Zurück Zuhause. Das ist für viele ein Gefühl des Ankommens, Vertrautheit, Schwelgen in Erinnerungen, Treffen alter Bekannte und noch so viele weitere Empfindungen. Zu etablierten Terminen zurückkommen, fest verabredet, auch ohne Absprache.
Casper hat dieses Wiederankommen eigentlich perfektioniert. Dezember bedeutet: Zurück Zuhause. Zurück im Lokschuppen, zurück an Theke 7. Eigentlich, da die letzten Jahre ihm einen ganz schön fetten Strich durch die Rechnung gemacht haben. Erst Corona und dann das aufgrund von Krankheit abgesagte Tourende. Dem fiel Bielefeld auch zum Opfer.
Umso schöner eine kurzfristige Entscheidung: Das Zurück Zuhause Festival wird nachgeholt. Genau so schnell wie es angekündigt wurde, war es auch schon ausverkauft und so findet Dezember eben im Februar statt. Bielefeld – here we come!
Freitagnachmittag. Eine Schlange vor dem Lokschuppen bis runter zur Straße. Freitagabend. Ein lockeres Durchgehen bis zum Einlass und fast ebenso locker bis in Reihe 2 – ohne Drängeln wohlgemerkt! Seit Corona haben sich Konzerte irgendwie verändert. Das Publikum ist entspannter geworden, allerdings nicht weniger vorfreudig. Kurz vor dem Start der ersten Band des Abends – Temmis – ist es noch ziemlich gemütlich. Je näher die Zeiger Richtung Stagetime rücken, desto voller wird es. Genug Platz zum Tanzen bleibt trotzdem zum Glück. Temmis sind nämlich ziemlich tanzbar und für mich die Überraschung des Abends. Ein bisschen Wave, Indie der 2000er, ein bisschen Britpop, viel Elektro und sehr tanzbare Beats. Gleich beim ersten Song ein neuer Follow bei Spotify, so darf der Abend weitergehen.
Was geht Leute? Habt ihr Bock?
Ja aber sowas von! 45 Minuten später und schon deutlich enger in den vorderen Reihen beim Auf- und Abhüpfen. Los Bielefeld, beweg dich! Eindeutig tanzbar ist Dilla. Durchatmen geht nur beim cheezy Liebeslied am Keyboard für den Hund auf ihrem T-Shirt. Wer da keinen Bock drauf hat, sollte jetzt rauchen gehen oder Kopfhörer reinmachen – bisschen Casper pumpen. Zwischendurch immer wieder unterbrochen von technischen Problemen. Scheißegal. Wird Photosynthese halt erst a capella und dann einfach ein zweites Mal mit DJ gespielt.
Komm‘, wir lassen dieses Jetzt und Hier explodier’n
Wo hörst du auf und wo fang‘ ich an?
Ein Typ, zwei Mikrofone, drei Buchstaben. Tua. Der dritte Act des Abends glänzt mit einem Solo-Auftritt, der sich gewaschen hat. Hin und her springen zwischen Keyboard und Bühnenrand und das alles in einer Coolness, da kann man den Mantel schonmal anlassen. Jetzt schon Vorfreude auf die Performance bei TNT mit Casper zusammen.
Wo hört es auf
Wo fang ich an
Alle guten Dinge sind… vier? Zumindest steht der Auftritt des Gastgebers Caspers kurz bevor. Gespannt wird die Bühne beim Umbau beobachtet. Auf der vorherigen Tour ein beeindruckendes Blumenmeer – das fehlt heute komplett. Irgendwie schade, die beeindruckenden Bilder nicht live zu sehen. Bielefeld macht sich sein eigenes Blumenmeer, so regnet es wenigstens Rosen aus dem Publikum. Alles war schön und nichts tat weh. Wie kann jemand so viele Leute so glücklich machen? Ein Flummi im Arminiatrikot, da ist das fehlende Bühnenbild direkt vergessen. Vollgas vom ersten Ton an, wer später bremst ist länger schnell.
Ehrenrunde Bielefeld, Jahnplatz
Auf alles, was wir geschafft hab’n
Deutsche Rapper: RIP (RIP), Flaggen auf Halbmast
Will ’ne Straße mit mein’m Namen in der Altstadt
Heimatverbunden wie eh und je. Ein paar Jahre später, ein Paar 20 qm mehr und etwa 200 m weiter. Natürlich ein Gruß an Theke 7 auf die gute alte Zeit. Da lädt man gerne alte Freunde ein. Hallo Drangsal, lass dich eintauchen in tosenden Applaus. Kaum springt Drangsal von der Bühne klopft auch schon Materia an. Fehlt ja eigentlich nur noch Thees, der kann heute aber leider nicht. Wie ein Fiebertraum (aber einer von den Guten!) gibt es kein Entrinnen. Hier muss man einfach mitspringen. Immer wieder kommt Casper nach vorne, nimmt Kontakt zum Publikum auf, nur um Sekunden später wieder in drei Sätzen zum anderen Ende der Bühne zu springen. Verharren in Sprechchören. Alles ist gut, genau so wie es ist.
Alles ist nur noch halb so beschissen,
wenn die Sonne scheint
Gleicher Ort, gleiche Zeit,
komm‘ doch mal wieder vorbei
Auf in die Zugaben. Großes Vorbild: Stefan Raab. Tosenden Applaus mit nur einem Schulterwink zum Verstummen bringen so dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Hut ab Casper, Hut ab ausverkaufter Lokschuppen. Das ist wirklich ganz schön ok. Atemlos und hellwach kurz vor Mitternacht nach draußen stolpern. Zuhause ist es wirklich am schönsten.
Galerien (by Rune Fleiter bs! 2023):
- Tua (17.02.2023, Bielefeld) [13]
- Temmis (17.02.2023, Bielefeld) [19]
- Dilla (17.02.2023, Bielefeld) [13]
- Casper (17.02.2023, Bielefeld) [24]
Setlist Casper:
- Alles war schön und nichts tat weh
- Im Ascheregen
- Alles endet (aber nie die Musik)
- Mieses Leben / Wolken
- Adrenalin
- Sirenen
- Euphoria
- Keine Angst (mit Drangsal)
- Supernova (mit Marteria)
- Jambalaya
- Lilablau (mit Drangsal)
- 20qm
- TNT (mit Tua)
- Lass es Rosen für mich regnen
- Blut sehen (Die Vergessenen Pt. 2)
- Auf und davon
- XOXO
- Michael X
- Wo warst du
- Hinterland
Encore: - Ganz schön okay
- Gib mir Gefahr