Review: Hurricane Festival – Lasst uns darüber sprechen…(2023)

Freitag

Das Thema ist ernst. Es ist seit Jahren bekannt und trotzdem scheint es, als würde nach wie vor nicht offen darüber geredet werden, dabei ist es etwas ganz Natürliches und absolut nichts, wofür man sich schämen muss. Jede*r Festivalbesucher*in macht das durch.

Atmo beim Hurricane (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Schwarze Popel.

In den Augen. In der Nase. Im Ohr.
Es ist raus. Ihr hattet sie. Wir hatten sie. Felix Kummer hatte sie. Kein Wunder, fand das Festival auch in diesem Jahr wieder bei gnadenloser Hitze auf dem staubigsten aller Böden statt. Dabei bringen erfahrene Festivalgäst*innen normalerweise ein Schlauchboot mit nach Scheeßel.

Sondaschule (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Als die diesjährige Ausgabe des Festivals am Freitag startet und das Hurricane Swim Team, angekündigt von Elton, den ersten vollständigen Festivaltag eröffnet, ahnt man noch nicht, dass man schon kurze Zeit später direkt in die Kulisse von Mad Max: Fury Road befördert wird. Auch bei der Sondaschule sind die Zustände noch durchaus tragbar. Der trompetengetragene Sound der gestandenen Punker passt hervorragend zum wunderbaren Wetter und den Menschen im sich füllenden Infield wird auch von Innen langsam warm. Es ist wieder Hurricane. Das erste Mal so richtig seit der Pandemie. Zwar fand auch die letzte Ausgabe schon wieder unter fast ‚Normalzuständen‘ statt, aber in diesem Jahr bewegt man sich sicherer, die Nähe der Anderen lässt nicht mehr zweifeln. Schön.

Gayle (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Wer die Sondaschule frühzeitig verlässt und sich Richtung River Stage bewegt, kann dort die mitreißende Show von Gayle anschauen. Die junge Texanerin ist noch recht neu im Rock’n’Roll Zirkus, benimmt sich auf der Bühne jedoch, als hätte sie den Direktor den Löwen zum Fraß vorgeworfen und den Laden kurzerhand übernommen. Damit zeigt sie klar, dass sie mehr ist als ein Tik-Tok-Sternchen. Nicht leicht auch mit anderem Material zu überzeugen, wenn man einen so viralen Hit wie ABCDEFU geschrieben hat.

Donots (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Zurück auf der Green Stage übernehmen die alten Zirkushasen von den Donots. Die wissen was sie tun und das Publikum weiß erst recht, was es zu tun hat. Ordentlich Staub aufwirbeln in den wohl am freundlich-freudigsten Circle Pits des Hurricanes. Spätestens jetzt fühlt sich so ein Festival doch an, wie nach Hause kommen. Gemeinsame Euphorie, wirklich gute Musik und überall einfach gute Leute. So gesellt sich auch Elton nochmal mit Kuhglocke zu den Donots auf die Bühne und unterstützt tatkräftig bei „We’re not gonna take it“, bevor er selbst noch einmal das Wort ergreift:

„Also Leute, ihr seid die Zukunft. Egal, was für eine Scheiße die großen Parteien jetzt gerade vielleicht bauen. Es ist noch lange kein Grund eine antidemokratische oder menschenverachtende Partei wie die AfD jetzt gerade zu wählen. Ich zähle auf euch!“

Ashnikko (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Großer Jubel. Das schenkt Hoffnung. Und dann geht es auf der Rive Stage in eine Welt, die die eingesessenen Hurricanegäste vermutlich nicht mehr ganz verstehen. Ashnikko – provozierender sexy Cyberpunk im Mangalook. Moderner Sound und ausgefallene, laszive Choreografien, die vor allem ein jüngeres Publikum ansprechen. Dieses kann wiederum mit Anti-Flag auf der etwas abgelegeneren Mountain Stage nicht so viel anfangen. Die Punkrocker aus Pittsburgh sind seit nunmehr 30 Jahren gemeinsam unterwegs und haben seitdem kaum an Energie und Relevanz verloren. Knüppelvoll ist es vor der Bühne vielleicht nicht, aber Staub gibt es auch hier ohne Ende.

Zeit, einen Moment aus der Sonne zu gehen und die Sleaford Mods im Zelt zu besuchen. Das britische Pöbelpunk-Elektro-Rap-Duo veröffentlichte erst kürzlich ihren neuen Langspieler UK Grim und hat somit allerhand Neuigkeiten im Gepäck. Wer die beiden kennt, bekommt genau, was er oder sie erwartet. Wer sich nur in den Schatten verirrt hat, dürfte äußerst überrascht sein ob dieser wilden Kombination aus ernster Musik und reduziertem Ausdruckstanz.

Tash Sultana (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Zurück auf der Mountain Stage packen The Interrupters die Ska-Trompeten aus und wirbeln mit sonnigem Los Angeles Punk Rock für noch ‘ne Runde Staub und beste Laune. Schön dabei zu sehen ist, das Female Fronted Acts in diesem Jahr auch zu späteren Stunden auf den Hauptbühnen zu finden sind. So auch Tash Sultana im Anschluss auf der River Stage. Die Multiintrumentalistin startet etwas verspätet, die Technik will nicht so, wie sie soll. Auch während des Sets gibt’s immer wieder kleine Aussetzer, die sie mit australischer Gelassenheit kaschiert, improvisiert. Gitarre, Keys, Drums, Loops und wirklich guter Gesang – das alles beherrscht Tash Sultana bestens und schafft es, sich die große Bühne als ganz eigene, klingende Spielwiese anzueignen. Das Publikum lässt sich fesseln. Ein wunderbarer Auftritt für den Sonnenuntergang.

Billy Talent (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Nebenan auf der Forest Stage gibt’s dann den ersten Headliner für die alten Hasen und Häsinnen. Billy Talent sind zurück in Scheeßel. Mit dabei haben sie natürlich neues Material, aber vor allem die Hits von Billy Talent I+II sind es, die an diesem Abend zünden. Und obwohl es vor der Bühne recht voll ist, bleibt es bis auf das Pit in der Mitte dann doch eher ruhig. Man steht und nickt mit dem Kopf, erinnert sich an die eigene Jugend und den Billy Talent Soundtrack, der diese begleitet hat. Aber zum Tanzen tut dann doch der Rücken zu sehr weh. Sind halt alle nicht mehr die Jüngsten.

Im Anschluss gibt’s mit Kraftklub noch ‘nen fetten Kracher. Alle sind da. Alle kennen die Songs. Die Lautstärke ist so hoch, dass auch die älteren Gäste sich trauen, zu tanzen, schließlich ist die Jugend so euphorisch, dass man sich da nix vormachen lassen will und das Beste ist: hier hört man die Hüften immerhin nicht knacken. Man mag ja von Kraftklub halten, was man möchte, aber ihre Headlineraufgabe haben sie verstanden. Schon ab dem ersten Ton ist der prall gefüllte Platz vor der Bühne ganz dabei. Mit spannender Bühnenkonstruktion und diversen Abstechern in die Menge und Songroulette bleiben unterhaltungstechnisch keine Wünsche übrig.

Kraftklub (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Samstag

Nasen und Ohren sind geputzt. Mehr oder minder frisch geht’s zurück auf’s Infield. Mit sattem Punk von TYNA werden auch die letzten Staubkrümelchen aus den Gehörgängen gepustet um Platz zu machen für … noch mehr Staub. Schon vorm ersten Song von Tyna wird klar, in welche Richtung der Wind wehen wird. Nach Links. Aus den Boxen brüllt es: „Kein Mensch muss Nazi sein.“, die Musiker*innen stehen und starren ernst in die Menge, bevor sie mit Dynamit loslegen. Solider Start in einen wunderbar gitarrenlastigen Tag.

Tyna (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
Fjørt (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Nebenan dürfen die Aachener von FJØRT in der prallen Mittagssonne noch mehr einheizen und ihre wutentbrannten Songs des jüngsten Langspielers nichts präsentieren. Zugegeben, Uhrzeit und Sonne sind da nicht so passend und vielleicht hätte es stimmungstechnisch im Zelt mehr Sinn gemacht. Dennoch liefert das Trio einen äußerst gelungenen Auftritt ab. Vor der Forest Stage verläuft heute ein langer Steg mittig durch das Publikum. Der gehört zu Muse, den Samstagsheadlinern. Leider wurde bei diesem in der Mitte ein Bühnenelement ausgespart, sodass die anderen Bands diesen nicht nutzen können, ohne beim Versuch elendig in die Tiefe zu stürzen. Ein Zustand, der Zebrahead, die im Anschluss ebenfalls auf der Forest Stage spielen, etwas anzupissen scheint. Zumindest gibt’s hier und da eine kleine Spitze gegen den merkwürdigen Aufbau. Trotzdem sorgt die Band für beste Stimmung, ruft die Leute zum Crowdsurfen auf, was partout umgesetzt und beim Festival eigentlich nicht so gern gesehen wird. Und da ist er dann auch promt wieder. Der Staub.

Alter Falter.

Akne Kid Joe (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
Funeral For A Friend (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Auch bei Akne Kid Joe auf der Mountain Stage kann man schon von weitem die wabernden Staubwolken über der Menge sehen und dass, obwohl es nicht mal wirklich voll ist. Wer da ist, der muss eben zu Songs wie Sarah, Frau auch in ‘ner Band und Heimatlied das Pogobein schwingen. Gegen das Patriarchat, gegen das Establishment, gegen die AFD etc. pp. Aber es ist zu fucking warm, um sich die Show ganz anzuschauen. Ein Abstecher zu Lola Marsh verspricht etwas Schatten. Leider fängt die Show über 20 Minuten zu spät an. Die Sängerin aus Israel versucht charmant, mit einem improvisierten Liedchen die Menge bei Laune zu halten, während Techniker verzweifelt an den Drums rumfummeln, aber als es dann endlich richtig losgeht wird es schon Zeit wieder aufzubrechen zu Funeral For A Friend auf der Forest Stage. Ein gewaltiger Fehler, denn hier gibt’s – und es fällt mir schwer das zu schreiben – den schlimmsten Auftritt des Festivals. Nach der Wiedervereinigung war die Hoffnung groß, dass die Band ihren Elan wiedergefunden hat, aber was man auf der Bühne sieht, ist ein Trauerspiel. Der Sound ist wirklich miserabel abgemischt und Sänger Matthew Davis-Kreye trifft nur schwer irgendeinen Ton. Absolut schade, hat die Band aus Wales mit Alben wie Casually Dressed & Deep in Conversation und Hours den Soundtrack für eine ganze Generation an Emo-Kids geschrieben. Während die einen versuchen, über das Trauerspiel hinweg zu tanzen, sieht man bei den Anderen nur lange Gesichter.

Chvrches (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Da lohnt es doch mehr zu CHVRCHES oder Alli Neumann zu schauen, die beide leider zeitgleich spielen. Schweren Herzens muss man sich entscheiden und dieses Mal fällt die Entscheidung auf Chvrches, die mit Sängerin Lauren Mayberry eine wirklich fantastische Show mit bestem Sound in den frühen Abendstunden zum Besten geben. Mal energetisch, mal verträumt. Auf jeden Fall fesselnd.

Atmo beim Hurricane (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Problematisch wird’s dann bei Madsen. Nicht wegen der Band, an denen ist absolut nix problematisch, sondern weil die Sonne sich dann ganz spontan entscheidet eine Pause einzulegen. Die Schleusen öffnen sich. Hagel. Starkregen, Gewitter, Sturm. Menschen flüchten, oder packen das Duschgel aus. Zäune fliegen. Nebenan bei Kaffkiez wird die Show unterbrochen. Madsen hingegen ziehen durch und die eisernen Fans ziehen mit. Regenbaden statt Nachtbaden.

Auch mal schön!

Im Zelt bei Pascow wird der Wellenbrecher kurzerhand zur Wäscheleine umfunktioniert. Das Klima ist warm-feucht-klebrig. Scheint der Band zu gefallen, die wie immer brilliert. Trotz der Saunazustände gibt’s eine energetische Show mit Dauerbrennern wie Wunderkind und Castle Rock und neuen Stücken des großartigen Albums Sieben. Die Gäste lieben es. Wir auch. Headliner der Herzen.

Hätte gern länger sein dürfen.

Pascow (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Auf den Hauptbühnen geht’s weiter mit Hip Hop. Trettmann und Marteria. Letzterer kam erst spät ins Line Up und so richtig Bock hatten einige nicht. Während das Hurricane versucht, sich mit Nachwuchswettbewerben für FLINTA* eine feministische Weste reinzuwaschen, wird ein Künstler eingeladen, der erst kürzlich in den USA polizeilich erfasst wurde, weil er seine Partnerin gewürgt haben soll. Schwierig, schwierig.

Muse (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Danach rappt RIN. Sympathischer Typ, gute Show, grundsolide Performance. Kann man machen. Aber nur kurz, Schließlich geht’s nebenan schon ganz bald mit dem Tageshighlight Muse weiter. Tageshighlight sollte man meinen. Schließlich füllt die Band aus England im Handumdrehen Stadien. Die fette Produktion hat die Band auch hier dabei. Pyro, futuristische Kostüme, spielfilmartige Videos, die die Songs auf den großen Videoleinwänden begleiten und natürlich wirklich großes Talent. Die Menge ist zwar euphorisch, aber so richtig ausrasten tut hier niemand. Klar, Time is Running out und Plug-In Baby lassen direkt nostalgisch werden und auch die neuen Sache wie We Are Fucking Fucked gehen direkt ins Ohr, aber die neue Generation Festivalgäste kann mit den gut gealterten Herren, ähnlich wie am Vortag bei Billy Talent nicht mehr ganz so viel anfangen.

Casper hingegen…

Casper (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Casper beherrscht den Laden. Alle sind da. Alle sind dabei. Alle werden eins. Fette Bühnendeko, noch fettere Band und ein gut gelaunter Casper zeigen, wie das mit dem Abriss geht, von dem die Musikjournaille so inflationär schreibt. Es ist der kraftvollste Auftritt, den das Festival an diesem Wochenende sieht. Nur wenige Tage zuvor kündigte der Rapper sein neues Album samt emotionaler Single „Emma“ an, die er auch live präsentiert. Nach TNT (sowohl TUA als auch Drangsal kamen als Gäste auf die Bühne, Marteria, der am gleichen Tag vor Ort war jedoch nicht) ein langer, trauriger Instrumentalpart auf den Bildschirmen in großen Lettern Hinweise zur Suizidprävention. Kurzes Innehalten, bevor Casper mit einem Knall auf einem hohen Steg inmitten der Crowd für drei Songs wieder auftaucht. Highlight dabei mit Sicherheit Gib mir Gefahr, das sich an Refused New Noise bedient und mit Pyro und Lasershow richtig ballert. Könnte schon ein perfektes Finale sein, aber Casper hat noch sechs weitere Songs im Gepäck und verabschiedet sich mit Hinterland und Feuerwerk.

Atmo beim Hurricane (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Sonntag

Power Plush (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Letzter Tag. Letztes Mal Nase putzen, Sonnencreme einpacken und rätseln: Wird’s heiß? Bleibt’s trocken? Doch nochmal Gewitter? Guck ich mir Power Plush oder Razz zuerst an?

Power Plush. Entspannter Start für den letzten anstrengenden Tag. Vor der Mountain Stage ist’s recht leer, aber wer da ist, hat Lust auf angenehm frischen Indie-Pop. Nach ner halben Stunde ist man bereits gut durchgegart und schafft es noch gerade so, seinen ausgezerrten Körper zu The Pale White zu schleppen. Blass und weiß ist heute niemand mehr. Eher The Tomato Reds. Guter Rock ohne viel Schnickschnack. Gab es so an bisher nur selten auf den großen Bühnen.

Palaye Royale (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Palaye Royale hingegen setzten auf viel Schnickschnack. Zumindest bei den Outfits – dort scheint sich an Keith Richards alter Garderobe bedient worden zu sein. Las Vegas Flair vom Feinsten. Und auch sonst haben die 5 Bandmitglieder ihre Aufgabe verstanden und liefern eine klassische Rockshow, wie man sie an diesem Wochenende nur selten gesehen hat. Es wird sich in die Menge geworfen, am Bühnengeländer hochgekraxelt. Der Sound ist dabei gar nicht so klassisch Rock’n’Roll, sondern sehr modern. Wäre der Glam-Rock von Gen Z erfunden worden, würde er so klingen. Kein Wunder also, dass die ersten Reihen gesäumt sind von jungen schmachtenden Menschen.

Frank Turner & The Sleeping Souls (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Auf der grünen Bühne folgen Betontod und Frank Turner & The Sleeping Souls mit soliden Shows. Beides Bands, die das Hurricane kennt, beides Bands, die auch nichts wirklich Neues zu bieten haben. Aber so eine sichere Konstante ist ja auch schön. Das Publikum nimmts dankend an. Zwischendrin spielt Nina Chuba auf der River Stage und zeigt den alten Herren, wie der Hase läuft. Um 14:00 Uhr ist der Platz rappelvoll. Alle wollen feiern mit der Wildberry Lillet Sängerin.

Nächstes Jahr dann Headlinerin, was Casper kann, kann Nina auch.

The 1975 (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Im Zelt verzaubert derweil Edwin Rosen, der im letzten Jahr einen regelrechten Hype erlebt hat, das überwiegend weibliche Publikum mit wavingen Klängen. Mit Clueso folgt eine weitere sichere Bank in puncto Festivalacts. Absolut tolle Band, tolle Show, tolle Stimmung, aber wieder nur wenig Neues. Perfekt, um am Sonntag etwas runterzukommen, vor den großen Acts, die noch folgen werden. Überraschend früh stehen The 1975 um 18:45 Uhr auf der Bühne. Noch früher die Mädels und auch einige Jungs in der ersten Reihe. Matty Healy mimt wie immer den kaputten Rockstar. Mit Flachmann, Wein und Kippen, torkelnden Moves und einem verschmitzten Lächeln hier und da lässt er die Herzen mindestens bis zum ersten Wellenbrecher schmelzen. Die Band perfekt, sein Gesang viel zu gut für das, was er da angeblich auf der Bühne alles konsumiert. Gelungene Show mit vielseitigen Songs vor allem für die jüngere Crowd.

Queens Of The Stone Age (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

45 Minuten später schmeißen die legendären Queens Of The Stone Age die Verstärker an. Es ist nicht ganz so voll wie nebenan bei Matty Healy und die erste Reihe ist auch nicht mehr ganz so jung und euphorisch, aber das hindert die Band nicht, ein nahezu perfektes Set zu spielen. Der Nevada-Wüstensound passt perfekt in diese heiße, staubige Kulisse. Songs wie das ewig in die Länge gezogene Make It With Chu lassen diesen Gig wie einen wohlig warmen Trip wirken. Josh Homme, der in jüngster Vergangenheit zahlreiche private Niederschläge erlebte, ist selig, zeigt sich dankbar für das, was er auf der Bühne machen darf. Im Prinzip hätte das Festival hier schon zu Ende sein können, aber es folgen noch zwei Knaller. Placebo und Die Ärzte und dann ist das Festival für 2023 Geschichte.

Atmo beim Hurricane (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Ein Wechselbad aus den guten Bands von früher und dem heißen Scheiß von heute. Nicht immer versteht die Jugend die Musik der Alten, nicht immer verstehen die Alten die Musik der Jugend. Dennoch war das Hurricane 2023 ein äußerst friedliches, generationsübergreifendes und entspanntes Beisammensein. Zehntausende Menschen hatten einfach Lust, ein schönes Wochenende miteinander zu verbringen – und wenn man sich nicht blenden ließ von all dem Kommerz, der den Festivalground mittlerweile doch umgibt, dann ließ sich auch in diesem Jahr wirklich schöne Musik entdecken. Sogar mit zunehmender Sichtbarkeit von FLINTA* auf den großen Bühnen – und wer weiß, vielleicht schafft das Hurricane irgendwann ja doch als eines der ersten großen Festivals die 50:50 – auch in den Headliner*innenslots. Schön wär’s!

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2023):

Links:
Hurricane Festival
FKP Scorpio

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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