Sony BMG
19.03.2010
www.the-scorpions.com
Tracklist:
- Raised On Rock
- Sting In The Tail
- Slave Me
- The Good Die Young
- No Limit
- Rock Zone
- Lorelei
- Let's Rock
- SLY
- Spirit Of Rock
- The Best Is Yet To Come
Die Scorpions sind sicher ein Phänomen made in germany: Seit 45 Jahren in Sachen Musik unterwegs, zuerst mehr schlecht als recht (O-Ton mein Vater: „die waren `72 Vorgruppe von Uriah Heep, grausames Geschrammel!), schließlich in den 80ern aber mehr und mehr erfolgreich, nicht zuletzt durch ihren Hit „Wind of Change“, der für viele noch heute untrennbar mit dem Fall der Mauer verbunden ist. Dieses geschichtliche Ereignis war sicher in vielerlei Hinsicht eine glückliche Fügung: neben der Freiheit vieler Menschen führte es auch zu einem „Einheitskanzler Kohl“ der danach aufgrund seiner „großartigen Leistung“ noch ein paar Jahre bleiben durfte, und nicht zuletzt zur endgültigen Heraushebung der Scorpions aus dem Heavy Metal- Bereich zu allseits anerkannten Popkünstlern, die sich fortan bei Thomas Gottschalk oder einige Jahre später auch bei Oliver Geißen auf der Couch lümmeln durften.
Hätten Sie mal besser auf diesem Höhepunkt ihrer Karriere aufgehört. Haben sie aber nicht, es mussten weitere 20 Jahre vergehen, bis man nun schlussendlich verkündete: Wir hören auf! Deshalb liegt es heute vor mir, das Abschiedsalbum „Sting in the Tail“. Was einem zunächst auffällt, ist die Beschwörung dessen, was man durch alleiniges musizieren anscheinend nicht mehr ausreichend transportieren kann: Titel mit Namen wie „Raised On Rock“, „Rockzone“, „Spirit of Rock“ und „Let’s Rock!“ zeugen nicht gerade von viel Kreativität, auch was die Texte angeht.
Was macht ein Abschiedsalbum eigentlich aus? Soll es ein Zusammenschnitt aller alten Stile und Hits sein, die eine Band in ihrer Geschichte durchlebt hat? Kann sein. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn man seine alten Hits kopiert, nur eben schlechter. So ist das getragene „Lorelei“ doch recht deutlich an ihren alten Hit „Send me An Angel“ angelehnt, besonders bei den ersten Takten spitzt der geneigte Fan verwundert die Ohren. Für weitere stilistische Anregungen was dramatischen Heavy Slow Rock betrifft, wurde vermutlich das alte „Soldier of Fortune“ von Deep Purple bemüht.
Schön ist auch „Raised on Rock“ dessen Riffs einen sofort dazu verleiten „Here I Am, rock You Like a Hurricane“ mitzusingen… ach nee doch nicht, hörte sich aber genauso an. Schade, das alte „Hurricane“ wäre rockiger abgegangen als dieser nette Radio-Song. Dazu der Talkboxeffekt a la Bon Jovi, der absolut lieblos daherkommt, „komm wir machen mal was wildes Ausgefallenes!“
Das Sahnehäubchen ist dann wohl „Sly“, der nicht umsonst aus den ersten Buchstaben des alten Scorpions-Hit „Still Loving You“ besteht. An sich vielleicht eine schöne Rockballade… Aber dieses durchschaubare Bei-sich-selbst-abkupfern fängt spätestens hier an, sehr langweilig zu werden.
Zu erwähnen ist wohl noch die erste Singleauskopplung „The Good Die Young“, die seit einigen Wochen im Radio zu hören ist. Klaus Meines Stimme ist schon immer das Markenzeichen der Band gewesen, und das auch zu Recht, da lässt sich nix rummäkeln. In diesem Song versucht er sich an einer Art Sprechgesang... nunja. Das theatralische liegt ihm wohl besser, aber der Song ist ganz gut anzuhören, wobei die Gastsängerin Tarja Turunen leider etwas untergeht. Aber bei Auftritten kann eine nette ansehnliche junge Dame auf der Bühne ja nie schaden.
„The Best is Yet to Come“ ist ein weiterer Titel des Albums, ein Schunkelsong, zu dem ich vor meinem inneren Auge Frauen mittleren Alters mit Feuerzeugen sehe, die ihre Arme in der Luft haben und sie mit feuchten Augen im Takt schwenken. Udo Jürgens hat dieses Motto einst anders ausgedrückt: „mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“, in diesem Sinne wünsche ich den Bandmitgliedern viel Spass in ihrem wohlverdienten Ruhestand, the best is yet to come!
Alles in allem ein durchschnittliches Album von einer alternden Rockband, die das „wahre wilde Rockfeeling“ spätestens in den 90ern verloren hat, wie so viele Bands. Das Gute daran: den Fans geht es nicht anders, die werden auch nicht jünger, und somit ist auch dieses Album weiterhin geeignet, dem geneigten Scorpionsfan der ersten Stunde Freude zu bereiten. Allen anderen, die tatsächlich was Frisches jenseits der musikalischen Bandbiographie suchen: Finger weg.