Start CD / DVD Reviews Blackfield: Blackfield V (2017)

Blackfield: Blackfield V (2017)

Blackfield: Blackfield V (2017)
Blackfield: Blackfield V (2017)
Art Rock, Alternative Rock
Kscope
10.02.2017
https://www.facebook.com/blackfieldhq

Tracklist:

  1. A Drop In The Ocean
  2. Family Man
  3. How Was Your Ride?
  4. We'll Never Be Apart
  5. Sorrys
  6. Life Is An Ocean
  7. Lately
  8. October
  9. The Jackal
  10. Salt Water
  11. Undercover Heart
  12. Lonely Soul
  13. From 44 To 48

Blackfield ist das 2001 entstandene Projekt des israelischen Popmusikers Aviv Geffen und Porcupine Tree-Sänger und Frontmann Steven Wilson. Melancholische Songs stehen dabei im Mittelpunkt. Der Sound wird geprägt von Akustikgitarren, warmem Harmoniegesang und Streichern, wobei gelegentlich auch rockige Songs im Repertoire auftauchen. Zwischen 2004 und 2013 entstanden bereits vier Alben des kreativen Duos und im Februar 2017 erscheint mit „Blackfield V“ ein weiteres Studioalbum, welches Geffen und Wilson in insgesamt sieben Studios eingespielt haben. Die Streicher-Arrangements stammen vom renommierten London Session Orchestra und drei der Stücke wurden in Kooperation mit Studio-Legende Alan Parsons aufgenommen und produziert.

Eine Hand reicht mir die Flaschenpost vom Cover. Ich öffne die braune Flasche und finde eine Nachricht, die besagt dass ich mich unverzüglich zum Hafen begeben und auf der „Blackfield V“ einfinden soll, die dort bereits vor Anker liegt. Ich renne bis ich völlig außer Atem bin und sehe schon von weitem den prächtigen Dreimaster. Aviv Geffen steht auf dem Oberdeck und gibt mir Zeichen an Bord zu gehen. Kaum habe ich die Planken der „Blackfield V“ betreten, ertönt eine kräftige Stimme hinter mir: „Leinen los! Setzt die Segel. Möge die Reise beginnen“.

Langsam entfernen wir uns vom Pier. „A Drop In The Ocean“ erklingt aus großen Lautsprechern. Es ist eine kleine aber feine Overtüre – gewissermaßen als Auftakt einer fantastischen Reise. Plötzlich steht Steven Wilson dicht neben mir und flüstert in mein Ohr: „Du musst wissen, das sich die Themen des neuen Albums um den Lauf des Lebens und die Kraft der Ozeane drehen.“

Eine kräftige Böe bläst in die Segel. Mit „Family Man“ nehmen wir Fahrt auf. Krafvoller Prog-Rock mit stakkatoartigen Violinen. Ein sehr dramatisch aufgebauter Song mit rätselhaften Lyrics. Dann erklingt die zarte Pianomelodie von „How Was Your Ride“. Nach dem verträumten Harmoniegesang folgt ein wunderschönes Gitarrensolo. Kapitän Alan Parsons hält das Steuerrad fest in der Hand und lächelt mir freundlich zu.

Bei „We’ll Never Be Apart“ wiederholt eine E-Gitarre den ganzen Song über ein eingängiges Mantra unterstützt von einem bombastischen Streicher-Arrangement. Lautlos gleiten wir über das Meer des Art-Rock.

Mit „Sorrys“ umschmeichelt mich eine akustische Ballade. Bestehend nur aus zartem Fingerpicking und sparsam eingesetzten Streichinstrumenten. Bei diesem melancholischen Stück wird es mir warm ums Herz. Der Südwind wiegt mich sanft in meiner Hängematte.

Plötzlich erhebt sich aus den Wellen eine Pianomelodie kraftvoll wie ein Stahlseil. „Live Is An Ocean“ kommt rockig und schwer mit Effekt versehener E-Gitarre daher. Beim sentimentalen Refrain kann sich keiner mehr halten und die ganze Mannschaft grölt hemmungslos volle Kehle mit.

Aviv, der Paradiesvogel klettert geschickt wie ein Äffchen am Mast hoch und intoniert die erste Strophe von „Lately“. Die liebliche Alex Moshe steuert sirenenhaft ihre Backing Vocals bei. Weil der Track so betörend gerät, zerschellen wir beinahe an messerscharfen Klippen und drohen zu kentern.

Aber bei „October“ wird dann alles wieder gut. Die Wogen glätten sich. Das Stück klingt wie die Titelmelodie aus einem Liebesfilm. Wir ankern und tauchen auf den Grund des Meeres, wo wir feinste Piano-Perlen sammeln. Allerdings geht uns fast der Sauerstoff aus, bei den mit reichlich Pathos ausgeschmückten Strophen. Kapitän Parsons hält mit „The Jackal“ hart am Wind. Eine ganze Seemannskiste gefüllt mit Vibrato liegt über Aviv Geffens Gesang. Von Backbord überrollt uns ein wahnsinniges Gitarrensolo und Steven verheddert sich dabei mächtig in Seemannsgarn.

Salzige Gischt spritzt uns um die Ohren. „Salt Water“. Sinnliche Gitarrenmelodien umkreisen uns wie ein riesiger Schwarm bunter Fische. Die Streicher vom London Session Orchestra klingen süßer als Zuckerwatte. Am Schluß gibt es noch reichlich Pianogetröpfel. Zahlreiche Delfine begleiten uns einige Seemeilen lang im Fahrwasser.

„Undercover Heart“ schleicht sich unmerklich in die Gehörgänge. Meisterlich arrangiert erklingt die Rock-Sinfonie, wie ein Fels in der Brandung. „Ein klassisch, melancholisches Lied mit einer sinnlichen und warmen Produktion“, klärt mich Steven  auf. Bei „Lonely Soul“ knattert eine Snare im Hauptsegel. Hypnotisch wispern die Stimmen: „Everything is broken, everything is chaos, everything in me.“ Ein paar Wolken ziehen auf. Doch ein Becher gefüllt mit Rum erwärmt unsere Seelen sofort wieder.

Um fünf wichtige Lebensabschnitte geht es bei „From 44 To 48“, dem letzten Song. Mein Gott, die beiden wissen wie man eingängige Songs schreibt, die einen tief berühren. „I knew I’d left it far too late for sure, to climb up the mountain 'cause time’s always running away from me“. Mit einem nicht enden wollenden Refrain klingt das Album butterweich aus.

Glutrot verschwindet die Sonne hinter dem Horizont, wie eine gigantische Orange. „Laaand in Sicht“, ertönt es aus dem Mastkorb. Vor uns taucht wie von Zauberhand ein kleines, tropisches Eiland auf. Wir gehen mit der „Blackfield V“ vor Anker. Mit einem Beiboot erreichen wir rasch das Ufer und unsere nassen Zehen bohren sich in den noch heissen Sand der malerischen Bucht …

Leicht benommen erwache ich. Muss wohl eingenickt sein. Aber was steht da auf dem Tisch? Das ist doch … Tatsächlich. Kein Zweifel – da steht sie zum Greifen nah vor mir:
Die Flaschenpost vom Cover.

 

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