Long Distance Calling: Trips (2016) Book Cover Long Distance Calling: Trips (2016)
Postrock
Inside Out
29.04.2016
www.longdistancecalling.de

Tracklist:

  1. Getaway
  2. Reconnect
  3. Rewind
  4. Trauma
  5. Lines
  6. Presence
  7. Momentum
  8. Plans
  9. Flux

 

Was habe ich mich über ein neues Long Distance Calling Album gefreut. Grund dafür war der Song `Trauma` der bereits Monate vor Veröffentlichung live vorgestellt wurde. Der vom Anfangsriff her an `Mann gegen Mann` von Rammstein erinnernde Track, stellte für mich klar: Long Distance Calling sind wieder härter unterwegs. Der Vorgänger „The Flood Inside“ war zwar gut, hatte mich aber ein wenig enttäuscht, im Vergleich zu dem superben „Long Distance Calling“ Album. Zum einen fand ich nicht den Zugang dazu, auf Grund fehlender Prägnanz, abgeschwächtem Härtegrad und der Gesamteindruck wirkte einfach zu kühl.
Nach dem ersten Hören von „Trips“ stellte ich fest, dass es nicht das Album geworden ist, das ich erwartet hatte. Und nach jedem weiteren Durchlauf der Platte, hatte ich dann Tränen in den Augen. Viele Tränen…

Es konnte nicht wahr sein, was ich da hörte. Ich weinte Tränen der Freude, der Gerührtheit und der Dankbarkeit! Long Distance Calling haben es wirklich geschafft, sich selbst auf ein neues Level zu setzen. Obwohl sie meine Erwartungen nicht erfüllt haben, schaffen sie es aber trotzdem mit „Trips“ einen herausragenden Klangkosmos zu erschaffen, der mich vollkommen überzeugt.

Diese Band ist ein wahres Phänomen: Wie viele Trends hatten wir allein in den vergangenen zehn Jahren und Long Distance Calling biederten sich dabei niemals irgendwo an. Sie zogen ihr eigens Ding durch, was schon damit begann, als (fast) reine Instrumentalband zu starten. Bei „The Flood Inside“ hatte man dann einen etatmäßigen Sänger (Martin Fischer, Ex-Fear My Thoughts) und ein Gastsänger (Petter Carlsen) mit an Bord. Nun wurden die Rollen getauscht: Petter ist bei vier der neun Songs am Mikro tätig und Martin ist für die Keyboards bzw. den elektronischen Sounds verantwortlich (inzwischen aber komplett ausgestiegen).

Nichts gegen Martin, aber das Petter hier den Gesang übernahm, war genau der richtige Schachzug. Seine weiche, melancholische Stimme passt hier einfach wie Arsch auf Eimer. Einen ruhigen Song wie ´Rewind´ veredelt er zu einem traurigen, nachdenklichen aber dann zu einem nach Hoffnung schöpfenden Song. Bei `Planes` erreicht er stimmliche Parallelen zu James LaBrie (Dream Theater) und Jared Leto (30 Seconds To Mars), aber dennoch dabei eigen zu klingen. Und die Mörder-Refrains von ´Lines` und ´Reconnect` suchen ihresgleichen.

Aber sie können auch ohne Sänger: ´Presence` ist ein kurzer Einschub samt H.G. Wells Zitat (das bei `Flux` noch mal aufgegriffen wird), `Momentum´ ist eine flotte Achterbahnfahrt mit Muse Anstrich, `Flux` der kosmische Longtrack der Platte (mit fast 13 Minuten), das (eingangs erwähnte) harte `Trauma´ und die wunderschöne Reise in die 80iger mit der Single `Getaway´. Speziell dieser Track macht einfach nur süchtig. Die Mischung aus Rush zu „Grace Under Pressure“/“Power Windows“ trifft auf (nicht erschrecken) wavige Daft Punk und auf Serienthemes der damaligen Zeit (Miami Vice lässt grüßen…). Wundert euch nicht wenn diese Sucht dazu führt, dass ihr kurz darauf mit einem Pornoschnauzer und Pilotensonnenbrille herumläuft. Ich überlege auch schon das zu tun…

Eben diese Mischung lässt dieses Album leben und bei jedem Durchgang neu (er)leben. Ist sie dann besser als das „Long Distance Calling“ Album? Nein. Sie ist vollkommen anders, aber dennoch mindestens genauso gut, wenn nicht so sogar noch einen Tick stärker. Denn Long Distance Calling schlagen mit „Trips“ neue klangliche Brücken und lassen sie in ihren Sound mit einfließen. Egal ob Dredg, 30 Seconds To Mars (zur Anfangszeit), Muse oder Anathema, jeder Fan der genannten Bands wird an dieser hervorragend produzierte und in Szene gesetzte Scheibe (Vincent Sorg!) seine Freude haben, vor allem nachdem die eigenen Helden auch nichts mehr wirklich Gescheites auf die Kette gebracht haben.

Ich könnte noch stundenlang über „Trips“ schreiben, analysieren und philosophieren, aber geht lieber in den (Platten)laden eures Vertrauens und kauft euch diese Götterscheibe! Zelebriert sie, so wie ich es tue.  Für mich ist sie ein Anwärter auf das Album des Jahres! Und falls man es noch nicht eindeutig heraus gelesen haben sollte, was „Trips“ anbelangt: ICH BIN BEGEISTERT!!!!

 

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Michael Gerlinger
Bei Mike handelt es sich im Einzelnen um allerhand mittelfränkische Verhandlungsmasse, ein wahrer Gentleman, ein wahrer Poet Den Löwenanteil seiner irdischen Sternzeit fristet Metalmike, wie wir ihn nennen, auf 49°17`60" N, 10°33`34" O in der Multi Media Abteilung eines Glücksgefühl-Sortimentas. In den 90ern war Gentlemicha der erste, der sich “Musik ist (mein) Leben!” auf die Pommesgabel hat tätowieren lassen, deswegen reichte das Taschengeld auch nicht für ‘ne Baumpatenschaft. Weil Metalmike jeden Tag einen Clown frühstückt, sperren wir ihn in der Regel statt Jack in die Box und füttern ihn für den Rest des Tages hauptsächlich mit Rock- und Metalscheiben, von Weichspülern bis hin zum richtig steilen Zeug à la Mgla, Lifelover und Co.