Brian De Palma: Phantom Of The Paradise (1974) Book Cover Brian De Palma: Phantom Of The Paradise (1974)
Musical-Horror-Drama-Filmgroteske
20th Century Fox
1974
Blu-ray

Phantom Of The Paradise [Trailer], aus dem Frühwerk von Brian De Palma (Scarface, Carrie, The Untouchables), ist eine extravagante Glitzermischung aus Phantom der Oper, Das Bildnis des Dorian Gray und Faust, eingebettet in einen glamourös schrägen 70'er Jahre Musicalsound. Eine brüllkomische Rock-Oper. Eine groteske Musicbusiness-Satire. Erschienen knapp ein Jahr vor der Kinoversion der Rocky Horror Show, sind die Parallelen deutlich zu spüren. Aber während der eine Film sich über die Jahre hinweg zur Midnight Special-Kultsensation entwickelte, geriet der andere in Vergessenheit. Regisseure wie Edgar Wright (Shawn Of The Dead) oder Quentin Tarantino (diese Klammer musst du schon selbst füllen) haben ihn immer mal wieder ins Gespräch gebracht, ohne dass er dadurch an Bedeutung gewonnen hätte. Nur ausgerechnet in Winnipeg, Kanada, wurde der Film aus unerfindlichen Gründen schon früh zum Phänomen, so dass dort noch heute jährlich das Phantompalooza-Festival gefeiert wird, bei dem sich die beteiligten Schauspieler regelmäßig die Ehre geben.

Erzählt wird die Geschichte von Winslow Leach (William Finley), einem namenlosen Musiker und Komponisten, dessen Songs ihm vom Musikmogul Swan (Paul Williams) abgeluchst werden, der mit ihnen seinen Club, das Paradise, eröffnen will. Allerdings ohne Winslows Beteiligung, den er kurzerhand in den Knast befördert. Noch vor der Eröffnung gelingt es Winslow aber auszubrechen. Manisch stürmt er in eines von Swans Presswerken und gerät in eine Rangelei mit einem Nachwächter, bei der er, Kopf voran, in eine Plattenpresse stolpert, wobei ihm seine von Swan gestohlenen und umarrangierten Songs ins Gesicht gebrannt werden. (Und die Szene ist ebenso tragisch wie komisch.)

Schwer verletzt flüchtet er ins Paradise, in dem die Eröffnungsshow geprobt wird, schlüpft in ein Phantomkostüm aus dem Fundus des Ladens, versteckt sich in den Backstageräumen und verliebt sich in Phoenix (Jessica Harper), die Sängerin, die auserkoren wurde, seine Lieder zu singen. Schließlich stellt er Swan zur Rede, der ihm Ruhm und Anerkennung verspricht, sofern Winslow einen Pakt mit dem Teufel unterschreibt.

Von da an geht's bergab.

Komponiert wurde die Musik von Paul Williams, der im Film auch die Rolle des Swan spielt. Kurze Personenbeschreibung? Williams ist geschätzte 1,50 Meter groß, trug damals einen schulterlangen, blonden Pottschnitt mit Pony und befindet sich, freundlich gesagt, eher am unteren Ende der Attraktivitätsskala. Und sieht trotzdem schweinegeil aus. In den 70'ern war Williams ein bunter Hund in amerikanischen TV-Shows, schwerst koksabhängig, und gleichermaßen berühmt für seine Auftritte - und Fallschirmsprünge - bei Johnny Carson (legendärer Late Night Show-Host), wie seine herrlich schmalzigen Easy Listening Songs. Stichwort: Burt Bacharach? Zu seinen bekanntesten Hits zählen „We've Only Just Begun“ von den Carpenters oder David Bowies „Fill Your Heart“. Einen Oscar gewann er 1977 für den Barbra Streisand Song „Evergreen“, aus dem Film A Star Is Born, und nominiert war er unter anderem für „Rainbow Connection“ aus dem Muppet Show-Film.

Ja, genau: Kermits schönster Song wurde von einem Kokser am Rande des Wahnsinns komponiert.

Stilistisch tobt sich Williams auf dem Phantom Of The Paradise-Soundtrack komplett aus. Von 50'er Jahre Retro-Sound, über Beach Boys- und Kiss-Referenzen sowie Pianoballaden, ist bis zu pornistischem Wahwah-Pedal Geschmuckel (das Wort gibt's übrigens nicht) alles vertreten. Wenn ich kurz den Romantiker nach außen kehren darf? „Old Souls“, gesungen von Jessica Harper, ist wahrscheinlich einer der schönsten Lovesongs aller Zeiten - und braucht dafür keine 3 Minuten.

Our love is an old love, Baby
It's older than all our years
I've seen in strange young eyes familiar tears
We're old souls in a new life, Baby
They gave us a new life to live and learn
Some time to touch old friends and still return

Our paths have crossed and parted

This love affair was started long, long ago
This love survives the ages
In its story lives are pages

Fill them up
May ours turn slow

Our love is a strong love, Baby
We give it all and still receive
And so with empty arms
We must still believe
Old souls last forever
So we need never fear „Goodbye“

A kiss when I must go
No tears
In time

We kiss „Hello!“

Ich. Schmelze. Dahin! Okay. Zusammenreißen. Kurze Anekdote am Rande? Ich habe den Film Ende der 80'er auf Video aufgenommen, als er im ZDF-Spätprogramm lief. Ich war Instant-Fan: komplett begeistert. Anfang der 90'er habe ich in einem winzigen Postergeschäft in Hannover, hinten am Raschplatz, eine Originalversion des deutschen Filmplakats gefunden: gefaltet, ausgeblichen und schon ein wenig ramponiert. Trotz Studentenkohle, habe ich es für satte 80 Mark gekauft. Einige Tage später rief der Besitzer des Ladens bei mir an und raunte in verschwörerisch detektivischem Tonfall:

„Nnnnja. Du hast doch das Phantom Of The Paradise-Poster gekauft. Da … da sind jetzt noch Szenenfotos der Kino-Aushänge aufgetaucht.“
(ICH. LIEBE. DAS. NOCH. HEUTE!)

Natürlich habe ich auch diese Bilder postwendend erstanden - für 10 Mark pro Stück. Denn dieser Film macht besessen. Deshalb werde ich es nie wirklich verschmerzen, dass ich den obergeilen Aufkleber verschlampt habe, der dem Soundtrack beilag, den ich eher zufällig 2nd Hand in Hildesheim gefunden habe. Irgendwie hoffe ich immer noch, ihn in einer anderen Plattenhülle wiederzufinden, die ich seitdem nicht mehr aufgelegt habe. Seufz. Wie dem auch sei.

Phantom Of The Paradise ist für Film- und Musiknerds, die es gerne einen Tick schräger mögen, auf jeden Fall eine Entdeckung wert. Neugierig geworden? Dann noch ein versnobbter Tipp meinerseits: Man sollte es unter allen Umständen vermeiden, sich den Film in der deutschen Synchronisation anzugucken, die ihn stellenweise bedenklich nah in Bud Spencer-Territorium rückt. Da gehört er nicht hin. Ebenso wie die Rocky Horror Picture Show, hätte man diesen Film einfach nicht synchronisieren dürfen.

Schaut Euch Phantom Of The Paradise an und beurteilt ihn selber. Und falls Ihr dann ähnlich süchtig seid wie ich, sei euch noch das Swan Archive ans Herz gelegt, wo ihr detailierte Hintergrundinfos, unverwendete Szenen, Produktionsfotos oder News (ja: News!) findet. Bis dahin

PHOENIX!

 

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Mirco Buchwitz
Buchwitz – ja der heißt wirklich so und hat sich bis heute kein lustiges Pseudonym gegeben – hat mal einer Prinzessin die Arschbacken zusammengekniffen und dann war was mit Carolin Kebekus. Soll übel gewesen sein. Dabei schreibt der in erster Linie aus Verzweiflung und ist voll anstrengend mit all diesem reflektierten Zeug. Syntax im Jahrtausend von Autokorrektur. Geht’s noch? Angeblich hat der sogar Hausverbot in einigen veganen Hotspots der first world, weil für sein Gemüsical, ein Hörstück ohne Konservierungsstoffe, echte Karotten gestorben worden sind. Seine Karriere als Kritiker ist also ganz im Sinne seiner Bewährungsauflagen und wir befürchten, der kann die Texte auch selber vorlesen. Scheiß Spießer.