Guns N` Roses: Chinese Democracy (2008) Book Cover Guns N` Roses: Chinese Democracy (2008)
André Tuchtenhagen
Geffen Records
22.11.2008
www.gunsnroses.com

Tracklist:

  1. Chinese Democracy
  2. Shackler’s Revenge
  3. Better
  4. Street of Dreams
  5. If the World
  6. There Was A Time
  7. Catcher In The Rye
  8. Scraped
  9. Riad N’ Bedouins
  10. Sorry
  11. I.R.S.
  12. Madagascar
  13. This I Love
  14. Prostitute

Zeiten ändern sich. Auf niemanden im Musikgeschäft trifft dieses Redewendung wohl eher zu als auf die Hard Rock Legenden Guns N` Roses, die sich Ende der 80er und in den frühen 90ern durch spektakuläre Konzerte, wildes Gitarrenspiel und skandalöses Auftreten ihren Namen gemacht haben. Aufgrund Unstimmigkeiten innerhalb der Band gab es seit Mitte der 90er über zehn Besatzungswechsel. So kommt es, dass die Arbeit an "Chinese Democracy" schon im Jahr 1994 begann, in dem Trubel aber unterging. Zwar scheint die Harmonie innerhalb der Band wiederhergestellt zu sein, doch von den Gründungsmitgliedern ist nur noch Axl Rose übriggeblieben, der nun mit neuer Mannschaft das erste eigenständige Guns N`Roses Album seit  1992 veröffentlicht.

Der erste Einblick in "Chinese Democracy" wurde den Fans aber schon 2002 gegeben, als die Band bei den MTV Video Music Awards bereits "Madagascar" spielte. Der Song bewegt sich auf ruhigeren Gleisen, ist aber interessant, auch wenn nicht äußerst innovativ, aufgemacht. Der Kern des Liedes ist eine Aneinanderreihung von Zitaten rund um das Thema Freiheit aus einer Rede von Martin Luther King und aus den Filmen Braveheart, Sieben und Mississippi Burning. Interessant, aber etwas überzogen und daher unglaubwürdig. Vielleicht hätte man das Thema an dieser Stelle anders angehen sollen?

Ganz andere Töne schlägt dagegen der Opener "Chinese Democracy" an. Nach einem kurzen Intro, in dem man unverständliches Gerede einer Menschenmasse hört, brechen die ersten Riffs und quietschenden Gitarren los. Der Song hält das Tempo und widmet sich kritisch und provokant Themen wie Politik und Macht. Aufgrund des Bezugs auf China hat "Chinese Democracy" im betroffenen Land für Furore gesorgt: Die chinesische Tageszeitung Global Times wirft der Band "bösartige Angriffe auf China" vor, und eine Entscheidung über eine Veröffentlichung des Albums ist noch nicht gefallen.

An den gelungenen Opener schließt sich "Shackler`s Revenge" an, ein ungewöhnlicher Song, dessen anfängliches Gitarrenspiel eher an Nu Metal à la Linkin Park erinnert. Gewöhnungsbedürftig sind auch der zweistimmige, hoch und tiefe, Gesang in den Strophen und die Elektrospielchen, die sich durch den ganzen Song ziehen. Letztendlich ist  eine temporeiche Mischung aus  klassischem Hard Rock, Industrial Rock und gar Nu Metal entstanden, die jedoch erzwungen modern wirkt. Dennoch könnte sie ihr Ziel erreicht haben, denn "Shackler`s Revenge" hat es tatsächlich in das aktuelle Guitar Hero Spiel geschafft.

Auf der anderen Seite macht "Chinese Democracy" mit seiner Vielzahl von Balladen und Songs im Midtempo einen sehr persönlichen und einfühlsamen Eindruck.

So wird die klassische Hard Rock Halbballade "Street Of Dreams" mit einem Piano eingeleitet, das aber bald von Gitarrenspiel unterstützt wird, welches in diversen Soli ihre Höhepunkte findet. Rose singt gefühlvoll und glaubwürdig über das Thema Perspektivlosigkeit  und beweist, dass Guns N`Roses das Schreiben von Balladen seit "November Rain" nicht verlernt haben. Klasse!

"There Was A Time" beginnt noch, passend zum Titel des Songs, mit epischen Chorälen, die in ein Glockenspiel übergehen, das die erste Strophe begleitet.  Bewegt sich der Song in den Strophen zunächst noch im Midtempo, sticht  bald der schnelle Refrain heraus.  Gut die Hälfte von "There Was A Time"  besteht aber aus Gitarrensoli mit theatralischen Streicherklängen aus dem Synthesizer unterlegt und der mehrstimmigen Wiederholung des Refrains. Nichtsdestotrotz kann der Song überzeugen, denn spätestens die dynamische Mischung aus dem Gesang Roses, der glaubwürdig und ehrlich mit seiner Vergangenheit abrechnet, einer Menge Soli und den Streichern reißen den Hörer mit.
"Riad n` The Bedouins" stellt mit "Chinese Democracy" einer der fetzigsten Songs auf dem Album dar. Einmal mehr beginnt der Song nach dem selben Prinzip, wie viele andere seiner Kollegen auch: nach einem ruhigen unscheinbarem Anfang, setzen berstende Gitarrenriffs ein und das Tempo schießt drastisch in die Höhe. Wieder wird mit verzerrten Gitarrensoli und modernen Klängen experimentiert, doch wirkt der Song diesmal natürlicher und weniger gezwungen als noch "Shackler`s Revenge", sodass in "Riad n` The Bedouins" am Ende ein stimmiger Rocksong entstanden ist.

Der letzte Song auf "Chinese Democracy" weist erheblich viele Temposchwankungen auf. Vertont wird "Prostitude" mit Piano, Streichern und viel Gitarrentönen, die nochmal eine Menge Bombast erzeugen. Nach knapp fünf Minuten fällt das Tempo aber rapide und das Album wird mit Streicherklängen und Klavierspiel ruhig ausgeleitet bevor es verstummt.

Unterm Strich ist "Chinese Democracy" ein solides Rockalbum, das Guns N´ Roses als Legenden des Hard Rock zwar nicht gerecht wird, aber dennoch zeitweise unterhalten kann.  Es ist weder ein Reinfall, noch ein Meilenstein, und würde sich wahrscheinlich wenig erfolgreich durchsetzen, wenn Guns N´ Roses sich nicht eh schon einen Namen gemacht hätten.

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Torsten Volkmer
Volkmr, der Gründer des ehemaligen Goth-Zine.de, verdingt sich „selbst und ständig“ als Linsenputzer bei volkmr fotografie ihm seine Knipsklitsche, hat sich als Chefredakteur 2.0 selbst recycelt, die Metalfriese abgeschüttelt und kämpft mit be subjective! erfolgreich gegen hausgemachte Langeweile, Schubladendenken und seine Profilneurose an. Manchmal darf er auch die RedakteurInnen rumfahren oder Wassereis abstauben.