Vor dem ersten Ton der ersten Band, dem ersten gesungenen Ton, der ersten angeschlagenen Gitarrensaite herrscht auf Festivals immer die selbe Stimmung. Anspannung liegt in der Luft, Wartende stellen sich in Startpositionen, in der Hoffnung den 500-Meter-Lauf in die erste Reihe zu gewinnen, Securities lauschen ihren Walkie-Talkies, jemand prüft mit kritischem Blick die Wolkenbildung und hofft auf die perfekte Mischung von Sonne, Wolken und möglichst wenig Regen.
es geht los
Der Einlass beginnt, eine handvoll Personen stürmt los, der Rest trottet mehr oder weniger gemütlich hinterher. Ob der Headliner heute wirklich auftreten wird, scheint nicht allen ein sicheres Unterfangen zu sein, kritisierte der AStA der Uni Bielefeld im Vorfeld doch scharf sexistische Textpassagen aus Cro’s größten Hits. Dass der „Secret Headliner“ SXTN aus gesundheitlichen Gründen weniger als 24 Stunden nach deren Ankündigung ihren Auftritt doch dementieren müssen stößt jedenfalls auf mehr Empörung, als das Statement zu Cro.
Upgrade für Jace
Spontan ein Festival umorganisieren ist eine Kunst. Für die, die fehlen ein Jammer, für die, die stattdessen ein Upgrade erfahren eine wahre Chance. Jace sind ebendiese Glücklichen, dessen Show vergrößert wurde. Anstatt eines Besuchs auf der Nebenbühne gibt es Höhenluft, Fußstapfen ebnen auf der Hauptbühne, einheizen im Publikum, den Festivaltag einläuten und doch ganz klein. Ein schüchterner Jace auf großer Bühne fordert das Publikum auf, sich umzudrehen. Überzeugen kann der Auftritt leider kaum. Fehlplatzierte Soundeffekte und Textaussetzer, ein schwacher Start in den Tag.
„Das glänzt wie Gold“
Direkt eine ganz andere Stimmung herrscht bei Goldroger. Es wird gedrängelt vor der kleinen Nebenbühne, zurecht. Warum lässt sich locker abzählen: Die Musik ist gut gemacht, die Lines sind klar, die Tontechniker arbeiten hervorragend und auch die Sonne zeigt sich wieder am Himmel.
Was für eine Steigerung, so kann das Festival weitergehen.
`KLUK`es Kontrastprogramm
Auf Rap und Rap folgt Rock, ist ja klar. Primetime Failure drücken gewohnt nach vorne. Skatepunk made in Bielefeld, 14 Jahre Schule und doch kein Abi. Dafür allerdings Lateinkenntnisse und eine handfeste Tonallergie, die in einem Liebeslied verewigt wurde.
„Lasst uns über alle Schatten springen“
Tiavo beehren erneut NRW, dieses Mal Bielefeld. Das neue Album ist mittlerweile veröffentlicht, gespielt wird es mit tiefer Sicherheit. Anstatt zu labern wird gespielt, viel gespielt. Die Beats der Liveband perfekt, die Lines auf den Punkt, die große Bühne voll ausgenutzt.
So schmecken Pfirsiche.
I said a hip, hop, a hippie to the hippie
to the hip hip hop, you don’t stop
the rockin‘ to the bang bang boogie say up jumps the boogie
to the rhythm of the boogity beat
Marvin Game und der chilligste DJ der Welt rechts auf der Bühne, Fe & Aco MC direkt links daneben. Zwei Bühnen zeitgleich, zwei Bühnen nebeneinander: Rap. Die Beats ziehen sich durch den ganzen Tag, eine Line folgt auf die nächste, der Wunsch nach Abwechslung macht sich breit, war die Musikrichtung der letzten Jahre auf dem Festival doch wesentlich breiter gefächert. Qualitativ allerdings muss sich keiner der Acts verstecken.
Schweinesteak und Kaffee
Ein kurzer Abstecher in einen ruhigeren Bereich des Festivals. Sitzend auf sonnengewärmte Bodenplatten werden den Finalisten vom Singer-Songwriter Slam gelauscht.
Während Miss Allie betont fordernd Wünsche darüber äußert, ein Schweinesteak medium zu sein, ist Joschka Brinks von allem etwas weniger, aber deswegen bei weitem nicht weniger talentiert. Noch vor der Siegerehrung rufen Turbostaat zurück zur Hauptbühne.
„Gründet Bands! Macht Musik!“
Turbostaat unterbrechen die harten Beats und bilden trotz der rockigen Art eine erfrischende Abwechslung. „Wir sind Turbostaat und haben keinen Hip-Hop gemacht!“ Sind sie doch die Institution für Deutschpunk. Turbostaat merkt man ihre Bühnenerfahrung an. Gekonnt wird gespielt, entertained und erzählt.
„Und ihr, alle Frauen, gründet Bands! Macht Musik!“ Mit einer Ansage an alle Frauen vom Platz ruft eine Band voller Männer zu mehr Diversität in der Musikbranche auf.
Regenbogenglitzern
Der Auftritt von Neonschwarz fällt fast ins Wasser, will doch ein plötzlicher Regenschauer Technik, Band und Publikum ins Überdachte zwingen. Wer Neonschwarz sehen will, lässt sich so einfach nicht vertreiben. Belohnt wird das Gelände mit einem wundergroßen Regenbogen, sowie einem fabelhaften Act, dem eindeutig mehr Platz hätte eingeräumt werden sollen.
Schöner wird es nie
Schöner, als daheim ist es nirgendswo denken sich Von Wegen Lisbeth und bringen gleich ein ganzes Wohnzimmer mit auf die Bühne. Tischlampen, Topfpflanzen und Teppiche, eingehüllt in dicken Nebel. Das Kinderxylophon aus dem Spielzeugladen musste einem professionellen Musikinstrument weichen, das Keyboard zum Umhängen durfte bleiben und versprüht Retrocharme. So viel Zucker ist kaum auszuhalten. Euphorie und Jubel überstrahlen die Hauptbühne bei jedem neuen Song.
Fans von Fans von Fans
Ohne Konfetti geht beim Lumpenpack schlichtweg nichts. Der Sonnenuntergang wird mit buntem Papier verschönert, die zwei auf der Bühne mit pinken Dos Mas Krönchen, Wortwitz verschönert die Gitarrenmusik. Das Publikum vereinigt sich in einer bunten Masse von Gesang, Lachern und Konfettiwerferei.
Gebt ihm ein Hallo
Von allen Seiten wird versucht sich noch in den Bereich vor die Bühne zu quetschen, aber kein Durchkommen ist möglich. Ein schwarzer Vorhang verhängt die Bühne, Scheinwerfer wandern, ein kurzes „los geht’s“ erklingt und der Vorhang fällt. Dahinter eine Nebelwand, darin überall Pandamasken, Rampen, Liveband, DJ, Backgroundsängerinnen und Cro.
Der Headliner wird mit lauten Gesängen willkommen geheißen, nicht nur vor der Bühne, sondern auch auf den heimgebliebenen Handys, dank Livestream auf Instagram, Facebook, Snapchat und co. Ab Reihe 5 sieht man die Bühne kaum noch, kann allerdings jeden Winkel der Bühne über hochgehaltene Handydisplays begutachten.
Umso sympatischer ist es, dass Cro singend mitten durchs Publikum läuft, dahinter (wie sollte es auch anders sein) eine Gefolgschaft aus Securities und Besucher*Innen mit gezückten Handys.
Cro liefert eine professionelle Show und bleibt trotzdem ganz nah am Publikum. Jedes neue Lied wird laut bejubelt, jeder Kommentar beklatscht. Cro und seine Backgroundsängerinnen laufen über Rampen, ein Schlagzeugsolo bringt eine Atempause, bevor es mit noch mehr Power weitergeht. Immer mehr, immer weiter, bis zum offiziellen Festivalende. Welch’ gelungener Festivalabschluss auf der Hauptbühne.
Galerien (by Rune Fleiter bs! 2018):