Review: Petrus ist ein Goth – M’Era Luna (2019)

Schwarze Wolken ziehen auf über Hildesheim, aber nur symbolisch, denn wie immer am zweiten Augustwochenende des Jahres lockt das kleine Städchen erneut tausende Gothicfans aus aller Welt an, die gemeinsam das M’Era Luna Festival feiern. Dieses Jahr geht das Festival in seine 20. Runde.

Bereits um 12.30 Uhr am Freitag herrscht reges Treiben auf den Camping- und Wohnmobilflächen. Es wirkt schon ziemlich gefüllt, obwohl der Zeltplatz erst um 11 Uhr offiziell eröffnet wurde. Wohnmobile hatten um 7 Uhr in der Früh schon Gelegenheit aufzufahren, um größeres Chaos zu vermeiden. Gefühlt muss man immer früher anreisen, um einen guten Platz zu bekommen. Laut Hörensagen musste die Fläche bereits Donnerstag Abend geöffnet werden, da ein Stau der Frühanreisenden bis in die Stadt entstand. Liebe Festivalbesucher, ein wenig sollte man sich doch an die Regeln halten, immerhin findet das Festival in einem Industriegebiet statt, in dem bis einschließlich Freitag noch gearbeitet wird. Respektiert die eingeräumte Zeit und macht es bitte den Veranstaltern und dem Alltagsleben rund um das Festival nicht unnötig schwer. Schließlich machen sie es uns Besuchern auch nicht schwer und versuchen stets Verbesserungen zu erreichen.
Aber nicht nur die Anfahrt wird immer früher, auch ein Teil des Line Up steht bereits im Booklet, das man bei der Bändchenausgabe erhält. Die Einlassbänder zeigen sich im neuen Gewand. Jedes ist mit einer Münze von Alchemy England bestückt, welche der Kyberos ziert! Denn das M’Era Luna hat sich ab diesem Jahr ein neues Konzept ausgedacht. So kreativ wie die Festivalbesucher, so soll nun auch jedes Jahr ein neues Motto das Festival zeichnen. „Die Zeit der Ikonen“ wurde vorab online angekündigt. Auch das Mond Logo wurde behutsam überarbeitet. Die Vorlage stammt aus dem Stummfilm „Le Voyage dans la Lune“ und war bislang unscharf und schwammig. Nun wurden die Details etwas hervorgeholt, Kontrast und Schärfe hinzugefügt. Das Ergebnis erinnert allerdings mehr an eine Pizza oder den Scherzartikel „Kotzlache“ denn an einen Mond.

Beim ersten Erkundungsrundgang schwappt die Festivalstimmung über. Glückselige Gesichter überall, die Landebahn erinnert einmal mehr an einen schwarzen Laufsteg. Auch die Geisterbahn ist wieder vor Ort. Ein altes, klappriges Teil, das aber gerade deswegen Charme versprüht. Der Erschrecker, der im oberen Stockwerk seine Runden dreht, sieht aus wie jeder zweite Festivalbesucher hier nur schlechter geschminkt und verpasst manchmal auch seinen Einsatz, was das Ganze eher lustig als gruselig wirken lässt.

Neben dem Duschzelt befindet sich eine Styling Area sponsored by Rossmann mit großen Spiegeln, Sitzmöglichkeiten und Stylingprodukten. Do it yourself Styling oder vom Profi, hier findet man alles was das Gothic-Herz nach einer Dusche begehrt. Obwohl ich denke, dass viele Besucher genauso viel Erfahrung im Styling haben wie ein Profi. Wer sich noch nicht so sicher fühlt kann auch den „Boost Your Hair“ Workshop in der M’Era Luna Academy besuchen. Und diejenigen, die schon eine ordentliche Haarpracht sowie ein Händchen dafür besitzen, können an einem Radio Workshop teilnehmen oder Lesungen von Markus Heitz und Axel Hildebrand lauschen – natürlich darf auch Stammgast Christian von Aster nicht fehlen.

Der Mittelaltermarkt wird wie jedes Jahr am Freitag eröffnet und die Besucher können sich bei Met und Gesang vergnügen. Auch für Shoppingwütige ist gesorgt: die Verkaufsstände vor dem Festivalgelände bieten ihre Ware feil und nachdem dies befriedigt ist, kann im Hangar getanzt werden. Etwas umständlich nur, dass man den Eintritt am Infozelt erstehen muss. Zum Glück sind die Wege auf dem M’Era Luna nicht weit, egal wohin man möchte.

Am Samstag ist es dann soweit. Das Line Up startet und wie jedes Jahr eröffnet die Gewinnerband des Bandcontest die Main Stage. Bereits um 11 Uhr morgens ist Stagetime für Null Positiv. Zwei sexy Katzen-Damen schleichen elegant über die Bühne während Sängerin Elli Berlin problemlos zwischen Growlen und klarer Gesangsstimme wechselt. Äußerst professionell erscheint die Band aus Lübbenau und gewinnt die Menge sofort für sich. Doch ein Nachteil der ersten Band ist, dass sie viel zu kurz spielt und somit ist nach 20 Minuten Schluss und die Bühne wird an Sündenklang übergeben. Im Hangar bleibt derweil alles beim Elektronischen mit Empathy Test. Relaxte Klänge, welche die Elektro-Fans sanft in den Tag starten lassen.

Stahlmann (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Ein kleines Hightlight des Morgens sind Stahlmann. In schwarzem Outfit mit tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen legen sie sogleich „Willkommen“ los. Diesmal bekommt das sonst silber angemalte Gesicht ein Upgrade durch individuelle silberne Masken. Die versilberte Variante von Slipknot. Nach dem zweiten Song „Stahlmann“ entledigt sich die Band bereits ihrer, was jeder gut verstehen kann, da die Sonne scheint und sich auch der Gesang etwas gedämpft anhört. Darunter bleiben sie ihrer Linie mit den silber bemalten Gesichtern treu, nur diesmal kommt noch ein kupferfarbenes Highlight hinzu; passend zu dem neuen M’Era Luna Banner mit dem Kyberos. Zwischen der geballten Neue Deutsche Härte findet auch die Ballade „Engel der Dunkelheit“ viele Mitsinger im Publikum. Mal wieder gibt es ein paar dem Wind verschuldeten Soundschwankungen, doch nicht so massiv wie in vergangenen Jahren.

Hart geht es weiter auf der Mainstage. In der ersten Reihe verharren schon eine Weile die hartgesottenen Fans der Deathstars, die man an ihren logobestückten Mützen erkennt.

Deathstars (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)
Deathstars (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Zu dem Intro von „Night Electric Night“ erscheinen die Musiker nacheinander auf der Bühne. Der neue Drummer Marcus wird herzlich vom Publikum begrüßt und auch Cat Casino ist zurück, was sicherlich einige Fanherzen höher schlagen lässt. Das Gelände ist nun gut gefüllt und auch Deathstars versuchen ihr Set mit so vielen Songs wie möglich zu füllen. Ohne große Zwischenspiele oder langatmigen Ansagen preschen sie von einem krachenden Song zum nächsten. Skinny zeigt sich in Bestform und wirbelt die Dreads umher.

Auch die Youngsters Marcus und Cat strotzen vor Energie, während Whiplasher und Nightmare etwas hinterher hinken. Doch lediglich körperlich scheinen sie nachgelassen zu haben, musikalisch zeigen sich alle Deathstars im Gesamtbild von ihrer guten Seite und lassen keinen Hit aus.

Nach so viel Soundprügelei on Stage ist es Zeit für etwas Pause, denn mit einer Premiere geht es um 17:40 Uhr weiter. Nach 8-jähriger (Zwangs?-) Abstinenz spielen die Aggrotecher Agonoize im Hangar und haben natürlich wieder literweise Kunstblut im Gepäck.

Agonoize (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Leider ist der Sound im Hangar weniger gut und gesanglich versteht man kaum ein Wort. Nachdem die vorderen Reihen blutgetränkt sind, bricht großer Jubel zu den ersten Tönen von „Staatsfeind“ aus. Chris L. nutzt die Ankündigung eines neuen Songs, der im Oktober erscheinen soll, für eine weitere Blutdusche. Das Highlight des Konzertes ist jedoch ein Cover zu „Breathe“ von The Prodigy, um dem verstorbenen Keith Flint zu huldigen. Dieser ist im übrigen zur wahren Ikone aufgestiegen, nicht ein Kyberos, den man das gesamte Festival nicht zu Gesicht bekommt (wo treibt er sich nur rum?). Zwar kommt das Cover nicht ans Original ran aber die Geste stimmt doch ein wenig melancholisch. Da verzeiht man es Agonoize, dass sie ihren Hit „Korpolalie“ sausen lassen.

Mono Inc. (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Auf der Hauptbühne sorgen Mono Inc. dafür, dass die Leute nicht pausieren. Das Publikum bewegt sich wie die Wellen auf dem Meer. Sänger Martin Engler wird von zwei Pestdoktoren mit den typischen Masken und Hüten flankiert. Katha bedient ihr Schlagzeug mit einer Leichtigkeit und singt auch noch Backgroundvocals dazu, dass man nur ins Schwärmen geraten kann. Mehrmals werden während des Sets die Outfits bei Martin Engler gewechselt, um die Songs optisch zu unterstützen. Katha bekommt ihr eigenes Drumsolo und heizt den Leuten damit ein, bevor es in die Titelmusik von „Das Boot“ übergeht. Und weiter trommelt sie zum Beat von „Das Boot“, flankiert von Carl und Manuel (mittlerweile ohne Masken) – flankieren können sie gut. Bei „Children Of The Dark“ wird noch einmal kräftig mitgesungen, auch als die Band längst aufgehört hat zu spielen.

Zu [:SITD:] wird vor dem Hangar im Spalier getanzt, so dass man sich beim Verlassen fast wie bei einer großen Gothic-Hochzeit vorkommt. Die Stimmung drinnen kocht und es wird auch drinnen getanzt, nur leider ist der Gesang einmal mehr nicht überzeugend im Hangar.

Within Temptation (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Und schon ist es Zeit für Within Temptation. Am M’Era Luna scheinen die Uhren stets schneller zu ticken. Sängerin Sharon diesmal dezent im kleinen Schwarzen und mit einem weißen Handschuh bekleidet. Die Band legt wie immer gute Laune an den Tag und spielt einwandfrei. Auch Sharon ist dieses mal in Bestform. Die Soundtechnik trägt den Rest zu einer sagenhaften Show bei. Die Pyros strahlen ihre Hitze auf das Publikum ab und zur Akustik-Ballade „Nightingale“ darf geträumt werden. Auch eine Lasershoweinlage kommt zum Einsatz. Meinem Empfinden nach hatte Within Temptation selten so viel Power wie an diesem Abend. Allerdings sind Sharons Kunsthaare schlecht in ihren Pferdeschwanz eingearbeitet – das kürzere Ende ihrer Echthaare spickt doch zu sehr hervor – da hätte sie wohl besser nochmal bei „Boost Your Hair!“ vorbei schauen sollen. Zum Schluss darf natürlich „Mother Earth“ nicht fehlen und mit Lichtshow, Feuer und Laser wird das Publikum unter voller Pulle entlassen. Schnell knipst die Band noch ein Abschiedsfoto und macht die Bühne für ASP frei.

ASP (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Die Frankfurter, die für viele an diesem Tag sicher die Hauptattraktion sind, geizen gleich zu Beginn nicht mit Feuer und Feuerwerk. Aber Vorsicht, denn sonst bewahrheitet sich ihr Refrain „Ich will brennen“ noch! ASP liefert mit seinem Feuerwerk an Sound und Show den perfekten Abschluss des ersten Festivalabends.

Auf dem Rückweg zum Schlafplatz wird klar, dass der Platz auf dem M’Era Luna langsam aber sicher knapp wird. Die Landebahn wird mit Wohnwagen bestückt und es sieht so aus als würden einige in zweiter Reihe parken müssen. Aber solange es noch funktioniert…

Strahlender Sonnenschein empfängt die Finnen von Fear Of Domination am Sonntag als erste Band auf der Mainstage. Dröhnend geht der Gesang von Sara Strömmer in den ersten Songs etwas unter. Ziemlich schade, denn beim Soundcheck vorab konnte man schon hören, dass es gut sein könnte. Doch dann fängt sich die Soundtechnik ein wenig und Saras cleane als auch roughe Stimme erklingt deutlicher. Schlagzeuger Johannes verlässt gleich zum ersten Song sein Drumset, um vorne mitzumischen und einzuheizen. Er tigert zu der geballten Rock-Industrial-Elektro-Ladung hinter Sara und Sänger Saku hin und her und trägt seine Backgrounds bei. Die Menge ist zu der frühen Stunde schon recht fit und lässt sich leicht animieren. Diese Band wirkt aber auch elektrisierend und duldet keine Atempause. Die teilweise neonfarbene Kriegsbemalung erinnert an einen Sci-Fi Film, der von Lordi stammen könnte – bei Dunkelheit mit UV-Licht sicher ein grandioser Effekt. Fear Of Domination sind eine Band, die man sich merken sollte. Johannes wirft zum Ende seine Drumsticks in die Menge, während Saku nur „Don’t kill them!“ lacht.

Scarlet Dorn (Foto: J.+B. Schulz bs! 2019)

Wer jetzt nicht zurück geht, um sich aufzurüschen, kann miterleben wie Lord Of The Lost Sänger Chris Harms einen Gastauftritt bei Scarlet Dorn hinlegt. Nach vielen kleinen Highlights wie Heldmaschine, Versengold oder einem Vortrag über Hexenkult, Symbolik, Rituale und Mythen locken Diary Of Dreams eine größere Menge an. Es herrscht eine Stimmung, die zwischen Picknick und Tanz pendelt. Der düstere und stampfende Sound der Band will nicht ganz zum vorherrschenden Sonnenschein passen, doch Songs wie „Epicon“ oder „Made In Shame“ lassen die Strahlen schnell vergessen. Das Publikum ist so gefangen, dass zum Ende Zugabe-Rufe laut werden, obwohl klar ist, dass zu so früher Stunde keine Zugaben drin sind.

Diary Of Dreams (Foto: J.+B. Schulz bs! 2019)

Die nächste Soundwalze steht aber schon in den Startlöchern. Zum einen überrollen Funker Vogt im Hangar die zappelnde Menge, zum anderen locken Combichrist mit einem Feuer- und Soundcheck auf der Hauptbühne. Langsam füllt es sich vor der Bühne zu Combichrist während das Intro zu „This Shit Will Fuck You Up“ erklingt. Die Nebelmaschine wird angeworfen… Moment, kommen jetzt die Sisters Of Mercy oder was? Doch es sind nicht die Sisters, sondern Combichrist, die auf die Bühne stürzen und von der ersten Sekunde an Vollgas geben. Das steckt natürlich an und nach dem ersten Song „Hate Like Me“ hat sich das Publikum in Rage getanzt.

Combichrist (Foto: J.+B. Schulz bs! 2019)

Es hilft auch, in das freudige Gesicht von Andy LePlague zu sehen, dem der Spaß an der Show anzusehen ist und der auch kaum still steht. Suicide Commando stehen in der hinteren Ecke der Bühne und sehen bei der ersten Hälfte der Show zu. Als die Kapuze von Gitarrist Eric13 fällt, strahlt auch er unaufhörlich übers ganze Gesicht und kann kaum genug mit dem Publikum und den Kameras interagieren. Leider ist der Bass zu „They“ viel zu präsent und übertönt viele Nuancen. Manchmal ist weniger mehr. Andy ist kaum zu halten und steigt bei „Blut Royale“ in den Securitygraben um face to face einzuheizen. Jetzt weiß ich auch, warum Combichrist so früh schon spielen: keiner versteht es besser die Menge aufzurütteln und in Feierstimmung zu versetzen. Eine riesige Party, die auch die Band sosehr begeistert, dass Eric13 am Ende der Show Bananen in die Menge wirft und sich in den Fotograben begibt, um ein paar Fans zu drücken. Das haben sie aber auch verdient! Nur merkwürdig, dass die zuvor getestete Pyro nicht verwendet wurde, oder habe ich etwas verpasst…?

Joachim Witt (Foto: J.+B. Schulz bs! 2019)

Dieses Jahr ist Witt, der 2018 zusammen mit Heppner performte, alleine auf der Hauptbühne Zugange. Zum bedrohlichen Intro erscheinen die Bandmitglieder auf der Bühne. Zuletzt Witt höchstpersönlich mit Wanderstock, schwarzem langem Cape und nicht dazu passender Sonnenbrille betritt er zu den ersten Klängen von „Herr Der Berge“ die Stage. Danach legt er Mantel und Gehstock ab und lässt sich von einer Assistentin die Sonnenbrille abnehmen, um mit irrem Blick ins Publikum zu starren. Eine theatralische Einstimmung von „Dämon“, man erkennt den Schauspieler in ihm. Seine konfusen Ansagen zwischen den Songs stoßen auf Verwirrung. Es scheint als wolle er die gesamte Rübezahl Geschichte besingen, doch kommen auch die Klassiker „Die Flut“ und „Der Goldene Reiter“ bei dem dann auch die weniger großen oder Nicht-Fans mitsingen und die Seifenblase in der ersten Reihe alles gibt.

So im Tanz-Flow geht es weiter im Hangar mit Assemblage 23. Eine tolle Lichtshow und zwei alternde Männer auf der Bühne die ordentlich Gas geben. Aber schon beim ersten Song „Binary“ dröhnt der Bass viel zu sehr. Das ist dieses Jahr im Hangar zu übertrieben und flaut die Gesamtatmosphäre ab. Stimmlich gesehen ist die Darbietung nicht schlecht, schwankt aber doch etwas. Dies und die Wärme treiben dann doch raus zu Subway To Sally.

Doch hier fragt man sich erst einmal, ob man an der richtigen Veranstaltung gelandet ist. Eine Mischung aus Micky Krause und Helge Schneider im goldenen Pailetten Jackett und mit entsprechender Helge Krause Perücke stürmt zum Mikro. Wir sind hier doch nicht beim Schlagermove! Auch die Band, die sehr nach Subway To Sally aussieht, trägt funkelnde Pailetten Jacken. Im Kontrast zu dem Geglitzer auf der Bühne, ist das trockene Gelände davor sehr staubig. Zum ersten Song „Messias“ beginnt sich die Menge zu bewegen, was im Laufe des Konzertes eine Staubwolke vor der Bühne entstehen lässt. Die Seifenblasen fliegen und direkt nach dem ersten Song verlässt die Band die Bühne, um sich ihrer Perücken und Glitzerklamotten zu entledigen und sich in ihrem wahren Gewand zu zeigen. Chris Harms von Lord Of The Lost ist auch wieder mit am Start und kommt in pinkfarbener Pailettenhose zu „Island“ ans Mikro – er hat wohl nicht mitbekommen, dass die Pailetten jetzt wieder out sind. Und endlich kommen auch die Pyros zum Einsatz – gut dass sie noch vor Combichrist getestet wurden und alle heiß darauf gemacht haben. „Kleid Aus Rosen“ begeistert auch nach Jahren die Menge wie zuvor und lass mich raten… genau: die 7 ist immer noch seine Zahl.

De/Vision (Foto: J.+B. Schulz bs! 2019)

Es wird wieder Zeit für ein Kontrastprogramm und das gibt es mit De/Vision im Hangar. Das Publikum klatscht voller Erwartung im Takt des Intros. Zu dem Kuschelelektro mit klarer Stimme ist diesmal ausnahmsweise der Bass nicht zu laut. Entspannend und doch tanzbar könnte man ewig verweilen, doch es bleibt bei einer kurzen Stippvisite, denn auf der Hauptbühne rufen Fields Of The Nephilim.

Nun haben die Fotografen Pause. Fields of the Nephilim erlauben keine Fotos, Gerüchten zufolge soll es an der schlechten Zahnarztarbeit liegen, doch wer weiß das schon. Dafür gibt es umso mehr Nebel und den Running Gag des Tages: die Seifenblasen aus der ersten Reihe – DIE haben Fields Of The Nephilim sicher nicht bestellt.

Es gibt kein passenderes Intro für diese Band als der Titelsong von „Spiel mir das Lied vom Tod“. Vor der Bühne ist nicht ganz so viel los wie bei Subway To Sally, doch die düstere Westernatmosphäre sorgt gleich für eine Gänsehaut. In langen Staubmänteln und jeder mit seinem individuellen Hut auf dem Kopf tritt die Band würdevoll auf die Bühne. Nur Bassist Tony Pettitt fällt mit seinem Käppi zwischen den Cowboys aus dem Raster. Auch die festivaleigenen Kameras vorn am Bühnenrand sind nicht besetzt. Die hinteren Kameras erfassen aber noch genug sonst wäre es auch unfair den Leuten gegenüber, die weiter hinten stehen. Dafür gibt die Nebelmaschine immer wieder Gas – wahrscheinlich haben Fields Of The Nephilim eine Wette mit Sisters Of Mercy laufen, wer die Nebelmaschine am schnellsten leert. Langsam füllt sich das Gelände, es bleibt vor dem Wellenbrecher aber trotzdem entspannt. Die Band lädt auch nicht gerade zum Austoben ein. Dafür liefern sie erstklassige Qualität und unterstützen ihre düstere Endzeitwestern-Stimmung optisch, sobald sich der Nebel mal ein wenig lichtet. Frontmann Carl McCoy ist kein Mann großer Worte, dafür mit großer Stimme. Zu „Moonchild“ beginnt es dann doch noch etwas zu regnen, aber für das bisschen Getröpfel braucht man kaum einen Schirm oder Kapuze – den Regen nehmen die meisten sowieso nicht wahr, da sie wie in Trance zur Bühne sehen und sich im Takt wiegen. Auch zum Ende der Show verabschiedet sich Carl McCoy kurz und knapp mit einem „thank you very much. Goodbye.“ und ist – zack – weg. 

VNV Nation (Foto: J.&B. Schulz bs! 2019)

Der Tag neigt sich langsam aber sicher seinem Ende zu und somit auch das M’Era Luna 2019. Noch einmal schnell zu Suicide Commando tanzen, wenn man in den stark gefüllten Hangar möchte. Oder entspannt auf der großen Außenfläche zu VNV Nation die Hufe schwingen? VNV Nation können es offenbar nicht erwarten und betreten wenige Minuten zu früh das Rampenlicht. Ein gut gelaunter Ronan Harris schmettert gleich „When Is The Future?“ entegegen. Die Kamera wird wieder zum Leben erweckt und filmt was das Zeug hält. Von der Band geht wie gewohnt wieder ein musikalisches Feuerwerk aus und vom Wellenbrecher bis zur Bühne erhebt sich eine Staubwolke die von den Tanzenden aufgewühlt wird. So manch einer muss hustend nach hinten flüchten. Die Arme werden schwer von dem Klatschalarm zu „Genesis“ und eine Seifenblasenattacke bei „Illusion“ Seifenblasen unterstützt die andächtige Schmusestimmung. So geht langsam die Sonne unter und das M’Era Luna 2019 geht nur noch wenige Minuten.

Und immer noch ungesehen: der Kyberos! Vielleicht hat er eine Stauballergie oder schnarcht noch in seinem Zelt weil er die Nacht im Diskohangar durchgefeiert hat. Auch in diesem Jahr verlief das Festival friedlich, mit guter Stimmung und gutem Wetter. Fazit: wir kommen wieder.

Ich denke Petrus ist ein Goth.

Galerien (by J.+B. Schulz und Torsten Volkmer bs! 2019):

Ein herzliches Dankeschön geht auch in diesem Jahr an unsere Freunde Jessica und Benjamin von Black Fascination. Schaut gern mal bei den Beiden vorbei und bewundert den Rest ihrer Kunst. Link

Links:
www.meraluna.de

Melanie Schupp
Melanie Schupphttps://www.be-subjective.de/
Melanie – the fucking awesome face from outer space – Schupp, ist Freizeitzombie, der Alptraum jedes Metalldetektoren, HardcoreBraut und schippert von Hamburch auch mal über den Musicheadquarter. Als kleine Schwester Edward Scissorhands, hat sie das zweite Gesicht, schreibt ihre Texte mit Kunstblut und Kajal und bringt Farbe in jeden Fotograben.

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