Review: Bleib (K)uhlmann – Thees Uhlmann live (16.12.2019, Hannover)

Um es vorweg zu nehmen. Er tut es einfach nicht. Nein er will es nicht, er macht es nicht. Die Jacke bleibt an. Den ganzen Abend. Zwei Stunden in Jeansjacke bei sehr ordentlichen Temperaturen. Vielleicht ist es seine Glücksjacke, die er bei Konzerten nie auszieht, komme was da wolle. Na gut, dann ist das so. Da kann man ihm nur eines wünschen:

Bleib (K)uhlmann

Grillmaster Flash (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Bevor der Hauptact diesen Abend magisch macht, kündigt eben dieser Hauptact seinen Support an. Höchstpersönlich mit Witz, Charme und viel Verve. Das hat Stil und Grösse. Thees Uhlmann lässt es sich nicht nehmen und stimmt das Publikum auf Grillmaster Flash ein. Und wer Thees Uhlmann kennt, weiß da wird mal ein bisschen ausgeholt. Er erzählt, wie er den Grillmaster auf einem Konzert in Hamburg kennen lernte, wo dieser sich dann als Bremer outete (was in Hamburg nicht so gut ankommt), es dann aber doch schaffte, das am Ende des Konzerts alle Grillie, Grillie grölten. Ja, und dann kommen schon die Sprechchöre im ausverkauften Capitol in Hannover. Der Grillmaster Flash kommt nur mit seiner Gitarre auf die Bühne und legt los wie ein Großer. Er ist nach eigenem Bekunden der letzte echte Underground-Action-Held der Bremer Musikszene. Dem kann mensch nur zustimmen. Der Bremer ist witzig, etwas skurril, aber sehr souverän. Nach vier Songs ist aber auch schon wieder Schluss.

Grillmaster Flash (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Wenn ein Support „nur“ vier Songs hat, deutet das daraufhin, dass der Hauptact sehr viel mehr Zeit für seinen Auftritt plant und braucht. So isses dann auch. Thees Uhlmann hat bei „Inas Nacht“ einen Kurzauftritt gehabt, so eine Art Appetithäppchen. Heute gibts das grosse, das Siebengänge-Menue mit allem drum und dran, mit Nachtisch und Espresso zum Schluss und Zigarette danach. Sehr sehr lange hat es gebraucht, dass die neue Uhlmann-Scheibe auf den Markt kam. Manchmal dauert es halt etwas länger, das was Ordentliches rauskommt. Aber das Warten hat sich definitiv gelohnt. Die Kritiker überschlagen sich des Lobes. „Junkies & Scientologen“ ist ein Meisterwerk. Darauf sind keine Lieder, die mensch nach 2 Minuten versteht. Es sind Lieder die man mehr als einmal hören muss, und dann nochmal und nochmal bis es klickt macht und einem das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht geht. Das ist die Intention des Thees Uhlmann.

Thees Uhlmann (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Die Schönheit der Chance
Dass wir unser Leben lieben so spät es auch ist
Das ist nicht die Sonne die untergeht
Sondern die Erde die sich dreht

Thees Uhlmann (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Der Opener des Abend ist selbstredend „5 Jahre nicht gesungen“ (wie passend) gefolgt von „Danke für die Angst“ und „Die Toten auf dem Rücksitz“. Das ist ein Songtitel? Ja. Besser ist noch „ Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt“. Ja das Lied heißt wirklich so. Sehr geschickt. Mensch wird sofort neugierig auf den Song. Worum gehts da? Man sollte unbedingt später mal reinhören. Letztendlich geht es um Chauvinismus in der Musikszene. Auch ein Lied über Hannover hat Uhlmann geschrieben. Hurra, ein Lied über Hannover denken viele. Das wird so angekündigt: „Lieber als vor der Mona Lisa stehe ich mit Verspätung auf dem Hauptbahnhof in Hannover.“ Denn da sah sieht er den alten Fernsehturm auf dem das Wort Nutzfahrzeuge steht. Warum ist das so? Uhlmann holt mal wieder aus und macht seine Spässchen, diese aber mit Niveau.

„Was wird aus Hannover“ wenn die Scorpions nicht mehr sind. Ein Lied über das Scheitern beim Ausbruch alter Strukturen. Die Fans sind nicht böse, sie hängen an seinen Lippen, amüsieren sich, es wird viel gelacht. Manche Ansagen sind länger als die Lieder. Er erzählt von seiner 8-jährigen Tochter, die zum ersten Mal in Berlin-Kreuzberg allein zum Rossmann gehen will. Da gehen bei Papa Thees alle Alarmglocken an.

„Du hattest einen Plan vom Leben / ich hatte Fury in the Slaughterhouse“.

Oder die Geschichte wie es dazu kam, dass er ein Buch über die Toten Hosen geschrieben hat, wie sich der Kontakt hierzu anbahnte und wie er und die Hosen in Liverpool in einem alten Eiswagen ein Foto machten, wo unter dem Foto dann stand: Hier sehen sie die Toten Hosen und einen Eismann. Luschtig.

Thees Uhlmann (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Im Hintergrund der Bühne hängt ein riesiges Banner auf dem Uhlmann von hinten mit umgehängter Gitarre zu sehen ist. Das erinnert an James Dean in „Sie wissen nicht was sie tun“ aber vielmehr noch an das Cover von „Born in the USA“. Ja der Uhlmann ist tatsächlich wie Springsteen. Der deutsche „Boss“. Ein Mann der was zu sagen hat. Für sich zurückgenommen, aber die Lieder mit Wortwitz, Aussage und Rückgrat. Beispiel? „Dein Herz ist wie eine Berliner Synagoge, es wird Tag und Nacht bewacht“. Auf sowas muss mensch erstmal kommen. Und „Sie wissen nicht was sie tun“ passt auch nicht. Seine Band „The Esuhlmann“ (kleiner Scherz) ist mit vier Gitarren bestens aufgestellt. Der Sound ist perfekt abgestimmt. Hier weiss jeder was zu tun ist. Und was macht die Jeansjacke? Die wird schön vollgeschwitzt. Uhlmann gibt alles. Mal ruhiger dann wieder ekstatisch.

Thees Uhlmann (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Die Songs sind oft im Midtempo, die eingestreuten Tomte-Songs sind dann die Gas-Geber. Die 1600 Fans im Capitol kennen sowieso jedes Lied. Hannover ist textsicher. Bei „Katy Perry“ gehts nach vorne, „Das Mädchen von Kasse 2„ ist voller Poesie und „Korn mit Sprite“ wird gern genommen. Auch das „Liebeslied der Toten Hosen passt bestens in diesen Abend und zum Schluss, in der x-ten Zugabe die „Schönheit der Chance“. Besser gehts nicht. Un die Jacke blieb an. Der Schluss ist wie der Anfang, Uhlmann stellt jemanden vor. Seine famosen Mitstreiter an diesem magischen Abend. Und dann gehts durch den Hinterausgang raus in die Nacht. Kurzer Stopp. Da ist doch tatsächlich jemand der eine Jacke weghängt. Ja, sie ist es. Wird die auch gewaschen? Ja gestern erst kommt die Antwort. Alles klar. Das ist Rock´n´Roll, Digger.

Galerien (by Michael Lange bs! 2019):

Setlist Grillmaster Flash:

  1. (Ich war nie) Rock ’n‘ Roll
  2. Ganz vorn in der Achterbahn
  3. Sottrum
  4. Am Tag als Udo Jürgens starb

Setlist Thees Uhlmann:

  1. Fünf Jahre nicht gesungen
  2. Danke für die Angst
  3. Die Toten auf dem Rücksitz
  4. Zugvögel
  5. & Jay-Z singt uns ein Lied
  6. Das Mädchen von Kasse 2
  7. Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt
  8. Was wird aus Hannover
  9. Ich sang die ganze Zeit von dir (Tomte song)
  10. Hier komme ich her
  11. 100.000 Songs
  12. 17 Worte
  13. Liebeslied (Die Toten Hosen cover)
  14. Ein Satellit sendet leise
  15. Junkies und Scientologen
  16. Katy Grayson Perry
  17. Vom Delta bis zur Quelle
  18. Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
    Encore:
  19. Korn & Sprite (Tomte song)
  20. Schreit den Namen meiner Mutter (Tomte song)
  21. Avicii
    Encore 2:
  22. Römer am Ende Roms
  23. Die Nacht war kurz (ich stehe früh auf)
    Encore 3:
  24. Die Schönheit der Chance (Tomte song)

Links:
www.grillmaster-flash.de
www.ghvc.de/index.php?id=theesuhlmann

Michael Lange
Michael Langehttps://www.be-subjective.de
Michael Lange. MichaL ist der Methusalix in unserem Team. Ein Original, ein Sympath, ein Genießer von A wie Abba bis Z wie Zabba und im realen Leben ein Stepptänzer. »Jawohl, das mit dem KlackerdiKlack.« MichaL hat schon Rock’n’Roll gehört, da waren die Little Boy Blue and the Blue Boys noch grün hinter den Ohren. Man munkelt er konnte schon einparken, da gab es noch nicht mal Rückspiegel, geschweige denn Einparkhilfen. Dennoch ist die MichaL noch lange kein Oldy oder darauf fokussiert. The big L war plötzlich da. Zeitlos. Unerwartet und doch völlig freiwillig tauchte er in unserem Universum auf und bereichert es. KlackerdiKlack.

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