Folk Metal
Vertigo/Universal
08.05.2020
www.inextremo.de
Tracklist:
- Troja
- Kompass Zur Sonne
- Lügenpack
- Gogiya
- Salva Nos
- Schenk Nochmal Ein
- Saigon Und Bagdad
- Narrenschiff
- Wer Kann Segeln Ohne Wind
- Reiht Euch Ein Ihr Lumpen
- Biersegen
- Wintermärchen
Kollege Torsten Volkmer hat es in unserem Video der Woche (KW08/2020) zu „Troja“ treffend formuliert: „In Extremo ist tatsächlich extrem – extrem erfolgreich im Job, einzigartig im Sound, unbeirrbar im Werdegang.“ Das sich die Veröffentlichung aufgrund der aktuellen Corona-Situation um fast zwei Monate verschieben würde (ursprünglich war der 27.03.02020 geplant), war zu dem damaligen Zeitpunkt noch keinem bewusst, aber dadurch stieg noch etwas mehr die Vorfreude auf das 13. (!) Studioalbum „Kompass Zur Sonne“.
Und das schmerzhaft längere Warten hat sich mehr als gelohnt! Der Vorgänger „Quid Pro Quo“ war wieder ein richtig starkes Album geworden und der neue Longplayer hält nicht nur dieses Niveau, sondern ist in meinen Augen noch einen kleinen ticken stärker ausgefallen. Es fällt nach mehreren Durchgängen auf, dass das Album so frisch und unverbraucht klingt und gleichzeitig schier leichtfüßig durch die verschiedensten Themen, Elemente und Stimmungen tanzt. Es ist kein Werk das dir direkt ins Gesicht springt, sondern seinen Arm um deine Schulter legt und dich dann mitnimmt. Arm im Arm umschlungen meistert man gemeinsam jedes Hindernis das da kommen mag und nichts hält einen auf. Klassische In Extremo-Hits wie der Opener „Troja“, „Narrenschiff“, „Gogiya“ (mit der Band Russkaja als Gastbeitrag), „Biersegen“ und der Titeltrack reihen sich neben der „Wurzelbekundung“ bzw. das für Ur-Fans gedachte „Salva Nos“, feucht-fröhlichem wie „Reiht Euch Ein Ihr Lumpen“, sanfteren Tönen wie dem Abschluss „Wintermärchen“ (das ein Gespräch von Sänger Michael „Das Letzte Einhorn“ Rhein und einer Drossel darstellen soll) und einem Traditionslied aus Schweden („Wer Kann Segeln Ohne Wind“), das sowohl auf deutsch, als auch auf schwedisch gesungen wird und bei dem man sich noch Front-Wikinger Johan Hegg von Amon Amarth dazu holte. Doch zwei Songs müssen noch gesondert hervorgehoben werden: „Saigon Und Bagdad“ ist ein super Friedens- bzw. Anti-Kriegslied und wird durch das von einer Kinderstimme eingeschobene „Habt ihr nichts gelernt?!“ einer noch bedeutsameren Intensität verliehen. Und dann hätten wir noch das Albumhighlight „Schenk Nochmal Ein“, das durch seine Stimmung dich so tief innerlich berührt und nicht mehr loslässt. Wer bei diesem Lied einen schmerzhaften Verlust Trost finden will und dabei keine Träne vergießt, der ist innerlich schon tot.
Eine Sache möchte ich nicht unerwähnt lassen: Beim Hören von „Kompass Zur Sonne“ ist mir stark aufgefallen, dass zwischen den vielen positiven Melodien, den Hooks, dem Traditionellem und der Trinkermentalität, eine große lyrische Wut sich versteckt. Es ist nicht nur das Offensichtliche wie in „Lügenpack“ („Lügen, Lügen, Lügenpack, wir schneiden euch die Zunge ab“ oder „Lügen, Lügen, Lügenpack, wir jagen euch mit dem Dudelsack“ - Obwohl die Vorstellung dieser Jagd wirklich witzig ist.), sondern auch die stille Wut und Verzweiflung in „Troja“, „Schenk Nochmal Ein“, „Narrenschiff“, „Saigon Und Bagdad“ und „Kompass Zur Sonne“. Ich möchte damit niemanden etwas unterstellen. Vielleicht kommt mir das auch nur so vor, wegen der aktuellen Situation, weil man stellenweise selbst so fühlt. Aber vielleicht ist das auch ein Beispiel für eine mögliche Selbstinterpretation der Texte und schlussendlich das, was es ist: ganz große Kunst!