Das Verb „brechen“ ist von Haus aus negativ belastet. Ob Arm, Bein oder gar Genick, niemand, wirklich niemand will sich was brechen. Auch das Herz soll möglichst nicht gebrochen werden. Und einen Einbruch in Wohnung, Haus oder Börse braucht auch keiner. Mensch sieht, „brechen“ führt fast immer zu einem Schaden: körperlich, seelisch oder finanziell.
Wollen wir nicht. Will keiner.
Der Support an diesem Abend hat mit Brechen nichts zu tun. Er wird geradezu euphorisch lyrisch angekündigt. Big Alexx himself hat ein Brainstorming zu Feldern gemacht. „Fußballfelder, Magnetfelder, und so weiter und so weiter. Gefühlte 135 Felder später: „Wir sind stolz, dass sie mit uns auf Tour sind. Hier ist FAELDER„.
Okay, aber wer bitte schön ist FAELDER? Schaut man dann auf die Vita der Band erfährt man, dass hier durchaus keine Rookies, sondern gestandene Könner am Werk sind. Die Members setzen sich aus zwei der erfolgreichsten deutschsprachigen Formationen der letzten Jahre zusammen. FAELDER bestehen aus Keyboarder/ Producer Henning Verlage (musikalischer Mastermind von Unheilig), Gitarrist Sebastian Lange und Drummer Florian „Specki T.D.“ Speckardt (beide von In Extremo) und Bassist Adrian Kehlbacher, sowie Sänger Kai Niemann. Das Faeld ist bestellt, die Ernte kann beginnen.
Die Band spielt Dark-Pop. Dark? Das könnte den 3200 dark-gekleideten Fans in der Swiss Life Hall durchaus gefallen. Dass das Allstar-Quintett bei den heute anwesenden Fans keinen, Achtung!! Durchbruch schafft, liegt wohl eher daran, das das Publikum nicht zur Band passt oder besser gesagt umgekehrt.
Wenn er schreit, dann FAELDER.
Sänger Kai Niemann ist ein wirklich guter Sänger mit einem markanten Bariton, aber ein expressiver Schreier ist er nicht. Kann und muss er auch nicht, denn textlich und musikalisch bewegt sich Faelder eher im Bereich Münchner Freiheit mit etwas härteren Gitarren. Die Texte gehen oft in Richtung Schmalz. Herz und Schmerz stehen im Vordergrund bei Songs wie „Wo ist das Meer“, „Licht von dir“ oder „Unheilbar“. Die Fans hatten wohl hier etwas Härteres erwartet und fragen sich des Öfteren: Was ist das? Doch, das muss mensch Ihnen lassen, gebuht wird hier nicht. Respekt dafür und einen kurzen, aber warmen Applaus für FAELDER.
Mal geht nichts rein,
dann kommt nicht raus
Nur heiße Luft In diesem ehrenwerten Haus
Mit der Namensgebung ihrer Band haben die Masterminds Alexander „Alexx“ Wesselsky und Jochen „Noel Pix“ Seibert alles, aber wirklich alles richtig gemacht. Eine Kombo „Eisbrecher“ zu nennen, ist genial. Eisbrecher ist eines der wenigen Worte mit brechen, die nicht negativ behaftet sind. Vielmehr steht Eisbrecher doch für unbändige Kraft, für Power, für etwas aus dem Weg räumen, Bewegung reinbringen. Auch das Aufbrechen von verhärteten Strukturen kann mensch hier durchaus hineininterpretieren. Sozialkritische Texte treffen auf harten Rock. Neue Deutsche Härte nennt mensch das heutzutage.
Die Jungs von Eisbrecher definieren das etwas anders, etwas einfacher: harte Gitarrensounds werden durch kraftvolle Elektroklänge ergänzt. Wie auch immer. Eisbrecher fahren seit 2003 durchs Packeis und zu brechen gibt es immer was. Darum heißt die Tour wohl auch „Ewiges Eis“. Mit Karacho (wie auch sonst?) geht es rein in den Abend. Nach dem Opener „Zwischen Uns“ kommt schon „Der Wahnsinn“ gefolgt vom Weltuntergangs-Song „Phosphor“. Die Jungs aus Bayern wissen was die Fans brauchen: Druck. Kräftig und laut. Bass und Bass-Drum gehen durch und durch. So ist das halt, wenn meterdickes gefrorenes Wasser auseinander bersten soll. Bei „Eiszeit“ schneit es auf der Bühne. Alexx ist ein großartiger Sänger und Entertainer. „Leute ihr habt jetzt Zeit für zwei, drei Fotos, aber dann volle Konzentration auf Musik und Text(e)“. Denn die sind überaus hörenswert. „Fehler machen Leute“ über Scheitern und Aufstehen oder „So oder so“ zum Thema Fatalismus. Bei „Amok“ trommeln alle auf Ölfässern. Das macht Laune. Laune auf eine besondere, besonders selbstkritische, mal ganz andere Nationalhymne („This is Deutsch“). „Himmel, Arsch und Zwirn“ ist laut Wesselsky das beste Motherfucking „H., A. & Z“ ever. Sei es ihm geglaubt.
Alexx W. ist begeistert: die Show in Hannover ist Besucherrekord ihrer Tour. Und Fans und Band geben alles. Blickfang der Bühne ist ein Alu-Podest auf dem Drummer Achim Färber thront. Er liefert sich ein Drum-Duell mit Jochen Seibert, dem Musik-Genius der Truppe. Der Sound in der Halle ist zwar laut, aber immer klar, klar wie Eis. Klar kommt irgendwann „Was ist hier los?“ und „Verrückt“ sind hier sowieso alle. „Miststück“ wird zur Mitsingnummer im Publikum und kriegt noch einen Touch Falco im Abgang. Zum Schluss noch das ruhige „Herzdieb“ und dann erstmal Abgang. Aber Freddy Quinns „Junge, komm bald wieder“ bringt noch die Vorstellung der Band mit „Eisbärwerfen“ ins Publikum. Besser geht das nicht. Zeit aufzubrechen.
Galerien (by Torsten Volkmer bs! 2019):
Setlist:
- Intro
- Ewiges Eis
- Zwischen uns
- Der Wahnsinn
- Antikörper
- Fehler machen Leute
- Augen unter Null
- Amok
- Eiszeit
- So oder so
- Prototyp
- Himmel, Arsch und Zwirn
- Herz aus Eis
- Drums vs. Machine
- 1000 Narben
- This Is Deutsch Encore:
- Verrückt
- Sturmfahrt
- Was ist hier los?
- Miststück
- Rock Me Amadeus
- Herzdieb