Review: Ab hier gute Laune – Status Quo und Manfred Mann´s Earth Band live (16.12.2022, Hannover)

Die Berichterstattung aus Hamburg ließ Böses erahnen. Nur 1800 Fans waren in die Barclays Arena gekommen und die war schon bis auf die Hälfte geschrumpft, also die Blöcke abgesperrt. Und trotzdem konnte mensch sich im Innenraum ganz bequem bewegen. Sehr viele, große Lücken. Wie ein Schweizer Käse. Da kann man als Künstler schon mal schlechte Laune kriegen. Von einer lustlosen Vorband ist später die Rede. Nun also das Konzert in Hannover. Kann die kleine Landeshauptstadt gegen die Millionenmetropole Hamburg anstinken? Ja, ganz locker. Um beim Käse zu bleiben: das Konzert in Hamburg war so auf dem Niveau eines Goudas, vielleicht mittelalter, aber mehr wohl auch nicht. Schade, schade. Jetzt also das Konzert in Hannover. Gleich am Einlass, die erste Überraschung. Am Eingang steht ein bestens aufgelegter Ordner, schnackt mit den Leuten und spricht die magischen Worte:

Ab hier gute Laune

Etwas weiter hinten in der Schlange der frierenden, Einlass begehrenden Menschen, meldet sich eine Stimme: „Kann ich vor? Ich habe schon gute Laune“. Damit ist alles klar. Die Party kann beginnen. Um es vorwegzunehmen: auch das Konzert in Hannover ist nicht ausverkauft. Aber immerhin 2600 Fans sind in der Swiss Life Hall. Mal eben locker HH abgefiedelt. Auch in Hannover ist der Innenraum nicht sardinenbüchsenmäßig voll. Gut so. Da die Getränkestände sowieso im hinteren Bereich der Halle sind, kann man sein Bier bequem holen und danach auch wieder wegbringen, um dann wieder den Bierstand aufzusuchen.

Manfred Mann`s Earth Band (Foto: Michael Lange bs! 2022)

Manfred Mann´s Earth Band sind also die besagte lustlose Vorband, aber nicht an diesem Abend. Na gut, wer jetzt erwartet, dass die Band alle ihre bekannten Hits wie an einer Perlenkette aneinanderreiht, der wird überrascht, vielleicht enttäuscht. Letztendlich dauert der Gig 60 Minuten, aber nicht 20 Hits á 3 Minuten, sondern nur 7 Songs. Das nennt mensch dann Klasse statt Masse. Vielleicht hat sich beim 82-jährigen Manfred Mann ja auch so was wie Alterstrotzigkeit entwickelt: „Nö, das Lied spiel ich nicht mehr, viel zu einfache Harmonien. Das ist langweilig“. Natürlich ist das nicht so. Manni und seine Mannen kramen mit „Captain Bobby Stout“ ganz tief in die Mottenkiste. Der Song ist Achtung !! aus dem Jahr 1972 und der nachfolgende, „Martha’s Madman“ doch deutlich jünger aus 1978. Kennt wahrscheinlich keiner im Publikum, ist aber letztendlich egal. Wie diese Songs gespielt werden, das ist ganz große Handwerkskunst.

Mit Robert Hart haben sie seit 2011 eine Top-Besetzung an den Vocals, sympathisch lächelnd und mit einer Megaröhre ausgestattet. Er ist gefühlt zunächst Teilzeitarbeiter, da Gitarrist Mick Rogers und Tasten-Manni das eine oder andere Soli in die Songs einarbeiten. Aber irgendwann kommt das Intro zu „For You“ und auch die Nicht-MMEB-Fans nehmen am Konzert teil. Dass Manfred Mann´s Earth Band überwiegend eine Cover-Band ist, ist wahrscheinlich vielen nicht bekannt, doch „Blinded by the Light“ ist tatsächlich vom Boss Springsteen und die Zugabe „Quinn the Eskimo“ (The Mighty Quinn) von Bob Dylan. All das wird MMEB zugeschrieben und das schon gefühlt seit hundert Jahren. Das ist Rockgeschichte.

Manfred Mann`s Earth Band (Foto: Michael Lange bs! 2022)

You spend my money, you drink my best red wine
You think it’s funny to see me all the time
Sitting with my head hanging down
You treat me just like a clown
You spend my money but honey you sure needn’t waste my time

Kommen wir zum Hauptact und gehen wieder an die Käsetheke. Status Quo ist definitiv ein ganz besonderer Käse. Irgendwie so auf dem Niveau von Esrom. Es duftet, nein es riecht, nein es stinkt nach Rock´n´Roll. Wenn man die Packung eines Esrom öffnet, einem schon der würzige Duft in die Nase steigt, dann weiß mensch was kommt: das Unaufhaltsame. Und wenn man dann auch noch die reife, schmierige Rinde des Esrom nur berührt, hat man noch Tage danach was davon. Status Quo ist wie dieser Käse. Lässt man sich drauf ein, lässt einen das nie wieder los. Ein Leben lang.

Status Quo (Foto: Michael Lange bs! 2022)
Status Quo (Foto: Michael Lange bs! 2022)

Mit “Caroline” nimmt die Dampfmaschine Fahrt auf. Und Status Quo hat ja mit dem 73-jährigen Francis Rossi quasi einen Jungspund als Frontmann. Der Typ hat schon alles erlebt. Technische Probleme überbrückt er mit seinen lustigen Deutschkenntnissen. Noch lustiger ist, dass er weiß, dass es Bielefeld wirklich gibt. Warum? Weil er mit SQ tatsächlich da war. Guter Mann, gute Band. Zusammen mit Andy Bown (Keyboard, Gitarre), John ‚Rhino‘ Edwards am Bass, Drummer Leon Cave und dem wahren Band-Jungspund Richie Malone (Rhythmusgitarre) begeistern sie noch heute mit ihren drei Akkorden die Massen. Den vierten Akkord suchen sie nach eigenen Angaben immer noch. Keine Band der Welt spielt Boogie-Rock so druckvoll, locker flockig wie Status Quo.

Manche Songs sind Füllmaterial, wo der geneigte Fan dann auch sagt: „Hmmm. Ich geh mal Bier holen“. Aber grundsätzlich kann mensch sich der Musik nicht entziehen, ob man das will oder nicht. SQ haben so viele Hits, die können es sich leisten ein Medley einzubauen. Das Intro zu „Down Down“ spielt Herr Rossi zunächst allein. Selbst Gitarrenschüler in ihrer ersten Stunde, können das wahrscheinlich nachspielen. Dieses Intro ist so einfach wie markant. Und wenn irgendwann nach 2 Minuten der Rest der Band einsetzt und losballert, geht’s mit Wumms, eher sogar Doppelwumms auf die Zielgrade. Dann kann nur noch “Whatever You Want” kommen und natürlich ihr vielleicht bekanntester Hit „Rockin‘ All Over the World“. Psst! Ist auch ein Cover, wird aber immer SQ zugeschrieben. Dann kommt noch „Don’t Waste My Time“ aus 1972. So mit schließt sich der Kreis. Tosender Applaus und dann ab in die Kälte, schnell nach Hause. Erstmal was essen. Wie wär es mit Käse?

Status Quo (Foto: Michael Lange bs! 2022)

Setlist Manfred Mann´s Earth Band:

  1. Captain Bobby Stout (The Jerry Hahn Brotherhood cover)
  2. Martha’s Madman (followed by Mick Rogers guitar solo)
  3. Father of Day, Father of Night (Bob Dylan cover)
  4. For You (Bruce Springsteen cover)
  5. Blinded by the Light (Bruce Springsteen cover)
  6. Davy’s on the Road Again (John Simon cover
  7. Quinn the Eskimo (The Mighty Quinn) (Bob Dylan cover)

Setlist Status Quo:

  1. Caroline
  2. Rain
  3. Little Lady
  4. Softer Ride
  5. Beginning of the End
  6. Hold You Back
  7. Rock ’n‘ Roll ’n‘ You
  8. Twenty Wild Horses
  9. What You’re Proposing / Down the Dustpipe / Something ‚bout You Baby I Like / Wild Side Of Life / Rollin‘ Home / Railroad / Again and Again / Mystery Song
  10. The Oriental
  11. In My Chair
  12. Cut Me Some Slack
  13. In the Army Now (Bolland & Bolland cover)
  14. Roll Over Lay Down zu
  15. Down Down
  16. Whatever You Want
  17. Rockin‘ All Over the World (John Fogerty cover)
  18. Don’t Waste My Time

Links:

www.statusquo.co.uk

www.manfredmann.co.uk

Michael Lange
Michael Langehttps://www.be-subjective.de
Michael Lange. MichaL ist der Methusalix in unserem Team. Ein Original, ein Sympath, ein Genießer von A wie Abba bis Z wie Zabba und im realen Leben ein Stepptänzer. »Jawohl, das mit dem KlackerdiKlack.« MichaL hat schon Rock’n’Roll gehört, da waren die Little Boy Blue and the Blue Boys noch grün hinter den Ohren. Man munkelt er konnte schon einparken, da gab es noch nicht mal Rückspiegel, geschweige denn Einparkhilfen. Dennoch ist die MichaL noch lange kein Oldy oder darauf fokussiert. The big L war plötzlich da. Zeitlos. Unerwartet und doch völlig freiwillig tauchte er in unserem Universum auf und bereichert es. KlackerdiKlack.

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