Review: Die Donots und alle ihre Freunde (26.11.2022, Münster)

Als die Donots beim JAK 2019 im Rosenhof Osnabrück davon sprachen, eine kurze Live-Pause einzulegen, konnte ja niemand ahnen, dass sie dabei die gesamte Live-Branche einfach für 2 Jahre dicht machen. Aber das lange Warten hat ein Ende und die Band kann endlich wieder ihren Grand Münster Slam veranstalten. Durch die enorme Nachfrage der ausgehungerten Fans wurde dieser glatt zum Weekender und glänzte letztendlich mit zwei ausverkauften Abenden hintereinander.

Am 26.11., dem zweiten Tag der großen Sause, eröffnen wie schon am Tag zuvor Schreng Schreng und La La den Abend. Bescheiden, wie Anwalt und Esel nun mal sind, begnügen sie sich mit einer kleinen Bühnenecke am äußeren Rand, um die sich langsam füllende Halle zu bespaßen. Dass das die Spezialität eines Jörkk Mechenbier ist, ist ja kein Geheimnis. Mit der signalpinken Bommelmütze gelingt es ihm hervorragend, die einströmenden Gäste anzuziehen wie Motten das Licht. Musikalisch geht’s quer durch die überschaubare Diskographie der beiden Akustikkrachmacher und auch die Stücke des jüngsten Albums „Projekt 21“ bekommen ihre Chance live präsentiert zu werden. Spätestens bei „Spraypaint the Walls“ und „Die Bourgeoisie“ schnallen dann auch die Leute, die sich gefragt haben, was die lokalen Straßenmusiker da auf der Bühne machen, wer da eigentlich spielt. Schöner Einstieg der nach knapper Pause direkt mit Acht Eimer Hühnerherzen fortgeführt wird.

Der Sound gar nicht so unähnlich. Lediglich ein Schlagzeug gibt’s noch dazu. Die Halle Münsterland wird mittlerweile kuschelig voll. Apocalypse Vega, Johnny Bottropp und Bene Diktator schrammeln und trommeln, was die Instrumente hergeben. Die Texte, oftmals lange Aufzählungen, könnten auch einfach ´ne vorgesungene Einkaufsliste sein – würde trotzdem fetzen. In den ersten Reihen herrscht Begeisterung und an einigen Stellen auch erstaunliche Textsicherheit – bei so vielen Wörtern muss man erstmal mitkommen.

Respekt!

Es übernehmen im Anschluss Montreal. Drehen die Boxen etwas hoch und den Anspruch etwas runter. Mehr Party, weniger DIY-Punk. Und das ist genau, was die Menge braucht, um richtig warm zu werden, denn natürlich wird es bei den Donots sportlich. Die ersten Crowdsurfer erheben sich, kleine Pits entstehen und Mitsingen kann auch fast jeder. Aufgabe verstanden. Eins mit Sternchen.

Und dann Platz machen für Frank Turner & the Sleeping Souls. Am Vortag noch akustisch, heute mit voller Besetzung. Folk, Hardcore – alles dabei. Nicht nur wegen seiner engen Verbindung zu den Donots liebt die Menge den sympathischen Briten – auch musikalisch ist das ganz großes Tennis. Schöner sind nur die Ansagen, die Turner definitiv nicht vom Zettel abliest, sondern ganz allein und aus dem Kopf in unnatürlich aggressivem Deutsch zu Tage befördert. Die Band ist in Bestform und hätte, hätte es der Zeitplan erlaubt, noch Stunden so weitergemacht, aber es muss schließlich noch für die Gastgeber umgebaut werden.

Bis dato lief die Produktion wie am Fließband. Der Zeitplan wurde minutiös eingehalten – da können sich große Festivalveranstalter noch ´ne Scheibe von abschneiden. Nur die Herren der Donots selbst verspäten sich um die akademischen 15 Minuten, aber spätestens nach dem ersten Gitarrenanschlag vom brandneuen „Auf sie mit Gebrüll“ sei ihnen verziehen.

Was dann folgt sind über 2 Stunden Irrenanstalt. Crowdsurfer wie am Fließband landen im Bühnengraben. Die Securities bleiben ruhig und routiniert. Alte Hits schüren die Nostalgie, neue Songs machen Lust auf mehr. Die Band in Höchstform, stellenweise zu Tränen gerührt. Und Überraschungen gibt es auch. So schütteln kurzerhand die Tik-Tok Zauberer Siegfried und Joy die Jungs von Madsen aus dem goldenen Spandexlaken. „Du schreibst Geschichte“ kann scheinbar auch jeder Donots-Fan mitschmettern. Danach ein gemeinsames „Blitzkrieg Bop“ und die Stimmung ist perfekt. Am Vortag überraschten an dieser Stelle die Sportfreunde Stiller – die Donots haben eben Freunde in den verschiedensten Ecken.

Die Eigens veranstalteten Konzerte der Donots, sei es im kleinen Rosenhof oder in der 6500 Menschen fassenden Halle Münsterland sind immer ein Highlight. Abende, an denen Gleichgesinnte sich treffen und fallen lassen können in beste Live-Musik. Die Band schafft es immer wieder, dass sich diese Abende ganz besonders anfühlen. Trotz der Größe irgendwie intim. Mag daran liegen, dass die Band, trotz letztem Coronarisiko an keiner Stelle den Kontakt zur Menge scheut.

Während am Freitag Vom von den Toten Hosen auf eine kurze Trommeleinlage vorbeigeschaut hat, ließ sich Bela B. von Die Ärzte per Sprachnachricht entschuldigen. Ein „Schrei nach Liebe“-Cover gab es trotzdem. Mit Publikumsgästen an Drums und Mikro…

„Besser klingen die Ärzte oft auch nicht“

Wird auf der Bühne nach der Performance gescherzt. Als anschließend Frank Turner für „So Long“ noch einmal auf die Bühne geholt wird, ist der kleine Ausflug in den Schülerbandproberaum schnell vergessen. Was das große, emotionale Finale sein sollte, ufert aus in niemals endende Publikumsgesänge.

„Hold on, hold on
So long, so long, so long”

An dieser Stelle kann und darf es einfach noch nicht vorbei sein. Die Band verbeugt sich und verharrt auf der Bühne bis kurzerhand die Instrumente geschnappt werden und sich alle ins Publikum legen für eine Lagerfeuerversion von „Goodbye Routine“

Tosender Applaus. Letzte Umarmungen. Feierabend, jetzt aber wirklich.

• Galerien (by Thea Drexhage bs! 2022)
• Schreng Schreng & La La
• Acht Eimer Hühnerherzen
• Montreal
• Frank Turner & The Sleeping Souls
• Donots
• Atmo/ Gäste

Setlist Donots:

1. Auf sie mit Gebrüll
2. Calling
3. Wake the Dogs
4. Dead Man Walking
5. Whatever Happened to the 80s
6. Augen sehen
7. Hey Ralph
8. Keiner kommt hier lebend raus
9. Solid Gold
10. Blitzkrieg Bop(Ramones cover) (with Madsen) (Ramones song)
11. Ich mach nicht mehr mit
12. Dann ohne mich
13. Stop the Clocks
14. Das Dorf war L.A.
15. Eine letzte letzte Runde
16. We’re Not Gonna Take It(Twisted Sister cover)
    Encore:
17. Geschichten vom Boden
18. Kaputt
19. Problem kein Problem
20. Hansaring, 2:10 Uhr(Guido and Ingo with acoustic guitar)
21. The Years Gone By(Guido and Ingo with acoustic guitar)
22. Piano Mortale
23. Schrei nach Liebe(Die Ärzte cover)
24. So Long(with Frank Turner)
    Encore 2:
25. Good-bye Routine

Links:
Schreng Schreng & La La
Acht Eimer Hühnerherzen
Montreal
Frank Turner & The Sleeping Souls
Donots