»To big…to small, size does matter after all.« Weiche Teile und auch harte, stehen auf der Speisekarte. Völkerball, a tribute to Rammstein bringen die neue deutsche Härte auf die Bühne des Capitols. Der dunkle Vorhang fällt, dem Pöbel zum Wohlgefallen geschwind, beginnt die Oper aus Blut, Feuer und Schwefel, eine Reise, Reise ins Rammstein Universum. Aus dem Dunkel tropft ein Grollen, Völkerball schmettern, was die Leute wollen. Ein Angriff auf die Verzückung, vollgefressen, gierig und hoch romantisch.
»Und der Haifisch der hat Tränen
und die laufen vom Gesicht
doch der Haifisch lebt im Wasser
so die Tränen sieht man nicht.«
Die Bühne, sie ist bestückter und verspielter als eine Kuckucksuhr, nur sitzt im Kuckuckskästchen kein komischer Vogel, hier macht sich Dirk Oechsles Drummset ein metallisches Bett. Und wer braucht schon ein Bühnenbild, wenn er eine Feuerwand bespielen kann.
»Jetzt stehst Du da an der Laterne
Hast Tränen im Gesicht
Das Abendlicht verjagt die Schatten
Die Zeit steht still und es wird Herbst.«
Brecht, die olle anti-illusorische Theatersau, hätte es gehasst. Der »Flake«-Fake zum Haifisch-Dreigroschen-Liedgut im Gummiboot auf hoher See, von einem Meer aus Händen getragen, im Jubelsturm des Publikums. Welch Symbol! Zu viel, zu echt, zu poetisch, zu viel zum Glotzen. Aber heute wird niemand belehrt, heute feiern Völkerball bloody hot pussy shit. Warum? Weil sie’s können. Lindemanlauff, spuckt auf Brecht, auf die Bühne, zum Kotzen schön dreckig, ein Bestrafer vom Herrn. Beinahe möchte man darüber hinwegsehen, dass die Saitenspieler etwas lethargisch in den Seilen zu hängen scheinen und das Feuerrad sich nach der xten Fontäne auch nicht neu erfinden lässt.
Auftritt: Das Schifferklavier, ein herrliches Steam-Punk-Kunstwerk aus Frankensteins Gruselkabinett. Stahlhelme, Leder, Testosteron, Dreck. Völkerball ziehen visuell und pyrotechnisch alle rammsteinigen Requisiten-Register. Es schlägt nicht Zwölf, doch rahmen Funken- und Nebelfontänen das lichte Spektakel. Das Fanauge is(s)t mit von der Partie, zuckt bei jeder Explosion zusammen, kalte Funken brennen sich zwinkernd in die glotzenden Netzhäute.
»Getadelt wird wer Schmerzen kennt
Vom Feuer das die Haut verbrennt
Ich werf’ ein Licht
In mein Gesicht
Ein heißer Schrei
Feuer Frei!«
Das Publikum möchte sich verbrennen, vom ersten Moment an. Es feiert jedes anrüchige erektile Zucken, das angedeutete Schlachten, Schlagen und Ertragen. Links zwo drei vier besudeln sich Völkerball mit der martialischen Ästhetik ihrer Vorbilder. Lindemann, alias René Anlauff, der Dirigent des schmutzigen Spektakels, dessen Stimme – nebenbei bemerkt – etwas mehr Pegel hätte vertragen hätte können, spielt mit dem Publikum, dem Feuer und seinem Widerpart »Flake«, alias Andreas Schanowski, das Katz und Maus Spiel von Rothenburg. Brecht schwitzt Benzin.
»Ich seh Dich nicht
Ich riech Dich nur, ich spüre Dich
Ein Raubtier das vor Hunger schreit,
Witter Ich Dich meilenweit«
Völkerball – a tribute to Rammstein haben unmerklich zwei eigene Songs aus ihrem Projekt Heldmaschine in den Abend gewoben, haben am Ende einen Engel in der Asche aufgehen lassen, den Spannungsbogen überhitzt, bis in die Zugaben gezündelt und sich – angesichts der phänomenalen Resonanz in Hannover – für 2016 ein doppeltes Spektakel angekündigt. Mehr! Das Publikum, es will sich am schwitzenden Völkerball laben. Mehr! Was es will bekommt es auch. Vier Mal ausverkauft ist nicht genug. Mehr Meer! Tiefe Wasser sind nicht still…
»Die Sehnsucht wird
Der Steuermann«
Links:
Setlist
- Reise Reise
- Links 2 3
- Feuer frei
- Keine Lust
- Laichzeit
- Pussy
- Spiel mit mir
- Wiener Blut
- Liebe ist für alle da
- Waidmanns Heil
- Haifisch
Pause
- Wollt Ihr das Bett in Flammen sehen
- Du riechst so gut
- Mein Herz brennt
- Collateral (Heldmaschine)
- Wer einmal lügt (Heldmaschine)
- Asche zu Asche
- Seemann
- Mein Teil
- Ich will
- Du hast
- Ich tu Dir weh
- Ohne Dich
Encore
- Sonne
- Engel
Galerie Völkerball: