Review: Kommt einfach mit ins Morgenland – Letzte Instanz, Luft & Liebe (13.04.2018, Leipzig)

Leipzig, Sachsen. Es ist Freitag der 13. Doch wie durch ein nicht-abergläubiges Wunder passieren heute keine schlimmen Sachen. Doch auch die Tatsache, dass die örtlichen Verkehrsbetriebe heute streiken hält Leipziger und Nicht-Leipziger keineswegs davon ab, am Abend den Connewitzer Stadtteil zu besuchen.

Die Letzte Instanz spielt heute im bunt angesiedelten Werk2. Für die Band, die ihren Ursprung im etwa 120 km entfernten Dresden hat, fast ein Heimspiel. Oder auch ein Vorspiel zur großen Geburtstagsfeier am 13.10.2018 in Dresden? An diesem Tag werden die Clubs, Bars und Restaurants restlos leer sein. Denn alle werden mit “ihrer” Band im großen Saal des Alten Schlachthofs feiern. So Save The Date.

Das Werk2 bietet bei Sonnenschein und frühlingshaften, oder fast sommerlichen, Temperaturen eine perfekte Wartemöglichkeit, um den Einlass gegen 19 Uhr gemütlich entgegen zu fiebern. Der kleine Außenbereich der Constanze bietet den zahlreich anwesenden Wartenden, und auch sonst den Gästen, eine äußerst nette Möglichkeit bei einem kühlen Ur-Krostitzer oder heißen Kaffee die Zeit verstreichen zu lassen. Ganz pünktlich schlendert die fast nur in schwarz gekleidete Schlange bei Einlass in die kürzlich renovierte Halle D der Kulturfabrik. Die erste Reihe sitzt bereits nach wenigen Minuten fest in der Spur und wird vom weichen Licht der IKEA Regolit sanft umschmeichelt.  Und den Weg zur Bar schafft man ohne Probleme. So macht Warten Spaß. Keine Hektik, kein Geschubse. Überall nur freundliche und gemütliche Menschen.

Die Kammer (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Doch genug der Vorrede. Zurück zur Musik! Zurück zur Liebe und zur Letzten Instanz. Minütlich füllt sich Halle D mit Besucherinnen und Besuchern. Alles verteilt sich gut im Raum, viele nutzen auch die Aufstiegsmöglichkeiten an der Seite. So haben alle alles im Blick. Perfekt. So geht es überpünktlich einige Minuten vor 20 Uhr schon los. Die minimalisierte Die Kammer ist heute zwar leiser als sonst, aber nicht weniger gefühlvoll unterwegs.

First love’s foolishness and fear of rejection
Simpleheartedness looks for perfection
Within a kiss

Die Kammer (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Es muss eben nicht immer laut sein. Akustisch rocken Markus (Gesang, Gitarre) und Matthias (Gitarre) vornehm gekleidet und voller Witz das aufmerksame Publikum in die perfekte Stimmungslage ein. Die Kammer erzählen musikalisch Geschichten. Von kleinen Ladies mit Äxten. Sie lassen die akustische Sau raus. Mit Charm, Witz und Inhalt. Sich einstimmen, tanzen und klatschen gehen mühelos von Hand und Fuß.

Bad boys better watch
here she comes

Für die letzten beiden Stücke unterstützt Benni von Letzte Instanz seine Kollegen am Cello. So kann sich mit vereinten Kräften die kleine Schwester am herzenbrechenden Übeltäter rächen. Richtig so. Es wird kokett gepfiffen und  tralalalatat und gemeinsam mit dem Publikum ist der Racheakt erfolgreich vollzogen.

Die Kammer (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Ach, komm doch einfach mit ins Morgenland hinein

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Und schon gleich beginnt die Reise ins Morgenland. Es ist 21 Uhr, die Lichter gehen aus. Das Publikum ist willig und bereit. Cellist Benni und Violinist M. Stolz betreten als Erste die Bühne. Im fast Dunklen bringen beide, die äußerst atmosphärisch von hinten durch weißes Licht angestrahlt werden, gefühlvoll das Intro über die Saiten. Der Spannungsbogen ist gespannt. Drummer Andy folgt und schlägt die ersten Takte von “Morgenland” in die Trommeln. Und so startet auch schon die zweistündige Reise mit und durch das Morgenland, in dem es allerhand Menschliches zu entdecken gibt… Holly (Gesang), Bernie (Gitarre), Benni (Cello), Andy (Schlagzeug), Rico (Violine) und Michael (Bass) sind bereit für ihre Mission.

VOLLE KRAFT VORAUS UND
VIELLEICHT MORGEN, MORGEN DANN…

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Vom “Morgenland” geht es mit 600 % Power weiter auf den “Maskenball”. Alle auf und vor der Bühne springen. Bei den Tönen ist das auch nicht wunderlich. Alle drehen sich im Kreis geschwind und tanzen neckisch neckend los.

Maske ab, Gefühle frei, ab geht’s.

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

An einem Abend, an dem sich Highlight an Highlight reiht, gibt die Letzte Instanz tatsächlich noch eins oben drauf. Beim Flirt-Gassenhauer “Disco D’Amour” vom aktuellen Album teilt sich das Publikum und macht eine Gasse, in der Sänger Holly mit allen zusammen tanzt und singt.

Der Refrain des Liedes wird kurzerhand etwas erweitert. Da sich auf “wir” eindeutig nur “Bier” reimt, wird dieser zum Schlachtruf erklärt. Die gut gelaunten Zuschauer finden es gut und singen kräftig mit.

Und wir steh’n da und trinken…Bier!

Auf “Bier” bekommt zwar der ein oder andere eine kleine Bierdusche ab. Aber im Eifer des Gefechts bzw. Gesang ist das ein zu verkraftender Nebeneffekt. Bier verbindet. Bier macht Freu(n)de. Inmitten und umgeben der Bierdusche sind so an diesem Abend bestimmt neue Bekanntschaften entstanden.

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Warum sind wir nicht geblieben?

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Doch selbstverständlich geht es an diesem Abend (und bei diesem Lied) nicht nur um’s Biertrinken. Bei Liedern wie “Blind” und “Der Garten” wird es auf eine ganz andere Art romantisch und sehr gefühlvoll. Alle Arme Schaukeln im Takt in der Luft. Mit geschlossenen Augen singt und träumt einer oder eine mit. Kurzum: Die Letzte Instanz bewegt. Sie verbindet. Sie schaffen das Wir-Gefühl. Menschen, die noch wissen was Menschlichkeit bedeutet. Denen Liebe wichtiger ist als Krieg.

Flucht aus der Taktproblematik…

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Die Liebe ist den Leipzigern an diesem Abend gewiss heilig. Doch mit dem Zählen scheint es heute Abend etwas komplizierter zu werden. “Flucht Ins Glück” startet so mit etwas Verspätung. Wegen rhythmischer Timingprobleme auf Seiten des Publikums verschiebt sich die Klatscheinlage mal nach vorn oder auch etwas nach hinten.

¾ oder 5/4 oder 6/8 oder 4/4…puuuh. Klug ist, wenn man sich als Rhythmuskasper dezent im Hintergrund hält. Doch alles kein Problem. Die Letzte Instanz hat Zeit. Irgendwann klappt es dann (…?) und die Rhythmusprobleme werden einfach weggetanzt. Nach einer kurzen Bandvorstellung sängerseitig…

GUT AUSSEHEND. Kräftig. Reich. Schlank. Schlagzeuger.

… geht es brachial krachend mit “Tränen aus Stein”, “Komm!” und “Das Gerücht” nochmal in die Vollen. Alles dreht im Kreise sich. Alles dreht sich dicht an dicht.

Bei aller Nächstenliebe.
Ihr seid mir sowas von egal.

Mit “Mein Todestag” gibt es in Vorbereitung auf das große Jubiläumskonzert am 13.10.2018 in Dresden ein älteres Stück zu hören. Alle freut’s. Alle gehen ab. Bis die schwitzende Meute dann vereint, im gelb und orangenLicht eingehüllt, mit gehaltenen Händen zu “Wir sind allein” schunkeln. Das ergibt von hinten betrachtet ein solch unglaublich schönes Bild, dass sich die Gänsehaut breit macht. Einfach Wahnsinn. Nananana…

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Sie träumte von der fernen Welt
Von Liebe, Schönheit, Ruhm und Geld

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Zum krönenden Abschluss geht das “Rapunzel” eine Symbiose mit dem “Junge(n)” ein. Letzte Instanz trifft Die Ärzte. Und wer muss es ausbaden? Der arme Rico Schwibs… Löcher in der Nase, die Festanstellung bekommt er vielleicht von Basser Michael Ende. Keine rosigen Aussichten. Doch mit einer kühlen Flasche Bier in der Hand lässt er sich von seinem Schicksal nicht allzu sehr beeindrucken und übernimmt wieder freiwillig beim wiederkehrenden “Rapunzel” seinen Part. Das Publikum dreht wohlwollend durch und tanzt sich die Seele aus dem Leib. Die Luft in der Halle wird immer dünner. Nicht nur in männerbesetzten Tourbussen kann es nach Puma riechen.

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)
Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Noch Einmal” ist nach zwei Stunden Gefühl, Tanz, Botschaft und Power dann leider doch das Schlusslicht des Abend. Die Kammer begleitet das gut gelaunte Sextett und so schunkeln und singen aus voller Kraft alle noch einmal am Ende zusammen. Was für ein wunderschöner Abend, der nie hätte enden dürfen.

Doch. Der Sauerstoff ist verbraucht. Der Muff hängt in der Luft… hinaus an die frische Luft und oder direkt ins Dark Flower zur Aftershow Party (wer noch etwas mehr weniger Luft brauch …). Und wer noch Kraft hat und keine Rückenschmerzen kann sogar noch abdancen gehen. Und Biere spendieren. Oder spendieren lassen?

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Nicht vergessen: Die Zeit ist quälend lang, aber am 13.10.2018 kommt ihr alle nach Dresden in den Alten Schlachthof für DAS große Jubiläumskonzert. Zusammen mit Lord Of The Lost und Zeraphine wird die Band verdient gefeiert. Also schnell an die Karten. Es wird bestimmt eng. Mehr Infos bald hier.

Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2018):

Letzte Instanz (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Setlist Letzte Instanz:

  1. Intro + Morgenland
  2. Maskenball
  3. Schwarz
  4. Das schönste Lied der Welt
  5. Asche zu Gold
  6. Schau in mein Gesicht
  7. Disco D’Amour
  8. Blind
  9. Der Garten
  10. Wir sind eins
  11. Mein Land
  12. Schuld
  13. Jeden Morgen
  14. Der Kuss
  15. Flucht ins Glück
  16. Tränen aus Stein
  17. Komm
  18. Das Gerücht
  19. Mein Todestag
  20. Wir sind allein
  21. Rapunzel feat. Junge
  22. Noch einmal
Die Kammer (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Setlist Die Kammer *)

  1. The Line of Last Resistance
  2. Slipping Around the Corner
  3. Labyrinths of Despair
  4. Till The Break Of Dawn
  5. Fate / Illusion
  6. Taught To Survive
  7. Mirror (feat. Benni Cellini)
  8. Sinister Sister (feat. Benni Cellini)

*) Setlist aus München, Quelle: Setlist.fm

Links:
www.letzte-instanz.de
www.die-kammer.com

Kristin Hofmann
Kristin Hofmannhttp://www.fotokatz.de/
Kristin Hofmann, das schnurrende Fotokatzl, ist uns von den Elbwiesen zwischen Nightwish und Lacrimas Profundere im Fotograben irgendwie zugelaufen. Das „Spätzchen“ fährt in der Regel nicht die Krallen aus, voll auf weißblaue Vierräder ab und hat die anderen sechs Nerdzwerge zwischen Datenkraken, Mediendschungel und Hexadezimal im Blinzelwettbewerb längst platt gemacht. Schnurrbart steht ihr übrigens nicht so gut wie DocMartens, aber irgendwas is’ ja immer. Bitte nicht füttern!

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