Zu allererst: Das Apen Air macht ganz viel richtig. Es ist eine wunderbare Festivalidee, die den ländlichen Raum im Ammerland sehr bereichert. Vor allem Punk tut der eingeschlafenen Region wirklich gut. Etwas schade nur, dass auch das Line-Up etwas eingeschlafen ist. Mit Popperklopper und Fahnenflucht waren natürlich absolute Größen auf diesem Gebiet am Start, aber dennoch, oder gerade deshalb wirkte alles auch etwas einseitig. Wären The toten Crackhuren im Kofferraum nicht für Alarmsignal eingesprungen, wäre mit Rawkinson beispielsweise nur eine Band mit Frau in der Besetzung dagewesen – und an Möglichkeiten sollte es in diesem Genre eigentlich längst nicht mehr Mangeln.
Natürlich sind Bands wie Fahnenflucht super, aber die ersten Stunden des Festivals fühlten sich extrem nach Einheitsbrei an, was dazu führte, dass trotz der hohen Bierpreise schon um 15 Uhr ein erheblicher Pegel, vor allem im männlichen Teil des Publikums, herrschte. Was schade ist.
Gestartet ist der Tag mit der Band ohne Anspruch. Solider Einstieg, der die ersten Gäste ganz gut in Bewegung bringt. Allerdings starten die Jungs fast eine Stunde zu spät, was den gesamten Zeitplan, der sehr eng gestrickt ist, verschiebt. Es folgen Popperklopper aus Trier, die bereits über 30 Jahre Bandgeschichte auf dem Buckel haben. Auch solide. Genau wie die Folgenden Graupause, Drei Meter Feldweg und L.A.K.
Durch den engen Zeitplan scheint bei der ein oder anderen Band allerdings der Soundcheck etwas dürftig auszufallen. Ist ja auch schwer durchzuführen, wenn es gleichzeitig von der anderen Bühne her dröhnt. Dadurch ist der Sound oftmals mehr schlecht als recht. Stört den alkoholisierten Teil des Publikums allerdings null.
Alle Bands haben Bock. Das Publikum auch, aber richtig spannend wird es tatsächlich erst ab 17:30 Uhr.
Rawkinson aus Emden rund um Frontfrau Tanja überraschen mit einem an diesem Tag gänzlich neuem Sound auf der kleineren der beiden Bühnen. Dieser ist zum Glück auch gut. Die Musik der Emder ist etwas ausgefeilter und besticht vor allem durch den hervorragenden Gesang – der teilweise an die jungen Iron Maiden erinnert. Die Stimmung vor der Bühne ist top. Auch die Newcomer von Das Bildungsbürgertum zeigen den Urgesteinen von der Hauptbühne, was die neue Generation drauf hat. Frischer Punkrock, der ab und an die frühen Die Ärzte anlehnt, aber dennoch eine ganz eigene Signatur hat.
Warum sind eure Nudeln nicht vegan?
Wird wütend in die Menge gebrüllt. Auch die Themen scheinen verjüngt. Die ersten Reihen bestehen nur aus Menschen, die die Band bereits kennen und lieben. Viel besser wird die Stimmung an diesem Tag nicht mehr.
The toten Crackhuren im Kofferraum folgen auf der Hauptbühne und bringen die klangliche Abwechslung, die der Tag gebraucht hat. Nicht nur Stromgitarren sondern auch reichlich Elektronik. Und anspruchsvollere Bühnenoutfits als Jogginghose und Schlabberhoodie. Und Feminismus. Endlich. Das dezente Männerbashing seitens der Musiker*innen nimmt das Publikum mit Humor und macht jeden Spaß mit. So kann es gehen.
Auf der Nebenbühne übernehmen die Fliesenleger das Programm bis 100 Kilo Herz an der Reihe sind. Ebenfalls solide, aber nix neues.
100 Kilo Herz haben zur Abwechslung Bläser dabei. Und Bengalos. Das Publikum auch. Überall bunter Nebel, wie man sich ein Punkrockfestival vorstellt. Es ist wieder eine Band, die noch gar nicht so lange im Geschäft ist, die sich deutlich vom Rest des Line-Ups abhebt. Vor der Bühne ist es rappelvoll. Auch von den Regenschauern lässt sich niemand beirren. Das Moshpit wird zunehmend rutschiger und zahlreiche Gäste verbringen mehr Zeit auf dem Hintern als auf den Beinen. Trotz des rücksichtsvollen Verhaltens aller Teilnehmenden lassen sich so einige Brüche und Verletzungen jedoch nicht vermeiden.
Es folgen Helga und die Granaten, eine Institution in der Region, bevor Radio Havanna der Menge den Rest geben. Wer bis dato noch nicht vom Alkohol oder dem Wetter zerstört wurde, kann mindestens nach Radio Havanna nicht mehr stehen, obwohl der Sound an dieser Stelle wirklich bescheiden ist, aber die Band weiß trotzdem, wie man die Massen in Bewegung bringt.
Einerseits gut, andererseits schade. Denn bei Swallows Rose ist die Menge deutlich ausgedünnt. Wieder ist es eine recht junge Band, die durch erfrischenden Sound überzeugen kann. Melodischer Punk, bisschen wie Rise Against, schallt von der kleinen Bühne. Die die noch da sind, finden es gut.
Erst beim Headliner Turbostaat merkt man, wie leer es tatsächlich ist. Vor der Bühne sind schätzungsweise noch 300-400 Gäste übrig. Wenn überhaupt. Die Band nimmt es mit Humor und spielt in einer Qualität, als wäre der Platz voll. Zugabeschreie werden erhört und der Abend endet nach Klassikern wie „Tut es doch weh“ und „Harm Rochel“ mit dem neuen „Stormi“ und seinem klanggewaltigen Outro. Mittlerweile ist es längst nach 01:00 Uhr. Weitere Zugaberufe werden von der Bühne mit einem „Geht endlich nach Hause“ quittiert. Fair. Machen wir.
Abschließend lässt sich sagen: Ja, das Apen Air hat seine Schwächen. Vor allem im Line-Up und dem engen Zeitplan, aber das Gelände ist top, die gastronomische Versorgung ebenso. Die Securities waren durchweg freundlich und gut aufgelegt und ließen den Gästen die Freiheiten, die man bei einem Punkfestival erwartet. Man merkte definitiv, das viel Herzblut aller Beteiligten in dieses Event eingeflossen ist und das auch, wenn das Line-Up vielleicht nicht komplett der eigenen Façon entsprach, kaum jemand unglücklich nach Hause gegangen sein dürfte. Die Highlights an diesem Tag waren neben dem Headliner vor allem die jungen Bands.
Galerien ( by Thea Drexhage bs! 2022)
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