Tracklist:
- We Live On
- Treat Me Like A Lady
- She
- Drive
- My Mother Said
- Forgive Me
- You Will Never Change
- Mental Jungle
- Shooting For The Stars
- The Best Is Yet To Come
Anneke Van Giersbergen kann inzwischen auf eine siebenjährige Solokarriere zurückblicken. Die holländische Ex-Frontfrau von The Gathering hat dabei ihre eigene Nische gefunden. Ein bisschen Pop, ein bisschen Rock, und auf ihrer letzten Scheibe "Everything Is Changing" (2012) sogar in einigen Stücken ein Hauch von seichtem Metal. Vielversprechend war's bisher, so dass man auf Annekes neuestes Album "Drive" gespannt sein konnte.
Der Einstiegssong "We Live On" ist poppig, und geht ins Ohr. Annekes Stimme ist gewaltig, aber für meinen Geschmack ist die Nummer beim Refrain zu überproduziert. Eine Sängerin mit diesem Stimmvolumen hat es einfach nicht nötig, von Instrumenten und Soundeffekten übertönt zu werden. Die nächste Nummer, "Treat Me Like A Lady", ist schon mehr nach meinem Geschmack. Rockig, mit einer Prise Metal versetzt, und Annekes Stimme besonders am Anfang schön im Vordergrund, so dass man richtig in den Genuss ihres Könnens kommt. So weit, so gut. Wenn's in diesem Stil weitergeht, ist eigentlich alles in Butter. Oder?
Schön wär's. Schon ab der dritten Nummer kippt das Album.
Die Songs klingen wie Poprock von der Stange, die hohen Noten nerven mit der Zeit, und die Riffs wirken abgedroschen und ausgelutscht, wie die Popsongs, mit denen man tagtäglich im Radio überflutet wird. Anneke scheint auf Radiotauglichkeit setzen zu wollen, das Problem dabei ist, dass die Songs schnell langweilig werden, weil man das Gefühl hat, ähnliches schon hundert Mal zuvor vorgesetzt bekommen zu haben. Selbst die Balladen, die eigentlich Annekes Markenzeichen sind, da sie dort richtig Stimme zeigen kann, sind schon nach kurzer Zeit so eintönig, dass man sich zusammenreißen muss, um nicht die nächste Nummer anzuwählen, bevor der Song vorbei ist.
Überhaupt die Balladen - während auf "Everything Is Changing" alle wirklich gelungen waren, gibt es auf "Drive" eigentlich nur eine mit Potential. "My Mother Said" beginnt vielversprechend, aber das Gänsehautfeeling kommt nicht auf. Epischer, emotionsgeladener hätte ich mir diesen Song gewünscht, dann wäre daraus ein richtiges Sahnestück geworden. Auch aus "Mental Jungle" hätte man etwas Bombastischeres machen können, gerade mit dem orientalisch-anmutenden Männergesang im Hintergrund, der in der Albumversion leider etwas deplaziert wirkt.
Damit hier aber nicht alles schlechtgeredet wird, jetzt auch mal zu den guten Seiten des Albums. Die Songs sind allesamt leicht zugänglich, und wenn man nicht allzu anspruchsvolle Erwartungen in die Platte setzt, dann sind auch Nummern wie "Shooting For The Stars" oder "Forgive Me" ganz nett anzuhören. Annekes Stimme lässt natürlich überhaupt nichts zu wünschen übrig. Toll ist es, wie sie mit verschiedenen Gesangsstilen experimentiert, und in allen überzeugt. Anneke hat eindeutig auf Radiotauglichkeit gesetzt, was einerseits eine sichere Sache ist, andererseits aber kann eine Künstlerin von ihrem Format durchaus mehr wagen. Fürs Easy Listening zwischendurch ist das Album bestens geeignet. Schade trotzdem, denn wer mit einer solchen Stimme gesegnet ist, darf und sollte seine Standards getrost höher setzen.