (02. – 04.09.2016, Deutzen)

Eisfabrik (Foto: Peter Heymann bs!)

Drei Tage, randvoll mit einem ausgezeichneten Line-Up aus allen Bereichen der Schwarzen Musik. Das allein sollte eigentlich reichen, um ein Festival zum Erfolg zu führen, doch das 11. Nocturnal Culture Night, kurz NCN, konnte in diesem Jahr mit weit mehr Details punkten.

ein großes „Hallo“

Doch fangen wir mit unserem Bericht ganz von vorne an. Den Startschuss zum langen Festivalwochenende im Kulturpark Deutzen, ca. 30 km südlich von Leipzig gelegen, lieferte die Warm-Up-Party am Donnerstag-Abend, in deren Verlauf das erste „Große Hallo“ zwischen alten und neuen Festivalbesuchern stattfand.

Ein Blick in die Runde zeigte bereits hier sehr deutlich, dass die Gesamtbesucherzahl von 2500 Gästen beim NCN schnell eine familiäre Atmosphäre aufkommen lässt. Beheimatet auf dem vielfältig gestalteten und überwiegend beschatteten Gelände trifft man sich beim Wechsel zwischen den insgesamt vier Bühnen selbst bei unterschiedlichem Musikgeschmack immer wieder.

Für den Großteil der Gäste ging es allerdings erst am Freitag so richtig los und ein Konzert jagte fortan das nächste. Zur besseren Übersicht gab es übrigens handliche Programmhefte mit detaillierten Infos und den Spielzeiten. Überschneidungen lassen sich bei fast 60 Acts auf vier Bühnen zwar nicht vermeiden, hielten sich jedoch in Grenzen. Die ein oder andere Wartezeit ließ sich zudem wunderbar mit Shopping an den interessanten Ständen überbrücken.

Das Nachsehen hatte 2016 in diesem Bereich wohl der Mittelaltermarkt, der aufgrund einer Vergrößerung der Weidenbogenbühne vor den Eingang des Kulturparks verlegt wurde und so deutlich weniger BesucherInnen anlockte. Unmittelbare Auswirkungen hatte diese Verschiebung auf das kulinarische Angebot innerhalb des Geländes, das zwar in Sachen Eis oder Getränke – ein Lob auf das mobile Café – nichts zu wünschen übrig ließ, aber was die Speisen betraf, recht eingeschränkt war.

Damit auch direkt zum einzigen echten Komplettausfall des Wochenendes, den Nudeln! Mal ehrlich liebe Betreiber des Pasta-Standes (es gab nur einen), habt ihr den Mist, den ihr verkauft, schon mal probiert?

7JK (Foto: Peter Heymann bs!)
7JK (Foto: Peter Heymann bs!)

Doch kommen wir zurück zum Wesentlichen, der Musik. Mit Laura Carbone und ihrer sehr modernen Fassung von Wave-Pop stand am frühen Freitag-Abend ein erstes Glanzlicht an. Sicher in der Tonlage und überzeugend instrumentell vorgetragen, hätte der Auftritt durchaus etwas länger ausfallen können. Weiter ging es danach bei 7JK, einer musikalischen Kollaboration zwischen Sieben, alias Violinist und Sänger Matt Howden, und Elektroniker Job Karma. Sehr emotional und abwechslungsreich werden dabei die warmen Melodien der Violine in ein elektronisches Gewand gehüllt. Verfeinert um ein paar noisige Elemente wurde der Auftritt zur kurzweiligen Unterhaltung auf der kleinen Kulturbühne, ohne jedoch langfristigen Eindruck zu hinterlassen.

mystischer Gothic-Rock alter Schule

DAF (Foto: Peter Heymann bs!)

International ging es an anderer Stelle im Kulturpark mit der slowenischen Electro-Pop Band Torul weiter. Intoniert vom neuen Sänger Maj konnten die gefälligen Songs schnell für gute Stimmung sorgen. Mit Garden Of Delight auf der großen Amphibühne folgte im Anschluss ein echtes Kontrastprogramm. Nur selten live zu bestaunen und beim NCN mit ihrer Show zum 25jährigen Jubiläum der Bandgründung angereist, bot Frontmann Artaud Seth mystischen Gothic-Rock alter Schule. Nebelschwaden, dunkle Sonnenbrille und tiefer Barritongesang, mehr Authentizität lässt sich in diesem Genre schon allein in Sachen augenfällige Merkmale kaum finden.

Solitary Experiments (Foto: Peter Heymann bs!)

Ganz anders danach die Electro-Fraktion von Solitary Experiments auf der neuen Weidenbogenbühne. Angetreten mit doppelter Live-Drums-Fraktion, legte sich Frontmann Dennis Schober von Beginn an ordentlich ins Zeug und pendelte unaufhörlich von einer Seite der Bühne zu anderen. Tief verwurzelt im EBM Sound der Vergangenheit und angereichert um Future- und Synthie-Pop Gefälligkeit gewinnen SE mit ihrem Sound sicher keinen Innovationspreis, ihren zahlreichen Fans ist das jedoch egal und die Stimmung ist entsprechend ausgelassen.

Agent Side Grinder (Foto: Peter Heymann bs!)

Nach so viel Oldschool-Klangfarben standen mit Agent Side Grinder ein paar Schweden auf der Parkbühne, deren Inspirationen zwar eindeutig im Post-Punk der frühen 80er liegen, die ihrerseits aber so lebendig und kreativ damit umzugehen verstehen, wie aktuell nur wenige Kollegen. Mitreißend, spannend und unterhaltsam, ASG waren das Highlight des Abends. Allein vom Charisma des Sängers könnten zahlreiche weitere Bands zehren. Für einen Publikumsliebling anderer Couleur ging es zum Abschluss des ersten Festivaltages zurück zur Amphibühne. Mit dem Duo Klangstabil stand hier ein Headliner an, den man außerhalb des NCN wohl nicht an solch einer Stelle platzieren würde. Während Sänger Boris May und mit ihm eine beachtliche Anzahl von Fans voll in den Elektronik-Klangteppichen aufgehen, lässt manch anderen diese Synthie-Pop-Ambient-Welt komplett kalt. Nun ja, fürs Erste heißt es: „Gute Nacht“ und Tag 2 möge kommen.

The Walking Dead

Miss Construction (Foto: Peter Heymann bs!)

Zu früher Stunde galt es am Samstag dann erst mal eine Zombie-Attacke zu überstehen, denn mit Miss Construction enterte einfältiger EBM-Electro-Sound die Weidenbodenbühne, der allenfalls dank des umfassenden optischen Zombie-Outfits etwas Aufmerksamkeit verdient hat. Das nächste Mal aber lieber gleich den Soundtrack zu The Walking Dead und nicht solch eine Kirmes-Combo. Ebenfalls imagetechnsich voll ausgestattet waren die Mannen der Eisfabrik. Musikalisch eine ganze Ecke abwechslungsreicher und spannender machte der tanzbare Synthie-Pop im strahlenden Sonnenschein richtig Laune. Etwas schwach fiel nur die Grauzone Coverversion von „Eisbär“ aus. Während das Original mit sprichwörtlicher Kälte glänzt, wirkt eine entspannte Fassung des Titels einfach nicht.

Juggernauts (Foto: Peter Heymann bs!)
Unzucht (Foto: Peter Heymann bs!)

Ohne nennenswerte Vorkommnisse verlief anschließend der Auftritt des belgischen EBM-Duos The Juggernauts. Business as usual, aber cooles Outfit. Einen der seltenen Vertreter der Rockfraktion des Wochenendes boten kurz darauf Unzucht. Während Frontmann Daniel Schulz fast permanent die Publikumsnähe suchte, bretterte ein Titel nach dem anderen über die Anlage. Etwas überraschend bei so viel Feuereifer blieb die Tatsache, dass außer dem Hardcore Fankreis direkt an der Bühne, weiter hinten im Rund der Sitzplätze die Begeisterung überschaubar blieb.

Einen kurzen Abstecher nach Skandinavien,…

Solitary Experiments (Foto: Peter Heymann bs!)

genauer gesagt nach Schweden lieferten The Exbloding Boy. Zweistimmig, voller Elan, Coolness, Spritzigkeit und einer Menge Groove stand Post-Punk und New Wave aktueller Machart an. Ein Auftritt, der einfach nur Spaß machte und den guten Stand der Band hierzulande weiter gefestigt haben sollte. Mit The Fair Sex folgte schließlich ein echtes Urgestein der deutschen Schwarzen Szene. Sänger Myk Jung gab von Anfang an Vollgas. Während ein Hit den nächsten jagte, berichtete er in den Zwischenansagen munter aus der langen Bandgeschichte und schien wirklich von jedem der Songs noch genau zu wissen, wann und wie er entstanden war. Respekt! Nach dem langen Gig der Band aus dem Ruhrpott führte die musikalische Reise nach Norwegen zu Zeromancer. In deutschen Breitengraden leider nicht so oft zu bewundern, zeigte die Formation um Alex Møklebust fantastischen Electro-Rock, fuhr all ihre Erfolge auf und feierte zurecht einen grandiosen Gig. Energetisch und mitreißend, so sollte ein Festivalauftritt sein.

Klangstabil (Foto: Peter Heymann bs!)

Kult! Anders kann man es wohl nicht sagen, wenn DAF ein Konzert spielen. Vom Klangbild sicherlich deutlich aus der Zeit gefallen, spulte das NDW/EBM Duo sein Programm vor einer tobenden Menge ab und erinnerte so daran, dass auch elektronische Musik einiges an Punk in sich tragen kann. Unverständlich blieben zwar Frontmann Gabis Wasserflaschenduschen, denn so warm war es nun wirklich nicht mehr zu später Stunde, aber wenn es

„Alle gegen Alle“

heißt, muss man wohl ab und zu einfach etwas Wasser auf die Mühlen gießen. Der Name des Headliner des Abends auf der Amphibühne war dann übrigens ebenfalls nur drei Buchstaben lang, aber wer keinerlei Bilder von sich haben möchte, der muss einfach auch damit leben, dass sein Konzert ansonsten unerwähnt bleibt.

Starallüren in der Gothic-Szene, das muss nun wirklich nicht sein.

Voller schöner Erinnerungen ging damit der zweite Festivaltag des NCN zu Ende.

Zeromancer (Foto: Peter Heymann bs!)

Tag 3: Schöner Mist! Anstatt noch einmal die wunderbare Atmosphäre im Kulturpark zu genießen, die gute Organisation zu erleben, Freunde zu treffen und tolle Konzerte zu sehen, Nachricht aus der Heimat: Die Arbeit ruft.

Fazit:
Das NCN ist eine der schönsten Alternativen, der Schwarzen Festival-Landschaft und ohne jeden Zweifel einen Besuch wert!

Gallerien:

Wort und Bild: Peter Heymann

Links:
www.nocturnal-culture-night.de

 

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