Review: 10 Jahre Kraniche – Bosse lässt Hamburg fliegen (16.04.2023, Hamburg)

Keine Minute hat es gedauert, da waren die Tickets weg. Ist ja auch was wirklich besonderes, was heute Abend in der großen Freiheit 36 angekündigt ist: 10 Jahre Kraniche. Mit Vinyl-Sonderpressung und neuem-altem Merch. Mit alten Hits und neuen Songs. Mit Aki und Martin und Herr Spiegelei. Und natürlich dem ganzen Rest der grandiosen Menschen da oben auf und um und hinter der Bühne. 

Recap: 10 Jahre Kraniche bedeutet für mich zeitgleich etwas über 10 Jahre Bosse. Das Albumrelease war nämlich das erste von Axel, auf das ich hin gefiebert habe. Und das erste, das ich immer und immer und immer wieder live sehen wollte. Der Beginn von Ticketvorverkaufscountdowns, Konzertreisen, übermüdet-verschwitzte Rückfahrten und so mancher Bekanntschaft, die bis heute hält und auf die man sich immer wieder freut. 

Und ich am Gucken, als wenn′s das erste Mal wär

Genug erinnert, ab ins jetzt. Ankommen in der Stadt mit Hafen. St. Pauli. Reeperbahn. Beatles Platz und eine im Halbkreis drumherum stehende Schlange. Das ist doch nicht…? Doch das ist die Schlange vorm Einlass. Respekt an alle flinken Finger mit Glück beim Vorverkaufsstart! Pünktlich öffnen die Tore und das große Strömen beginnt. Stetig wird es voller, kurz ein Blick aufs Merch, noch ne Cola vor Start und dann die große Dämmerung. Und das Warten. 20 Uhr, 20 Uhr 5, 20 Uhr 10, 20 Uhr 15. Los geht’s. Zurück in die Zukunft. Vorband? Brauchen wir heute nicht. Nimmt nur Zeit weg.

Denn dein Glück geht tanzen, dein Glück kommt heim
Dinge gehen, Dinge bleiben
Ist nicht gesund, Kampf um Kampf
Weil du es grad nicht ändern kannst

Bosse (Foto: Daphne Dlugai bs! 2023)

Kraniche. Das Album des Abends natürlich. Von Start bis Ende und dann? Das sehen wir, wenn es so weit ist. Ist ja auch so oder so schon schön genug. Song 2 und der Schweiß läuft. Wie sollte es auch anders sein? Ist ja auch kein Hindernis. Immer wieder werden Refrains wiederholt, Anfänge neu gesungen, weil der Sound noch nicht ganz perfekt war. Man hat ja Zeit heute Abend. Und Zeit wird sich wirklich genommen. Es könnte ja auch einfach immer so weitergehen. 

Lieber ein langes, schönes leben als ein kurzes, hastiges
In der hängematte baumeln
Gegen jeden burnout und stress

Bosse (Foto: Daphne Dlugai bs! 2023)

Spielen wie damals. In Akis kleiner musikalischen Favela, nur das Capo wird verschoben. Man wird ja schließlich auch nicht jünger. Hat Akis Frau übrigens angemerkt, als er sich in der Lanxesarena beim Konzert mit Nachos eindeckte. War aber auch irgendwie ein surreal gutes Gefühl. Das nächste Albumsjubiläum in der Großen Freiheit könnte man ja vielleicht auch mit warmer Küche gestalten?! Da muss noch eingehend drüber nachgedacht werden. Zwischendurch immer mal die ruhigen Songs. Und noch immer ganz viel Zeit für Wiederholungen. Noch einmal der letzte Refrain nur mit Klavier, die Strophe war so schön, da singen alle nochmal mit, jetzt nochmal mit Armen in der Luft. Immer und immer wieder!

In deiner Stadt leben über drei Millionen
Und du bist heute Nacht unterwegs
Um zu schau’n, ob unter diesen drei Millionen
Jemand ist, der dich versteht

Eins zeigt sich: Tanzen und Schwitzen kann Aki immer noch wie früher. Je mehr Schweiß desto mehr Spielfreude? Da wird heute Abend definitiv jede Skala neu entwickelt werden müssen. Bei allem was hier passiert überschwemmt ein Gefühl immer wieder den Raum: Ganz große Dankbarkeit. Für den Abend, für die Chance des Jubiläums, für die Treue und für all die glückseligen Erinnerungen. Und für das Gefühl über Nacht doch noch mal 10 Jahre jünger geworden zu sein.

Und man weiß immer erst beim Abschied
Was es einem bedeutet
Und wie schön es eigentlich war

Bosse (Foto: Daphne Dlugai bs! 2023)

Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Letzte Runde rückwärts. Schreiend. Springend. Singend. Tanzend. Alles gleichzeitig natürlich. Wer braucht schon Sauerstoff? Wäre Kraft nicht der limitierende Faktor, es könnte immer so weiter gehen.

Und das Fazit: Zeitreisen sind doch möglich! Zumindest solange Bosse hin und wieder mal ein Jubiläums-Konzert spielt. Mit im Gepäck: Die Erkenntnis, dass 10 Jahre älter gar nicht so schlimm ist, Kraniche immer noch (für mich) das besonderste Album ist und Vorfreude auf das neue, neunte Album: Denn geschrieben ist es fertig. Und es wird wieder keine Metalplatte, versprochen!

Galerie (by Daphne Dlugai bs! 2023):

Setlist:

  1. Kraniche
  2. So oder so
  3. Vier Leben
  4. Istanbul
  5. Vive la danse
  6. Familienfest
  7. Müßiggang
  8. Sophie
  9. Schönste Zeit
  10. Wartesaal
  11. Weit weg
  12. Liebe ist leise
  13. 3 Millionen
  14. Alter Strand
  15. Hallo Hometown
  16. Augen zu, Musik an
  17. Dein Hurra
  18. Alles ist jetzt
  19. Ich warte auf dich
  20. Der letzte Tanz
    Encore
  21. Frankfurt Oder
  22. Konfetti

Links:
https://www.axelbosse.de/

Daphne Dlugai
Daphne Dlugaihttps://www.be-subjective.de
Daphne Dlugai. Eine lebendige Mindmap aus einem Kessel Buntes, läuft wie ein Duracellhäschen, wenn man Kaffee, kaffee, kaffee (hier als Nomen, Verb und Adjektiv verwendet) in ihr System kippt. Oder Schokolade. Im Herzen eine Disneyprinzessin (definitiv Mulan, die anderen sind zu girly),  im echten Leben Teilzeitcholerikerin, audiophil Vinyladdicted und ist Daphne ein bisschen sonderbar. Oder war es Sonderpädagogin? Wir wissen es nicht so genau. Man munkelt sie ist wegen Schokolade auf Bewehrung und versucht diese Schwäche mit Bastelkram zu kompensieren. Funzt! Alles ist schöner mit Kerzen! Sogar Kerzen.

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