Feine Sahne Fischfilet: Sturm und Dreck (2018) Book Cover Feine Sahne Fischfilet: Sturm und Dreck (2018)
Audiolith
12.01.2018
www.feinesahnefischfilet.de

Tracklist:

01. Zurück in unserer Stadt
02. Alles auf Rausch
03. Angst frisst Seele auf
04. Schlaflos in Marseille
05. Zuhause
06. Alles Anders
07. Dreck der Zeit
08. Ich mag kein Alkohol
09. Suruç
10. Wo niemals Ebbe ist
11. Wir haben immer noch uns
12. Niemand wie ihr

„Ich kann immer noch nicht singen, doch spiel jetzt bei Rock am Ring.“ – Der Eröffnungssatz von „Alles auf Rausch“, dem zweiten Song auf „Sturm und Dreck“, fasst das Phänomen Feine Sahne Fischfilet sehr treffend zusammen. Der wunderbar selbstironische Song stellt eine fetzige Retrospektive des bisherigen Werdegangs der Jungs aus Mecklenburg Vorpommern dar, nachdem bereits der Opener „Zurück in unserer Stadt“ mit Monchis kühnsten Gesangskünsten in hart-vorpommernschen Dialekt die Frage aufwirft: „Wieso genau musste der jetzt Sänger werden und warum finden die Leute das jetzt geil?“

Die Antwort findet sich schnell im Verlauf der restlichen Platte wieder: Der Junge hat was zu erzählen. Auf „Sturm und Dreck“ befinden sich 12 Stücke irgendwo zwischen Alkoholrausch und Politpunk. Es gibt grobschlächtige Liebeslieder wie „Schlaflos in Marseille“ oder unterhaltsame Stücke „Ich mag kein Alkohol“ – ausreichend Trompeten und knackige Refrains animieren zum Mitsingen und Feiern. Mit „Alles Anders“ wird es auf eine verschrobene Art emotional – an dieser Stelle wechselt auch der Gesangspart von Monchi zum etwas feinfühligeren Christoph Sell, statt Geschrammel und wilden Tropeten wird das Tempo an dieser Stelle stark gedrosselt, nur um die HörerInnen danach mit „Dreck der Zeit“ brutal aus ihrer Trance zu reißen. Die fast-schon-hardcore-Nummer ist laut und dreckig, der Text lässt sich stellenweise nur erahnen, die Wut jedoch ist greifbar. Neben der Vorabsingle „Zuhause“, die sich den Fliehenden und Heimatlosen widmet, sicher einer der Höhepunkte der Platte. Ähnlich ernst bleibt es bei „Suruç“. Herzensangelegenheiten die mensch Feine Sahne Fischfilet ohne Zweifel abkauft, da die Gruppe auch abseits der Musik immer wieder durch politisches Engagement aus der großen Menge der Punkbands heraussticht.

„Wo niemals Ebbe ist“ hingegen widmet sich der eigenen Herkunft. Ein paar Zeilen für die Ostsee und Hansa Rostock, eingeleitet von niedlichen Trompeten schunkelt sich der Song durch seine drei Minuten, mit ausreichend Stoff zum Mitsingen. Auch mit „Niemand wie ihr“ bleibt es persönlich – ein Lied an die Eltern – sollte jeder harte Kerl mal geschrieben haben!

„Sturm und Dreck“ ist authentisch und abwechslungsreich. Sowohl musikalisch als auch thematisch wird es auf dem neuen Album nicht langweilig. Ska, Punkrock, etwas Hardcore. Trotz wachsendem Erfolg bleibt der Stil von Feine Sahne Fischfilet rau und ungehobelt, nur minimal angepasst, an das, was sich bei anderen Künstlern dieser Größe Punkrock schimpft. Weiter so!

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Thea Drexhage
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.