Wipers: Is This Real? (1980) Book Cover Wipers: Is This Real? (1980)
Park Avenue Records

Tracklist:

  1. Return Of The Rat
  2. Mystery
  3. Up Front
  4. Let's Go Away
  5. Is This Real?
  6. Tragedy
  7. Alien Boy
  8. D-7
  9. Potential Suicide
  10. Don't Know What I Am
  11. Window Shop For Love
  12. Wait A Minute

Is This Real?, das Debütalbum der Wipers, ist eine dieser Platten, zu denen ich als Teenager Saufen gelernt habe. Neben Daily Terror, Toxoplasma und einem ausgenudelten Live-Tape der Shifty Sheriffs („Schönen guten Abend, hier in … Bodenburg!“), lief diese Kassette so gut wie jedes Wochenende, während wir zu Aldi-Bier und Statesmen Whiskey mit River Cola auf dem C64'er Kaiser gezockt haben. Das war Ende der 80'er.

Mitte der 90'er hat das Béi Chéz Heinz, ein hannoverscher Club, damals vorübergehend ohne eigene Räumlichkeiten, ein Coverfestival in der Korn veranstaltet; einem anderen Club der Stadt. An jenem Abend haben noch drei weitere Bands gespielt, an deren Namen ich mich beim besten Willen nicht erinnern kann, von denen zwei aber definitiv Black Sabbath und Poison Idea gecovert haben. Und meine damalige Band, unter dem superoriginellen Namen Bypass, die Wipers: Is This Real? in Gänze. Ich an der Rhythmusgitarre. Weil ich zu schlecht für die Soli war. Kurz vor dem Auftritt habe ich mich zu allem Überfluss zum Kiffen verführen lassen (Danke, Lars!) und als ich wenig später auf die Bühne gestokelt bin, bereit zum Rockschtarwerden, war mein einziger panischer Gedanke, nachdem ich die Gitarre eingestöpselt und mich zum Publikum umgedreht hatte:

Uhhh! Scheiße. Weshalb gucken die SpackInnen mich denn alle an, ey?!?

Stichwort: Kiffparanoia? Jupp. Und zwar in der Deluxeversion. Die nächsten knapp 40 Minuten habe ich hochkonzentriert auf meine Finger gestarrt und gehofft, dass die anderen wissen, wie der jeweilige Song funktioniert. Ein Alptraum! Aber seitdem ist dieses Album unauslöschbar in die tiefsten Windungen meines Gehirns eingebrannt.

Die Wipers stammen aus Portland, Oregon, und haben nie die Anerkennung bekommen, die ihnen in der Geschichte des Punk zugestanden hätte. Fuck you, England! Dabei ist jeder Song ihrer ersten drei Alben ein zeitloser Hit: catchy, originell und mit 100%igem Wiedererkennungswert. Ursprünglich wollte Greg Sage (Sänger, Gitarrist und Mastermind der Wipers) Is This Real? in Form von 4-Spur Proberaumversionen selbst veröffentlichen, hat sich dann aber von Park Avenue Records breitschlagen lassen, die Songs in einem professionellen Studio neu einzuspielen. Blöderweise wurde das Album anschließend nichtsdestotrotz kaum promotet und ist zum Zeitpunkt seines Erscheinens sang- und klanglos untergegangen. Erst Jahre später hat John Peel (legendärer BBC Radio DJ) es als eines seiner 20 Lieblingsalben gelistet.

Den meisten Leuten sind die Wipers heutzutage wahrscheinlich ein Begriff, weil Nirvana zwei ihrer Lieder gecovert haben (Return Of The Rat und D-7).

Rückblickend betrachtet ist ihr Sound wahrscheinlich nicht mal wirklich Punk, was auch immer das heißen mag, sondern eher … schmutzig rock 'n rollig. Oder so. Dementsprechend hat Greg Sage die Wipers auch nie wirklich als Punkband begriffen. In einem Interview sagt er:

We weren't really a punk band. We were even farther out in left field than the punk movement because we didn’t even wish to be classified, and that was kind of a new territory. When we put out Is This Real? it definitely did not fit in; none of our records did.
Then, nine, ten years later people were saying:
'Yeah, it’s the punk classic of the ’80s.'

And it is. Behaupte ich mal. Das Album hat mit 12 Songs eine Spielzeit von gerade mal 35 Minuten (auf der CD-Version gibt es noch Bonus-Tracks und Alternative Takes), aber mehr braucht es offenbar nicht für einen Klassiker, der bis heute nichts von seinem rotzigen Charme verloren hat. Einen großen Teil tragen sicherlich die auf's Wesentliche reduzierten Texte über Orientierungslosigkeit und Teenage Angst (bevor es den Begriff in der Form überhaupt gab) dazu bei. Ein paar Auszüge?

„Alien Boy“

Go and grab your gun
Got him on the run
'Cause he's an alien
They hurt what they don't understand
So you had to turn away
There's no other way
You're an alien

„I don't know what I am“

I don't know what I am
So I'm just going to put on another sham
What to do when you're always subjected
What you fell when you're always neglected
Try to run but there's no way to find
No sanctuary

Oder meine Lieblingszeilen aus „Potential Suicide“

It's such a long way down
Maybe I should try a floor below
A softer landing might just ease the pain
Being a coward is such a drag

Wow. Einfach: wow! Kein Wunder, dass Kurt Cobain sich damit identifizieren konnte, hm? Es gehört schon einiges dazu, tanzbare und abrockende Songs zu solchen Texten zu komponieren, die sich dabei nichtsdestotrotz seltsam positiv anfühlen. Soundtechnisch betrachtet klingt Is This Real? mit heutigen Ohren gehört zugegebenermaßen eher unterproduziert; schwammig mittenlastig und alles andere als transparent. Aber sobald man genau das als Zeitzeugnis und Ausdruck der DIY-Haltung der Band betrachtet, gewinnt das Album gerade dadurch an Charme und Persönlichkeit. Einfach ein bisschen lauter aufdrehen, ihr Loudness-War geschädigten Green Day-Fans! Kriegt Ihr hin.

So. Und aus reiner Eitelkeit verlinke ich jetzt nicht nur das komplette Album, sondern zum direkten Vergleich auch D-7 in den Versionen von den Wipers

https://www.youtube.com/watch?v=a9f4fWSzCvA

Nirvana

https://www.youtube.com/watch?v=Vi2O9JkPQrE

und natürlich: Bypass.

Voll nicht muckte, Alter, ey!

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Mirco Buchwitz
Buchwitz – ja der heißt wirklich so und hat sich bis heute kein lustiges Pseudonym gegeben – hat mal einer Prinzessin die Arschbacken zusammengekniffen und dann war was mit Carolin Kebekus. Soll übel gewesen sein. Dabei schreibt der in erster Linie aus Verzweiflung und ist voll anstrengend mit all diesem reflektierten Zeug. Syntax im Jahrtausend von Autokorrektur. Geht’s noch? Angeblich hat der sogar Hausverbot in einigen veganen Hotspots der first world, weil für sein Gemüsical, ein Hörstück ohne Konservierungsstoffe, echte Karotten gestorben worden sind. Seine Karriere als Kritiker ist also ganz im Sinne seiner Bewährungsauflagen und wir befürchten, der kann die Texte auch selber vorlesen. Scheiß Spießer.