Therion: Deggial (2000) Book Cover Therion: Deggial (2000)
Paul-Eduard Rück
Nuclear Blast
31.01.2000

Tracklist:

  1. Seven secrets of the sphinx
  2. Eternal return
  3. Enter vril-ya
  4. Ship of luna
  5. The invincible
  6. Deggial
  7. Emerald crown
  8. The flight of the lord of flies
  9. The flesh of the gods
  10. Via nocturna (part I and II)
  11. O fortuna

Dieses im Jahr 2000 erschienene Album zeigt noch mehr als der Vorgänger Vovin die Stilrichtung, die Therion eingeschlagen haben - Heavy Metal gemischt mit klassischer Musik, gewaltigen Chören und mächtigen Opern-Arien... Bei Deggial verschmelzen diese komplett verschiedenen Musik-Stilrichtungen so sehr, dass die Grenzen kaum noch erkennbar sind, und man bekommt wirklich den Eindruck eine 60minütige Oper mit einem durch Schlagzeug und E-Gitarre erweitertem Orchester zu erleben, denn typische Metal-Sounds spielen nur eine untergeordnete Rolle. Das Orchester dominiert hier eindeutig - Violinen, Cellos, Flöten, Oboen, Hörner, Pauken, Orgel, eben alles was dazu gehört, gehen mit dem Heavy Metal eine noch nie dagewesene Symbiose ein. Deggial ist wahrlich ein kolossales Opern-Metal-Meisterwerk.

Dann der Gesang - erwartet hier bloß keine normalen Vocals bei orchestralischem Hintergrund (wenn ihr das gedacht habt, liegt ihr damit meilenweit daneben). Ich erwähne den Begriff Oper nämlich nicht umsonst - Dieses Album bietet durchweg nur (wobei dieses nur als Kompliment gedacht ist) Operngesänge und energiegeladene, dynamische Chöre. Therion singen hier gar nicht mehr selber, sondern überlassen den ganzen Gesang professionellen Tenören und Sopranistinnen... Insofern wird einem unweigerlich das Gefühl vermittelt als säße man in der Oper und lausche zauberhaften Gesängen - Einfach berauschend!!!

Die ganzen Kompositionen, die feingearbeiteten Arrangements sind unglaublich gut gelungen - Die Lieder haben zwar durch ihren etwas verlorenen gegangenen Metal-Charme nicht mehr die Eigenschaft sich ins Gehirn einzubrennen, doch das tut dem Ganzen nur Gutes. Schließlich wird hier kein pseudo-orchestralischer Poser-Metal geboten, sondern richtig göttliche Opern-Arien mit einem Schuss Heavy Metal, wobei die Songs in ihrer großen Gesamtheit auf den Hörer einwirken und begeistern - es ist nicht so wie bei anderen Bands, die klingen wollten wie Therion und die vielleicht nur einen guten Refrain austüfteln konnten. Nein, was Therion hier mit Deggial präsentieren ist einfach unglaublich und vor allem einmalig - Christofer Johnsson (der Kopf von Therion) kann man im Grunde nicht mehr als einen einfachen Songwriter bezeichnen (Er hat 10 von den 11 Songs auf diesem Album geschrieben). Ein ihm gerechter und verdienter Titel wäre wohl eher klassischer Komponist des 20./21. Jahrhunderts.

Wenn Therion diese Stilrichtung beibehalten, wird man in 50 Jahren im Musikunterricht nicht nur Bach und Puccini durchnehmen, sondern auch Christofer Johnsson - der Mann, welcher mit seinem Klassik-Metal eine Revolution im Musik-Geschäft begonnen hat...

Auch die Thematik von Deggial ist ein Meisterwerk für sich. Das Album erzählt in sehr schönen Versen von der Mythologie und alten Sagen untergegangener Kulturen. So zum Beispiel besingt seven secrets of the sphinx ägyptische Mythen, und eternal return beschreibt den Ablauf der Welt im Spiegel des `Zeit-Vaters` Kronos...

In via nocturna wird über den sogenannten `Hexentanz` gesungen, den die Hexen auf dem Brocken tanzen um den Teufel anzubeten und heraufzubeschwören - ein sehr kraftvolles Lied, welches mit diesem typischem `Opern-Dialog` daherkommt, bei dem sich der Tenor und die Sopranistin quasi singend ein Gespräch liefern, während sie die ganze Zeit über vom gewaltigen Chor unterstützt werden. Auch der Titelsong deggial ist ein Meisterwerk der musikalischen Kunst wie es Mozart nicht besser gekonnt hätte - orchestralische Stücke die wie langsames Wasserplätschern klingen und ein Gesang der einem die Seele wegschmilzt. Und trotzdem kann deggial noch mitreißen, denn gegen Ende des Liedes werden der Rhythmus und besonders die Chöre sehr energisch und treiben den Zuhörer in ein tobendes, musikalisches Inferno - göttlich!!! Ruhig und ausgeglichen, aber außerordentlich mystisch ist the invincible - dieses Lied sticht dadurch hervor, dass es fast komplett von Chören gesungen wird. Nur an einigen Stellen setzt eine wunderschöne weibliche Stimme ein um dem grandiosen Chor den Weg zu ebnen...

Und wenn die ganze Klassik und all die Opern-Gesänge nicht genug wären, haben Therion noch zusätzlich zu ihren Meisterstücken Carl Orffs o fortuna aus dem berühmten Stück Carmina Burana eingespielt - Boah, ein Hammer vor dem Herrn, sage ich da nur... Wer jetzt o fortuna kennt und liebt, von Therion jedoch noch nicht viel gehört hat, kann sich ohne Sorgen entspannt zurücklehnen, denn man hat o fortuna keineswegs geändert oder verunstaltet - ganz im Gegenteil: die Chorpassagen klingen fast noch kraftvoller und lassen dem Zuhörer das Mark erschauern...

Insgesamt ist Deggial in der Tat ein Album, das seinesgleichen erst noch finden muss, denn soviel Klassik und Oper hat man von einer Metal-Band noch nie gehört. Hut ab vor Therion - diese Band verdient ganz großen Respekt.Was ich noch für erwähnenswert halte: Für den Song the flesh of the gods konnten Therion Hansi Kürsch von Blind Guardian als Lead-Sänger gewinnen. So klingt dieses Lied wie eine Mischung aus Blind Guardian und Therion, hier kommt auch der Heavy Metal richtig zur Geltung - ein wahrhaftig großartiger Song, wenn sich zu Hansi Kürschs cooler Stimme noch Tenor- und Sopran-Gesang plus ein himmlisches Orchester dazugesellen.FAZIT: Therion bieten mit Deggial ein weiteres Album für alle Metal- UND Opern-Fans.

Fazit:
Für jeden empfehlenswert, der auf mächtige Chorpassagen, Metal-Rhythmen und dynamische Opern-Gesänge steht - Wer Alben wie Vovin und Theli mochte oder gar liebte, wird Deggial anbeten und nur auf Knien mit geschlossenen Augen sich anhören!

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